Der Motorsport steckt in der Identitätskrise. Der Ausstieg von Audi zeigt das mehr als deutlich. Auch wenn Audi als einen der Gründe die wirtschaftlichen Herausforderungen durch das Coronavirus hervorhebt, de facto ist es eine Entscheidung gegen Verbrennungs- und für Elektromotoren. Der Trend zeigt sich in der Autombilbranche – und er zeigt sich jetzt auch im Motorsport.
Vorweg: Ich mag die Formel E. Die Rennserie setzt einige interessante, moderne und neue Akzente. Das Racing ist oft sehr gut, die Rennen spannend. Die Formel E ist richtig, als Ergänzung zum konventionellen Motorsport. Aber wenn beim Indy 500 33 Autos im Oval losdüsen, oder wenn über 60 Sportwagen-Flitzer auf die 24-Stunden-Hatz in Le Mans gehen, dann hat das einfach sein eigenes Flair.
DTM
Verbrennungsmotoren wie in der DTM werden bei Herstellern immer unbeliebter
Und so sehen das eben auch viele, ja sehr viele Motorsportfans. Es ist unbestritten, dass viele Fans einfach lieber Verbrennungsmotoren im Rennsport sehen – und hören. Rennsport ist eine Sportart, die alle Sinne anspricht: ästhetische Autos, furchteinflößender Lärm, Benzin- und Reifengeruch – und eine mächtige Portion Respekt vor dem Mut der Rennfahrer. Elektromotoren schaffen es einfach nicht, all diese Sinne anzusprechen.
Wir können es also drehen und wenden wie wir wollen: Es ist völlig verständlich, dass die Hersteller im Motorsport das zeigen wollen, was sie auf der Straße verkaufen. Und das sind nun einmal zunehmend Elektroautos. Und im Zeitgeist der Klimabewegungen sind Umweltverpester-Rennserien natürlich marketingtechnisch nicht mehr vertretbar. Aber trotzdem behaupte ich: Die Hersteller machen einen riesigen Fehler, wenn sie die konventionellen Rennserien verlassen und sich nach und nach den Elektro-Meisterschaften anschließen.
Da ist zum einen eben die geringe Akzeptanz der Fans. Da ist zum anderen aber auch eine ganz klare Tatsache, die nicht von der Hand zu weisen ist: Noch immer werden deutlich mehr Autos mit Verbrennermotoren als mit E-Motoren verkauft. 90% der neu zugelassenen Autos in Deutschland sind zum Beispiel mit Otto- oder Dieselmotoren bestückt. Der Trend im Motorsport lässt ja fast vermuten, dass konventionelle Antriebe für Hersteller kein Thema mehr seien. Aber dem ist nicht so. Und dem wird auch nie so sein. Die meisten Autoexperten gehen davon aus, dass die Antriebe der Zukunft ein Mix sein werden – aus Verbrennungsmotoren UND Elektromotoren. Kein entweder oder.
Natürlich muss Klima- und Umweltschutz gewährleistet sein. Dafür werden alternative Treibstoffe entwickelt. Manche Formel-1-Teams wie Alfa Romeo agieren schon heute CO2 neutral. Bis 2030 will die Formel 1 komplett mit Biobenzin fahren. Das Indy 500, eines der größten Autorennen der Welt, fährt mit Ethanol-Sprit – auch das ist Biosprit. Doch all das wissen nur wenige Fans. Gefühlt sind IndyCar und Formel 1 alte, schmutzige Rennserien. Doch es liegt an den Herstellern, das zu ändern. Indem sie durch Marketinginstrumente drauf aufmerksam machen, wie sauber Motorsport inzwischen ist. Eine Fußball-WM verbraucht mehr Energie als zehn Formel-1-Weltmeisterschaften (siehe HIER).
Je mehr Verbrennungs-Rennserien die Segel streichen müssen, desto schädlicher wird das für die Welt des Motorsports. Denn eine Elektrorennserie, vielleicht auch eine zweite oder eine dritte mögen vielleicht den Nerv der Zeit treffen. Aber die Basis der E-Fans ist zu klein. Wenn Motorsport nur noch aus E-Rennserien besteht, wird er schon bald nur noch ein Nischendasein fristen. Das sollten sich die Hersteller eben auch mal überlegen...

Von

Michael Zeitler