Keine Abendlektüre für Masochisten

Okay, legen wir los: "1000 Berlin 20, K. Riemer, Brunsbütteler Damm 117. 30 Autobout. K. Schneider, Kleist- 1. 41 W. Mundt, Lauenburger- 57. 42 Auto-Service H. Buschow, Lankwitzer-1-2. 47 Autohaus Gropiusstadt, Rudower- 156. 51 ACN Autom., Blanke- 17." Das ist nicht etwa das Telefonbuch der Hauptstadt und auch keine Abendlektüre für Masochisten. Nein, das ist Werbung – und das geht auch noch ewig so weiter: "8901 Bieberbach, H. Bobinger, Kleemeisterhaus 1. 8929 Schwabsoien, W. Gaß+A. Kollek, Schongauer-1." Sie wissen schon.

Über 470 deutsche Händler sind in der Zeitungsanzeige aufgelistet, mit der Suzuki Ende der 80er Jahre für den Swift GTi geworben hat. Ob sich das wirklich jemand von vorn bis hinten durchgelesen hat, weiß kein Mensch. Es zeigt aber, daß sich die Autowerbung in den letzten zwei Jahrzehnten ähnlich dramatisch verändert hat wie das Auto selbst, um das es hier geht: Den Suzuki Swift, mit 170.476 Neuzulassungen auf Platz 113 unserer ewigen Bestenliste "Deutschlands Top 200".

In den Anfangsjahren war die Vorgabe des Importeurs in Sachen Werbung: "Machen Sie mal was. Wir wollen aber keine bunten Bilder, wir wollen möglichst viele Autos verkaufen", erinnert sich Jörg Schneider (61). Der gelernte Bankkaufmann war von 1985 bis 2003 Marketingleiter bei Suzuki und erklärt den Sinn der langen Händlerauflistung in der alten Anzeige so: "Damals gab es noch kein Markenbewußtsein, bei uns waren die Händler die Marke. Deshalb haben wir versucht, sie möglichst gut zu unterstützen."

Wenn was ist, kriegt der Ernst es wieder hin

Seitenlange Marketingkonzepte, eine sorgsam ausgetüftelte Corporate Identity (Firmenimage), diese ganze bunte Werbewelt mit ihrer eigenen, komplizierten Fachsprache, das gab es damals alles nicht. Damals kamen die Suzuki-Händler aus dem Motorrad- und Landmaschinenbereich und verkauften über Mundpropaganda. Die Käufer wußten: Wenn mal was ist, dann kriegt der Ernst das schon wieder hin. Oder der Manfred.

Ob auf dem Auto dann Suzuki oder Honda oder sonstwas stand, war im Grunde nicht so wichtig. Entsprechend zurückhaltend zeigte sich der Swift selbst. Gucken wir uns nur mal den weißen 1.0 GL mit Erstzulassung April 1988 an, den uns ein Händler für die Fotoaufnahmen ausgeliehen hat: Zwölf-Zoll-Räder, kleines Auspuffröhrchen, schmaler Grill. Das Suzuki-Logo auf der Motorhaube ist im Vergleich zu heute noch recht klein – als wäre es gar nicht wichtig.

Viel wichtiger war Hersteller wie Käufern, daß der Dreizylinder sparsam und zuverlässig arbeitete und man trotzdem zügig um die Ecken kam. Der neue Swift (steht seit Mai bei den Händlern) präsentiert sich dagegen in einem ganz neuen Licht: 15 Zentimeter höher, unendlich viel wuchtiger, mit großer Schnauze, riesigen Scheinwerfen und einem selbstbewußten Suzuki-S im Grill.

Weltweite Werbung statt Mundpropaganda

Kollegin Hucko, die das Auto über den Stadtkurs von Monte Carlo gejagt hat, schwärmt von der direkten Schaltung, dem straffen Fahrwerk und dem dynamischen 70-PS-Diesel (kommt frühestens Anfang 2006 nach Deutschland). Unser Foto-Objekt, der schon jetzt erhältliche 1,3-Liter-Benziner mit 92 PS, wirkt dagegen etwas schwach auf der Brust.

Es hat sich jedenfalls ganz schön was getan beim Swift, und das zeigt sich auch in der Werbung. Statt mit langen Händlerlisten wirbt Suzuki mit Fußballstar Cristiano Ronaldo von Manchester United. Im TV-Spot jagt der Swift in einer Fußgängerzone einem Ball hinterher, und erst ganz am Ende erfährt man, daß der portugiesische Nationalspieler am Steuer sitzt. Hätte es früher nicht gegeben, so was. "Das ist unser erster weltweit laufender TV-Spot. Mit ihm wollen wir junge Leute ansprechen", sagt Marketingleiter Guido Hannich (39). Er hat den Job 2003 von Jörg Schneider übernommen, aber im Grunde eine ganz andere Aufgabe.

Statt Händler zu unterstützen, soll der gelernte Betriebswirt die Marke selbst bekannter machen. "Dafür können wir uns nicht mehr nur auf Mundpropaganda verlassen. Wir sind 2003 nach Japan gefahren und haben beim Vorstand erreicht, daß es jetzt eine weltweite Markenstrategie gibt", sagt Hannich. Das Bild, das die Werber von Suzuki zeichnen wollen: "Unsere Kunden definieren sich nicht darüber, was für ein Auto sie haben, sondern was sie damit anstellen. Wir wollen da etwas Stolz reinbringen und erreichen, daß sie sagen: "Ich bin ein Könner – und kein Blender."

Technische Daten in der Übersicht

Um gleichzeitig die Käuferschicht zu verjüngen, die zum Teil noch aus Zeiten des Ur-Swift stammt, setzt Hannich vor allem auf Internet und TV. Sein Vorgänger Jörg Schneider kann das alles nachvollziehen. Aber grinsen muß er trotzdem. Er sagt: "Meine Güte, wenn ich zu meiner Zeit einen teuren Fußballstar für die Werbung verpflichtet hätte – ich glaube, da hätte ich mir gleich meine Kündigung abholen können ..."

Technische Daten Swift 1.0 GL (1988): Reihen-Dreizylinder • 6 Ventile • eine obenliegende Nockenwelle • Zentraleinspritzung • Hubraum 986 cm³ • Leistung 37 kW (50 PS) bei 5800/min • maximales Drehmoment 74,5 Nm bei 3600/min • Frontantrieb • Fünfgang • Scheibenbremsen vorn, selbstnachstellende Trommelbremsen hinten • Tankinhalt 31 Liter • Länge/Breite/Höhe 3670/1530/1350 mm • Reifen 155 SR 12 • Leergewicht 680 kg • Spitze 145 km/h

Technische Daten Swift 1.3 (2005): Reihen-Vierzylinder • 16 Ventile • zwei obenliegende Nockenwellen • Multipoint-Einspritzung • Hubraum 1328 cm³ • Leistung 68 kW (92 PS) bei 5800/min • maximales Drehmoment 116 Nm bei 4200/min • Frontantrieb • Fünfgang • vorn innenbelüftete Scheibenbremsen, hinten selbstnachstellende Trommeln • Tankinhalt 45 Liter • Länge/Breite/Höhe 3695/1690/1500 mm • Reifen 185/60 R15 84 H • Leergewicht 1045 kg • Spitze 175 km/h