Gary Paffett hat immer tief gestapelt. Dieses „von Rennen zu Rennen schauen“ kann zwar niemand mehr hören. Denn es ist langweilig. Es ist übervorsichtig. Keine Kampfansage, sondern Understatement. Unnötig? Nicht unbedingt. Denn es ist manchmal die richtige Herangehensweise. Wenn man so lange in der DTM unterwegs ist wie der Brite, dann weiß man, dass das Pendel plötzlich umschlagen kann. Dass es schnell geht in der DTM, dass es ein kurzer Weg ist vom Himmel in die Hölle. Dass es eben nicht immer nach Plan verläuft. Dass auch Rennen kommen können, wo alles schiefgeht. Oder ganze Wochenenden. Das weiß auch Paul di Resta. Beide sind Mercedes-Teamkollegen. Beide trennen im Titelrennen ganze neun Punkte.
Und auch der Schotte beherrscht das Spiel mit der Tiefstapelei, mit dem Understatement. Kampfansagen hört man auch von ihm keine. „Ich würde mich zusammen mit Gary Paffett als Favoriten auf den Titel bezeichnen. Wir sind beide in einer guten Position. Aber in der DTM erwarte ich immer das Unerwartete", sagt der Meister von 2010, der 186 Punkte auf dem Konto hat. Was beide aber deutlich unterscheidet: die Formkurve, das Momentum. Seit dem Samstagsrennen am Norisring, also seit dem 23. Juni, hatte Paffett Platz eins in der Fahrerwertung inne. Den verlor er vor zwei Wochen Misano, als er ein völlig verkorkstes Rennwochenende erlebte. Zwei Kollisionen mit Teamkollegen. Ein verpatzter Boxenstopp. Dazu eine von ihm selbst eher durchwachsene Leistung. Macht null Punkte. Nutznießer di Resta ist hingegen die Konstanz in Person. Das war schon in den vergangenen Jahren der Schlüssel zum Titel. Immer punkten, auch wenn nach ganz vorne nicht viel geht. Di Resta punktete in 13 von 14 Rennen, zuletzt holte er in sechs Läufen 99 Zähler. "Wir sind beide in einer sehr guten Position, um bis zum Ende um den Titel zu kämpfen“, so di Resta: Aber man darf die anderen nicht abschreiben, weil sich in der DTM vieles sehr schnell ändern kann.“
Mortara
Edoardo Mortara hat noch Außerseiterchancen auf den Titelgewinn
Naja, ok: Teamkollege Edoardo Mortara mag als Dritter mit 138 Punkten noch in Schlagdistanz sein. Das war es dann aber auch. Marco Wittmann hat als Gesamtvierter 112 Zähler und damit bereits 74 Punkte Rückstand auf die Spitze. Und hinzu kommt: Der Mercedes ist im Moment kaum zu schlagen, funktioniert auf allen Strecken und ist auf dem Nürburgring sowieso schon immer erfolgreich gewesen, in 30 Jahren DTM gewann Mercedes 32 Rennen in der Eifel. Di Resta: „Um die Meisterschaft zu gewinnen, dafür benötigst du auch etwas Glück. Wir hatten ein Auto, das auf jeder Strecke sehr stark war und davon haben wir profitiert.“ Er zuletzt am meisten, während Paffett offenbar das Glück ausgeht. „Misano war ein schwieriges Wochenende für mich. Das hatten wir zu einem gewissen Grad erwartet, aber am Ende war es noch härter als gedacht. Wir waren aber trotzdem schnell und hatten die Pace“, sagte Paffett: „Ich kenne den Nürburgring sehr gut und habe dort in der Vergangenheit auch schon gewonnen. Jetzt werde ich versuchen, dort die Meisterschaftsführung zurückzuerobern.“
Aber: Es wäre nicht das erste Mal, dass sich eine Negativspirale entwickelt. Dass auf einmal nichts mehr läuft, das Glück sich verabschiedet. Klar ist: Bei sechs noch ausstehenden Rennen ist die aktuelle Phase entscheidend. Mercedes-Teamchef Ulrich Fritz stellte bei ABMS klar, dass ein Wochenende wie in Misano dazu gehöre. „Jetzt gehört es dazu, dass er es abschüttelt und stark zurückkommt. Er kann das, seine große Stärke ist, dass er immer positiv ist. Das dauert normalerweise ein, zwei Stunden, in denen er niedergeschlagen ist und mit seinem Schicksal hadert, aber am Ende rappelt er sich immer wieder auf.“

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DTM: Alle Mercedes-DTM-Autos
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Von

Andreas Reiners