Diesel-Abgasskandal: Fragen zum Rückruf
Was Sie zum Rückruf wissen sollten

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Die deutschen Autohersteller hinken bei den Software-Updates für 5,3 Millionen Schummel-Diesel beträchtlich hinterher. Alle Infos für Besitzer betroffener Autos!
(dpa/mas/brü/lhp/cj/jr) Bei der versprochenen Umrüstung von Millionen Dieselautos mit neuer Abgas-Software drohen erhebliche Verzögerungen. Bis Jahresende sollen in Deutschland eigentlich 5,3 Millionen Wagen für den Kampf gegen Fahrverbote nachgebessert werden – bis dato (Stand: 13. Dezember 2018) sind aber nur 3,75 Millionen Fahrzeuge fertig umgerüstet. Das teilte das Verkehrsministerium auf Anfrage mit. Ressortchef Andreas Scheuer (CSU) forderte die Hersteller kurz vor Ende dieser Frist erneut eindringlich auf, schnellstmöglich die restlichen Fahrzeuge abzuarbeiten. "Ansonsten verspielen sie erneut Vertrauen." Der Branchenverband VDA verwies auf erheblichen Aufwand. Man arbeite mit Hochdruck daran, "eine möglichst große Anzahl“ schnell umzurüsten.
Was bedeutet der Diesel-Skandal für die Fahrer manipulierter Autos? Wie wird umgerüstet, und welche Auswirkungen hat das für Verbrauch oder Leistung? AUTO BILD beantwortet die wichtigsten Fragen zum Rückruf. Dazu: Pro und Kontra zum Diesel-Kauf!
Fragen und Antworten zu Diesel-Stilllegungen
Wann begannen die Hersteller den Diesel-Rückruf?
Die deutschen Autobauer haben bis Jahresende 2018 Umrüstungen für 5,3 Millionen Diesel zugesagt, darunter 2,5 Millionen VW (nähere Infos hier), aus denen eine illegale Software entfernt werden muss. Bei VW waren bis Dezember 2018 nach Angaben des Verkehrsministeriums rund 98 Prozent der betroffenen Autos umgerüstet. Im August 2018 wurde überraschend bekannt, dass noch eine Million Diesel zusätzlich eine neue Abgas-Software bekommen sollen, im Anschluss an die 5,3 Millionen, also nicht vor 2019. Die extra Million ergab sich laut Ministerium aus weiteren Pflicht-Rückrufen wegen illegaler Abgastechnik für deutsche Hersteller. Hinzu kamen mehr freiwillige Updates deutscher wie ausländischer Hersteller – darunter Alfa Romeo, Fiat, Mazda, Renault, Ford und Opel.
Audi startete am 14. November 2018 nach langer Verzögerung den ersten von insgesamt acht Rückrufen für Modelle mit V-TDI-Motoren in Deutschland. Bundesweit wurden zunächst rund 31.200 Fahrzeuge der Modelle Audi A6 und Audi A7 Sportback (Baujahre 2015 - 2018) in die Werkstätten gerufen. Am 6. Dezember kamen 64.000 Fahrzeuge der Modelle A8, Q5 und SQ5 (Baujahre 2014 - 2017) dazu. Damit wurden vier Bescheide bereits umgesetzt, insgesamt sind bundesweit etwa 151.000 Autos der Mittel- und Oberklasse betroffen. Die übrigen Rückrufe sollen demnach ebenfalls beginnen, sobald eine Genehmigung des KBA vorliegt. Bei dem verpflichtenden Rückruf wird nach Angaben des Autobauers ein Software-Baustein aus der Motorsteuerung entfernt. Die Maßnahme ist für Audi-Kunden kostenfrei. Verweigern sollte niemand das Software-Update, spätestens bei der nächsten HU droht sonst die Stilllegung des Fahrzeugs!
Auch Daimler hat seit Ende Oktober 2018 zum verpflichtenden Rückruf für Diesel-Modelle aufgerufen. In Deutschland sind rund 280.000 Fahrzeuge der Modelle Vito, C-Klasse, ML, GLE, GL, GLC, GLS und V-Klasse betroffen.
Porsche wurde im Sommer 2018 vom KBA zum Rückruf von knapp 60.000 Dieseln verdonnert. Dabei handelte es sich um 53.000 Macan 3,0-l-V6 mit Euro 6, davon 15.000 in Deutschland, und 6800 des größere SUVs Cayenne mit dem gleichen Motor (4000 in Deutschland). Seit Oktober informiert Porsche nach eigenen Angaben die Kunden und ruft die Fahrzeuge in die Werkstätten.
Opel hatte zuletzt versucht, den Rückruf von 95.000 Euro-6-Modellen der Typen Zafira, Cascada und Insignia zu verhindern, war damit aber Anfang November 2018 vor dem Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein gescheitert.
Warum handeln manche Hersteller so zögerlich?
Der Branchenverband VDA verwies im Dezember 2018, als die erneute erhebliche Verzögerung bekannt wurde, auf den erheblichen Aufwand. Es gehe um Entwicklung, Prüfung und Freigabe Hunderter Software-Varianten, abhängig von Fahrzeug-Motor-Getriebe-Varianten. Man arbeite mit Hochdruck daran, "eine möglichst große Anzahl" an Fahrzeugen schnell umzurüsten. Die Anträge seien fristgerecht beim KBA eingereicht worden. Es sei das gemeinsame Ziel, Updates zügig entwickelt, geprüft und freigegeben zu bekommen. "Hier sind wir schon einen guten Schritt vorangekommen." Vor allem komme es darauf an, dass Kunden in die Werkstätten kommen, denn es sei eine freiwillige Aktion.
Wie lange haben Halter Zeit für die Nachrüstung?
Nach dem vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Rückruf werden die Halter betroffener Diesel angeschrieben. Sie haben 18 Monate Zeit, ihren Wagen in die Werkstatt zu bringen. Die Frist begann jeweils an dem Tag, an dem das Update für das Fahrzeugmodell zur Verfügung stand. Die ersten Benachrichtigungen gingen für den VW Amarok raus.
Wie läuft das Verfahren?
"Nimmt ein Halter nicht an der Rückrufaktion teil, wird er durch das KBA direkt angeschrieben und zur umgehenden Nachrüstung aufgefordert", erklärt ADAC-Jurist Markus Schäpe. Weigert er sich immer noch, werden diese Fälle an die örtlichen Zulassungsstellen weitergeleitet, die den Fahrzeughalter mit einer sehr knappen Frist schriftlich anhören. Lässt der Halter dann immer noch nicht umrüsten, erlässt die Behörde eine sogenannte Betriebsuntersagung. Gegen die Stilllegung kann der Betroffene mit einem Widerspruchsverfahren bzw. einer Anfechtungsklage vorgehen. Das Verwaltungsgericht klärt dann, ob die Maßnahmen rechtmäßig sind.
Müssen Umrüst-Muffel mit Stilllegung rechnen?
Ja. Denn die örtlich zuständigen Zulassungsstellen können den Betrieb eines nicht nachgerüsteten Autos untersagen und es stilllegen. Das kostet den Halter zudem rund 50 Euro Gebühren. In Bochum, Hamburg und München bewiesen die Behörden bereits, dass sie es ernst meinen: Sie legten mehrere Fahrzeuge still, deren Halter die Aufforderung zum Update ignoriert hatten. In Bayern wies jetzt ein Gericht die Klagen sechs betroffener Halter zurück, die trotz Aufforderung ein Software-Update verweigert hatten.
Warum wollen sich einige Halter nicht am Rückruf beteiligen?
Grund ist die Angst vor technischen Problemen, einem erheblichen Mehrverbrauch oder dem Verlust von Schadenersatzansprüchen. Nach Ansicht des ADAC-Anwalts Schäpe ist letztere Angst unbegründet. Beim Anspruch gegen den Hersteller zähle der Neukaufzeitpunkt, gerade wenn argumentiert werde, damals zu viel für ein manipuliertes Auto gezahlt zu haben. Schäpe: "Wenn auf Rückgabe des Kfz an den Hersteller geklagt wird, ist eine nun erfolgende Nachrüstung unbeachtlich."
Was genau wird bei der Umrüstung gemacht?
Die meisten Motoren werden lediglich an einen Computer angeschlossen. Sie bekommen dann eine Software, die die Abläufe im Motor besser steuern und für eine effizientere Verbrennung des Diesels sorgen soll. Ein kurzes Video hat VW hier veröffentlicht, auch eine Service-App gibt es. Bei Autos mit 1,6-Liter-Motoren wird zusätzlich noch ein sogenannter Strömungsgleichrichter eingebaut. Das kleine Gitterrohr aus Kunststoff soll verwirbelte Luft ordnen, die durch den Luftfilter Richtung Motor strömt. Über genauere Messungen könne die Motorsteuerung das laufende Aggregat dann besser abstimmen und damit auch den Stickoxidausstoß senken.
Was tun bei Problemen nach der Umrüstung?
"Grundsätzlich ist einem Betroffenen zu empfehlen, sich bei Problemen mit dem Hersteller beziehungsweise einer Vertragswerkstatt in Verbindung zu setzen", sagt ADAC-Anwalt Schäpe. VW habe seine Händler verpflichtet, solchen Beschwerden nachzugehen und diese über ein Meldesystem dem Hersteller mitzuteilen. "Teilweise kann softwareseitig nachjustiert werden", so der Experte weiter. Bei technischen Defekten zeige sich VW in den meisten Fällen kulant.
Stoßen umgerüstete Autos weniger Schadstoffe aus?
Die Umbaumaßnahmen von VW sind vor allem darauf ausgerichtet, dass die Autos den Test auf dem relevanten Prüfstand schaffen – und zwar ohne Betrugssoftware. Der ADAC hat zwar bei Messungen von einigen wenigen Fahrzeugen einen Rückgang von Emissionen schädlicher Stickoxide in realitätsnäheren Testzyklen gemessen. Einen Rückschluss auf alle umgerüsteten Fahrzeuge lässt das aber nicht zu.
Bringt die Umrüstung Nachteile für Kunden?
VW beteuert, dass die Autos nach dem Rückruf nicht mehr verbrauchen, die Leistung nicht sinkt und sie auch nicht lauter sind. Nach VW-Angaben bestätigt das auch das KBA. Es gibt jedoch vereinzelte Kundenklagen sowie Hinweise, dass die Haltbarkeit einzelner Bauteile leiden könnte. Der größte Nachteil ist ein juristischer: So sinkt die Chance auf einen Gewährleistungsanspruch. VW-Kunden berichteten AUTO BILD, in puncto Software-Update von VW unter Druck gesetzt worden zu sein.
Kann ich die Werkstatt frei wählen?
Für die Nachbesserungen sind nur Vertragswerkstätten autorisiert. Unter denen kann der Betroffene laut VW aber frei wählen.
Muss ich für den Rückruf zahlen?
VW hat zugesichert, dass den Haltern keine Kosten entstehen.
Welche Modelle haben den Motor EA 189 an Bord?
Bei VW in den USA sind es: Golf, Jetta, Beetle, Passat. In Deutschland sind unter anderem Golf VI, Passat VII und Tiguan I betroffen, Halter können sich auf den Serviceseiten im Internet informieren. Bei Audi: A1, A3, A4, A6, TT, Q3, Q5, jeweils 1.6 und 2.0 TDI mit Euro-5-Norm. Bei Skoda: Fabia II (Baujahre 2009 bis 2014), Roomster (Baujahre 2009 bis 2015), Rapid (Baujahre 2011 bis 2015), Yeti (Baujahre 2009 bis 2015), Octavia II (Baujahre 2009 bis 2013) und Superb II (Baujahre 2009 bis 2015). Bei Seat: Halter können sich auf einer Service-Seite informieren, ob ihr Fahrzeug betroffen ist.
Kann ich bis zur Umrüstung unbesorgt weiterfahren?
VW, Audi, Seat und Skoda teilen unisono mit: "Alle betroffenen Fahrzeuge sind technisch sicher und fahrbereit." Die manipulierten Autos dürften aber mehr NOx ausstoßen als angenommen.
Könnte bei betroffenen Autos die Kfz-Steuer steigen?
Nein, nach AUTO BILD-Einschätzung nicht. Die Kfz-Steuer hängt vom Hubraum und dem CO2-Ausstoß ab, Stickoxide sind hier unerheblich. Ob sich die Abgasaffäre auf die Feinstaubplaketten auswirkt, ist noch nicht klar. Laut NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) könnte es hier durchaus ein Problem geben, weil den Umweltplaketten nicht nur der Feinstaub-Ausstoß zugrunde läge, sondern auch die Einhaltung bestimmter Stickstoff-Dioxid-Emissionen. Möglicherweise müssten deswegen Haftungsansprüche geltend gemacht werden – gegenüber VW, nicht gegenüber den Haltern.
Wie erkennen Gebrauchtwagenkäufer die Nachbesserung?
An drei Punkten. Erstens bekommen die nachgebesserten Autos im Bereich der Reserveradmulde einen Aufkleber, der auf die Durchführung der Aktion hinweist. Zweitens werden die Änderungen in der elektronischen Historie des Autos gespeichert. Und die können VW-Werkstätten auslesen. Drittens wird die Aktion im Serviceplan des Fahrzeugs eingetragen.
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