Das Leben ist keine Gerade. Denn wenn es eine wäre, hätte Moritz Kranz (29) schon längst den Blinker gesetzt und wäre abgebogen. Moritz ist Kurvenjäger. Vollblut-Racer. Tempo-Junkie. Für einen Mann wie ihn ist jede Gerade kaum mehr als ein notwendiges Übel zwischen zwei Kurven. Sie merken, Moritz Kranz kommt nicht wirklich aus einer verkehrsberuhigten Zone. Sein ganzes Leben dreht sich um den Motorsport. Als Instruktor zeigt er Kunden die Ideallinie auf der Nordschleife und kämpft in der Langstreckenmeisterschaft VLN auf einem Porsche Cayman GT4 um Punkte. Ein junger Mann, der aus seiner Passion mittlerweile einen Beruf gemacht hat. Er ist besessen – und AUTO BILD-Leser. Und genau deshalb kreuzten sich unsere Wege.

Kein Bremsklotz auf der Strecke

Mazda "Rennen deines Lebens" Fahraktion
Tage wie dieser: Racing unter kalifornischer
Sonne – mehr geht nicht ...
Rückblende: AUTO BILD und Mazda suchten einen Kandidaten für ein verwegenes Vorhaben. Wir wollten einen Leser zum MX-5 Cup Global nach Kalifornien schicken. Nicht als Touristen, sondern als Racer. Möglichst einen, der beim erstmals ausgetragenen Einladungsrennen auf dem Kurs von Laguna Seca nicht als Bremsklotz über die Strecke tuckert. Nach der Vorrunde auf dem Contidrom und einem Ausscheidungsrennen in Barcelona stand fest: Moritz ist unser Mann. Theoretisch hatte der sympathische Kerl aus Linz am Rhein die schnelle Schleife von Laguna Seca längst auf seiner inneren Festplatte gespeichert. Hunderte Male stürzte er sich schon am Computer todesmutig die Corkscrew hinab, diese legendäre Kurve, die atemberaubend und urplötzlich ins Tal fällt, um sich anschließend wie ein tollkühner Korkenzieher durch die Hügellandschaft zu winden. Theoretisch eine Vollgaskurve. Am Racing-Simulator.

Achterbahn der Gefühle

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Video: Mazda Aktion (2016)

Ein Sieger-Kranz für Moritz

Bild: AUTO BILD
Jetzt sitzt Moritz im echten Rennwagen, im echten Leben – und seine Gefühle fahren Achterbahn. Gerade ist das erste Training vorbei, dominiert von zehn US-Fahrern, die nicht nur den Kurs in- und auswendig kennen, sondern auch das Auto. Der MX-5 Cup ist hier in den USA eine feste Serie, die Piloten sind Profis, die Rennen werden live übertragen. Moritz Kranz und die anderen Gastfahrer (aus Europa, Japan und Australien) scheinen nur Statisten in der großen Show der Amerikaner zu sein. "Die Abstimmung passt noch nicht, die Balance des Autos ist nicht optimal", analysiert Kranz seine erste Session. Platz 12 von 19 Startern im freien Training. Moritz ist sauer über sich. "Ich bin halt extrem ehrgeizig", sagt er und verspricht: "Jetzt greife ich erst richtig an." Leichter gesagt als getan. Schließlich sind alle MX-5-Cup-Autos technisch identisch und per Gewichtsausgleich gleich schwer. Was für den Zuschauer super ist, weil er derbe Windschattenkämpfe sieht. Für die Fahrer aber wird das Überholen megaschwer. Erst recht, wenn man die Strecke kaum kennt. Wer mehr aus seinem 160-PS-Roadster herausholen will, muss also die beste Fahrwerksabstimmung für sich finden. Dafür bleiben Moritz ein weiteres Training und ein Qualifiying – dann muss es passen. Und das alles zwischen Autogrammstunden und Fototerminen. Amerika liebt halt seine Helden. Auch die kleinen.

Mit dem Messer zwischen den Zähnen

Samstag. Erstes Rennen über 45 Minuten. "The Star-Spangled Banner" ertönt, die erst 17-jährige, bildhübsche Cup-Fahrerin Aurora Elena Straus schmettert die Nationalhymne mit Inbrunst und Schmalz, wie es wohl nur Amerikaner können. Gänsehaut. Moritz sieht man seine Nervosität an. Das erste Mal überhaupt. Er startet von Platz zwölf und nimmt sein Herz in beide Hände. Noch vor der ersten Kurve vernascht er vier Konkurrenten, fährt mit dem Messer zwischen den Zähnen absolute Kampflinie und landet auf Platz sechs. Jetzt hat er Blut geleckt, jetzt will er mehr. Noch mehr. Sonntag, zweites Rennen, wieder über 45 Minuten. Wer Racing mag, sieht heute alles, was diesen Sport so faszinierend macht. Kein Meter wird geschenkt, keine Position freiwillig hergegeben. Ein Spektakel. Auch weil diese Autos so seriennah sind und mit rund 46.500 Euro noch finanzierbar. Moritz kämpft, gewinnt Plätze, verliert sie wieder und fährt schließlich auf Platz vier durchs Ziel. In der Addition beider Rennen ergibt das ebenfalls Platz vier, punktgleich mit dem Dritten und damit bester nicht amerikanischer Fahrer. Sensationell. Was diese Leistung wert ist, bringt Sieger Nathanial Sparks auf den Punkt: "Am Ende hat Moritz uns ganz schön in den Arsch getreten."