Wohin fährt der Retro-Zug?

Blick zurück nach vorn? Was gestern gut war, kann doch heute nicht schlecht sein, oder? Steigen wir auf den Retro-Zug und schauen, in welche Richtung der Van der Zukunft fährt. Im Falle VW Microbus pustet erst mal ein fetter Kenworth-Lastwagen auf dem Weg zum Liberty State Park rußige 475-PS-Abgaswolken in den Himmel. Die verchromten Schornsteine ragen blitzend in die Luft wie die beeindruckenden Wolkenkratzer am Hudson River. Hydraulisch senkt der 18-Meter-Auflieger seine Ladewand. Das Dröhnen der Klimaanlage im Frachtraum wird plötzlich übertönt: Ein Anlasser wirbelt jüi-jüi-jüi, bis das Geräusch in ein Blubbern übergeht, das beim Gasgeben in gänsehäutige Alpha-Aggressivität umschlägt.

Der Komponist heißt Microbus. Von VW. Ein satter amerikanischer V8-Volltöner? Nein, aber ein Wolfsburger VR6 mit 3,2 Liter. Er meldet gut vernehmlich aus seinem ovalen Endrohr, dass sich gerade alle sechs Zylinder zum 231-PS-Donnerwetter versammeln.

Dann die Enttäuschung: Im Microtempo schleicht der Microbus von der Laderampe zur Fotostelle. Die Automatik dieses Einzelstücks bleibt im ersten Gang blockiert, höheres Tempo könnte dem handgefertigten Aufbau schaden – nicht dem Fahrwerk, denn das besteht bereits aus der Plattform des Transporters T5.

Über Detroit, Genf, Tokio nach Hannover

So bleibt das Fahr-Erlebnis bruchstückhaft: Schaltgriff auf der Turbinenstil-Nase sanft vorgeschoben, Micro säuselt los, so bis 20 Sachen. Irgendwelche Innereien quietschen, die Spritpumpe brummt. Stock gezogen: das Ganze rückwärts. Summend fährt da, wo bei anderen Wagen der Rückspiegel sitzt, ein Bildschirm aus dem Dach und gibt den (Kamera-)Blick nach hinten frei.

Die sensible Kunststoffkarosse ist ein Meisterstück deutschen Prototypenbaus. Die wichtigsten Extras funktionieren, die Spaltmaße stimmen ebenso wie die filigranen Fugen an der Armaturentafel und den anderen Schaltelementen. Denn wenn der Microbus in Serie geht, bekäme er alles aufgepfropft, was Bill Gates und seine Freunde in ihren Gehirnen erdacht haben.

Entworfen wurde der Microbus im kalifornischen Design-Studio von Volkswagen. Microbus glänzte schon auf den Autosalons von Detroit und Genf. Er stand auf der IAA im September 2001, und auf der Tokyo Motorshow im Oktober vor zwei Jahren entzückte er bereits die Japaner. Mittlerweile sind die Würfel gefallen. Im Rahmen des Projekts "5000 mal 5000" sind 1500 neue Arbeitsplätze für den Bau des Microbus im hannoverschen VW-Werk Stöcken vorgesehen. Rund 80.000 Autos sollen dann jährlich vom Band laufen.

Verkaufsstart frühestens Ende 2005

60 bis 70 Prozent davon sind für die Kinder der US-Hippie-Generation der 60er und 70er Jahre bestimmt, deren Eltern damals mit dem Ur-Bulli von der Ostküste ins gelobte Kalifornien tingelten und vorher in Woodstock Janis Joplin lauschten, deren Freunde "alle Porsche und Mercedes-Benz fuhren". Verkaufsstart ist aber frühestens Ende 2005.

Die Amis, so wissen die VW-Marktforscher, fahren voll auf den Microbus ab. Aber auch die Deutschen? Die den New Beetle so kaltherzig links liegen gelassen haben und erst beim neuen Cabrio wieder weicher wurden?

Wer das "Volkswagen Magazin" abonniert hat, konnte das Pfeifen der Marketing-Leute im Walde vernehmen. Im abgehobensten Werber-Deutsch wollten sie da überzeugen, schossen förmlich mit Adjektiven auf die Leser: "Die schlüssige Frontpartie mit den coolen Xenon-Schlitzen, das überzeugende Heck, die lakonische Fensterpartie im durchlaufenden Band." Das Schärfste: Da wird die "Grundform (des alten Bulli, Anm. der Redaktion) unverkennbar zitiert und doch nicht eindeutig".

Charakter, Stil, ausgefallene Ideen

Bleiben wir auf der Fahrbahn. Ein eher abschreckendes Formenbeispiel für ein Nutz-Fahrzeug in dieser Klasse ist die Mercedes-Benz V-Klasse. Vier Ecken, vier senkrecht hochgezogene Wände. Deckel drauf, fertig. Emotion? Die ging irgendwo zwischen Smart und A-Klasse verloren. Ob der Nachfolger namens Viano daran etwas ändern kann, bleibt abzuwarten.

Der Microbus aber kann damit wuchern. Zwar ist er mit dem Ur-Bus so wenig verwandt wie die Herren Pischetsrieder und Schrempp. Nur die Pastellfarben von Opa Bulli und Microbus zeigen eine gewisse Ähnlichkeit. Dafür ist der Enkel aber das Gesicht in der Menge. Er hat Charakter, er hat Stil. Und das Plus: Schon meilenweit kann man ihn erkennen. Das gibt es heute doch nur noch bei alten Käfern, dem Renault 4 oder Enten.

Oder eben beim New Beetle. Dem gegenüber der Microbus ebenfalls einen Vorteil hat: Sein Innenraum ist viel ökonomischer. Elektrische Schiebetüren schaffen Zugang zu den Einzelsitzen, die sich auf dem Boden verschieben oder in der Mitte drehen lassen. Ultrabequeme Friseursessel-Füße sorgen für Beinfreiheit. Der mittig im Cockpit platzierte Schalthebel lässt Platz zum Durchsteigen.

Daten und Fakten zum VW Microbus

Ob der Microbus den Sharan in Rente schickt, haben die VW-Oberen bislang noch nicht entschieden. Es ist aber nahe liegend, denn eine dritte Baureihe in diesem Segment neben dem T5 würde kaum Sinn machen. Styling macht munter, Pfiffigkeit und Individualität wecken Interesse. Von alledem hat der Microbus viel zu bieten. Er ist ein Lichtblick der Automobilgeschichte. Wie sein Urahn Bulli. Dafür wird man doch über 30.000 Euro ausgeben. Oder?

Was die Van-Zukunft sonst noch zu bieten hat, zeigt die Bildergalerie. 50 Fotos über Studien, Konzepte, Innen- und Außenansischten, neuartige Falt- und Schiebetechniken für Türen, Sitze, Heckklappen. Teils abgehoben, teils vielleicht unrealistisch. Aber meistens richtungsweisend.