Fahr-Fitness-Check, Fahrschule, Autofahrer, Senioren, Training
Der Fahrlehrer, dem die Senioren vertrauen

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Ein Fahrlehrer aus Bayern bietet freiwillige Trainings für ältere Autofahrer an. Ein Job, der immer wichtiger wird. AUTO BILD weiß mehr über die Fahr-Fitness-Checks.
Bild: Sveinn Baldvinsson / AUTO BILD
Am Scheitelpunkt der Linkskurve wird Toni Hubalek dann doch etwas nervös. Als Rüdiger Römer (80) die Kurve schneidet und Fahrradfahrer aus den Augen zu verlieren droht. Doch Hubalek lässt sich nichts anmerken. Der Fahrlehrer aus Ottobrunn bei München kann vom Beifahrersitz aus sowieso nichts machen. Keine eigenen Pedale, kein zweiter Außenspiegel – diese Fahrstunde findet im Auto des weißhaarigen Schülers statt.
"Sie fahren den falschen Wagen", wird Hubalek später, in der Nachbesprechung, zu dem Senior sagen. Er wird ihm ein Kompakt-SUV statt seines Audi A6 empfehlen. Und Automatik. Denn das macht der 61-Jährige heute: zusehen, was die älteren Autofahrer, die mehr oder weniger freiwillig zu ihm kommen, noch so können am Lenkrad. Und dann Ratschläge geben. Und hoffen, nicht auf taube Ohren zu stoßen.
Freiwilliges Training ohne Gefahr für den Führerschein
Toni Hubalek ist seit 30 Jahren Fahrlehrer, seit neun Jahren auch für Senioren. "Fahr-Fitness-Check" heißt das Angebot des ADAC. "Freiwillig und ohne Gefahr für den Führerschein" – damit lockt der Automobilclub die alten Autofahrer. 2021 meldeten sich 1278 Senioren bundesweit an, im Norden mehr als im Süden. 2019 waren es sogar 2337 Teilnehmer. Die persönliche Fahrfertigkeit professionell überprüfen zu lassen, kostet 75 Euro – und Toni Hubalek manchmal Nerven.

Pack ma’s: der Senior-Fahrschüler Rüdiger Römer und Lehrer Hubalek am Audi A6.
Bild: Sveinn Baldvinsson / AUTO BILD
Rüdiger Römer, Diplom-Ingenieur aus München, hat 1960 seinen Führerschein gemacht. Keine acht Fahrstunden brauchte er damals. Jetzt lenkt er seine Oberklasse-Limousine scheinbar entspannt mit drei Fingern der linken Hand durch Ottobrunn. Fährt 30, wo Tempo 50 erlaubt ist. Schaltet maximal bis zum dritten Gang und plaudert mit Hubalek, um seine Nervosität in den Griff zu kriegen. Und Toni plaudert mit; er will seinem betagten Schüler ein gutes Gefühl geben.
Seine Frau, sagt Römer, habe ihn zu dem Test gedrängt. "Sie fühlt sich dann sicherer", sagt er und bremst am grünen Abbiegepfeil, um den Gegenverkehr vorzulassen. Toni Hubalek stöhnt leise auf.
Gesundheitschecks für Senioren in anderen Ländern Pflicht
Nur in Deutschland können Senioren so lange fahren, wie sie wollen; andere Länder verlangen Gesundheitschecks für Senioren. Dabei gibt es fast täglich Meldungen über Unfälle, die ältere Autofahrer verursachen, weil sie Gas und Bremse verwechseln, weil sie Fahrradfahrer beim Abbiegen übersehen, weil sie nicht rechtzeitig genug bremsen oder schlicht die Kontrolle über ihr Auto verlieren. Nicht selten sterben Menschen. Die Augen sind schlechter, die Reaktionszeit sowieso. Zwar verursachen Fahranfänger mehr Unfälle als die Senioren, aber die Jungen fahren auch deutlich mehr.
Hubalek ist fest davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Hausärzte ihren älteren Patienten regelmäßig eine Bestätigung ihrer Fahrtauglichkeit ausstellen müssen. "Das halte ich auch für sinnvoll", sagt Rüdiger Römer und nickt.

Fahrlehrer in fremdem Auto: Hubalek hat im A6 weder eigene Pedale noch Außenspiegel.
Bild: Sveinn Baldvinsson / AUTO BILD
Toni Hubalek glaubt, das Wichtigste sei, dass ältere Autofahrer "noch klar in der Birne" sind. So wie Römer: schlank, wache Augen, aber immer eine Spur zu lässig, wenn er ohne zu blinken abbiegt, die rechte Hand stets auf Schaltknauf oder Knie. "Der häufigste Fehler der Senioren", sagt Toni Hubalek, "ist, dass sie fahren, als ob sie 20 wären."
Als die Fahrt nach 45 Minuten endet, setzen sich Lehrer und Schüler an einen Tisch, und jetzt gibt Hubalek Gas. "Beim Linksabbiegen haben Sie überhaupt nicht geguckt." Römer schweigt. "Sie fahren extrem weit in der Mitte." Römer guckt ernst. "Und 30 km/h auf der Hauptstraße – das geht nicht." Römer sagt: "Ich war unsicher, ob ich vielleicht ein Tempo-30-Schild übersehen habe."
Fast vier Millionen Kilometer auf dem Beifahrersitz
Aber Hubalek lobt auch: "Der Sicherheitsabstand nach vorn war gut." Römer fragt schüchtern: "Ich bin also keine potenzielle Gefahr?" Er bekommt eine Urkunde, die seine Teilnahme bestätigt, und eine mittlere Beurteilung. "Das war eine gute Kritik. Mal ein anderer Blickwinkel." Dann steigt er in seinen A6 und fährt vorsichtig zurück nach München.
Toni Hubalek hat eine Oscar-Statue im Büro: "Bester Fahrlehrer der Welt." Fast vier Millionen Kilometer hat er auf dem Beifahrersitz bereits hinter sich. Es ist für ihn keine Arbeit. Es ist eine Mission.
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