Graue Wolken hängen über der Schill-Kaserne in Wesel, als der wachhabende Soldat an der Schranke ein bedrohliches Brummen wahrnimmt. Aus den Augenwinkeln erkennt er einen kantigen Eisenhaufen, der auf ihn zuhält. Der Gefreite will schon Alarm geben. Doch der vermeintlich feindliche Angreifer kommt in friedlicher Mission. Am Steuer eines schwarzen Ungetüms, des stärksten Geländewagens der Welt: eines Brabus G V12 S Biturbo. Eine Männerherzen brechende Waffe auf vier Rädern. So schnell wie ein Golf GTI, durstiger als eine Herde Bergziegen und teurer als eine Luxusvilla. Pünktlich zum 30. Geburtstag spendiert die Bottroper Tuning-Schmiede Brabus der Mercedes G-Klasse, dem Kult-Offroader der Bundeswehr, einen Sturmtrupp unter der Haube.

"Und der kostet fast eine halbe Million?"

Brabus G V12 S
Brabus G V12 S Biturbo: eine Männerherzen brechende Waffe auf vier Rädern.
Mit dem großen Schwarzen rücke ich heute im kleinen Schwarzen ein. Zur Stippvisite beim Bundeswehr-Bruder "Wolf". Das Fernmeldebataillon 284 steht stramm. Meine Herren, machen Sie sich locker. Leichter gesagt als getan. "Wiieee viiiel PS hat der?“ Presseoffizier Antonius Hoffmeister (49) kann es nicht fassen. "700! Das ist ja Irrsinn." Heute morgen sei er im Audi S4 eines Kameraden zur Arbeit gefahren. "Der hatte 344 PS." Die kleine Pause soll seinen Worten Wirkung verleihen. "Ich dachte, das wäre viel", sagt Hoffmeister. Und ich denke nur: Hoffentlich nagt mein Besuch nicht am Selbstwertgefühl unserer Armee. Nicht, dass ich nachher schuld bin, wenn die oliven Jungs auf die Couch müssen. "Und der kostet fast eine halbe Million?" Der Hauptmann ringt um Haltung. Als Ablenkungsmanöver geht er zum Angriff über: "Unsere GD sind trotzdem besser. Denn wir können damit ins Gelände." Eigentlich wollte er ja keine Vergleiche ziehen zwischen den beiden Mercedes G-schwistern. Doch nun klingt sein Unterton plötzlich ein bisschen nach "schlechtem Verlierer".

Es wird nur zehn dieser Edel-Tiere pro Jahr geben

Brabus G V12 S
Da staunt die Truppe: Unter der Mega-Haube des Brabus steckt ein fetter Biturbo-V12.
Natürlich könnte das Brabus-Biest auch offroad fahren. Aber ... passt irgendwie nicht. Ich jogge ja auch nicht mit Stöckelschuhen durch den Wald. Außerdem wird es nur zehn dieser Edel-Tiere pro Jahr geben. Die gehen an Scheichs und Politiker in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Russland, in die Ukraine. An Menschen mit eigener Ölquelle im Garten, die der Verbrauch von über 20 Litern nicht kratzt und die schon gar nicht im Dreck spielen wollen. Hauptmann Hoffmeister öffnet die Tür und setzt sich in den belederten Bottroper. "Ach", pfeift er, "Kopfhörer hat der auch? Und alles schnurlos ja klar, was denn sonst." Wir fahren zum Übungsgelände im Wald. Dort warten sieben Soldaten aus der Instandhaltung mit zwei Prunkstücken aus dem Bundeswehrfuhrpark. Sie alle kennen den Bottroper Haudegen aus der Presse, hätten sich aber nie träumen lassen, mal in so einer Rakete sitzen oder sie gar fahren zu können. Neben dem Brabus wirken der frisch lackierte GD des Kommandeurs und der "Wolf" mit Klappverdeck reif für die Abwrackprämie.
Zögerlich nähern sich die Rekruten unserem Black Beauty. "Hat sich ja kaum verändert in all den Jahren", hält Gefreiter Deuter erst mal den Ball flach. Hauptgefreiter Geber nickt, guckt jedoch einen Tick zu lang auf die acht Zoll großen LCD-Monitore in den vorderen Kopfstützen. "Wow, der hat ja sogar hinten einen Popogrill!" Plötzlich kommt der stellvertretende Kommandeur vorbei. Nur so, natürlich nicht um zu gucken. Er führt "rein zufällig" seinen Hund hier Gassi. Oberfeldwebel Roland Ganstein (30), bekennender Autofan und Besitzer des Audi S4, stürmt nach vorn: "Räder abschrauben und einpacken!" Ein Scherz. Aber die 22-Zoll-Räder mit den Hochleistungsbremsen dahinter fesseln alle Blicke. Kostet doch jede einzelne dieser megafetten Schluppen mehr als das Privatauto eines braven Soldaten. Hauptmann Hoffmeister flüstert dem Oberfeldwebel eine Zahl ins Ohr: "Siebenhundert!" Mehr braucht er nicht zu sagen. Ganstein weiß sofort, dass es sich hierbei unmöglich um das Kaliber der armdicken Auspuffrohre handeln kann. Seine Augen leuchten.

Spitze 240, in 4,3 Sekunden auf Tempo 100

Brabus G V12 S
Feist: die 22-Zöller des Brabus.
Hauptmann Stephan Bass (29) lässt das völlig kalt. "Entscheidend ist das Drehmoment", referiert der technische Offizier. Jawoll, Herr Hauptmann! Ob die elektronisch begrenzten 1100 Newtonmeter der Brabus-Ingenieure ihm einheizen können? Können sie. Bei der ersten Testfahrt muss Hoffmeister seinen jüngeren Kameraden mit einem leicht panischen "langsam, langsam" mäßigen. Denn nicht nur Soldat Bass hat es erwischt: Das Brabus-Virus springt ungebremst in jede anwesende Uniform. Längst hat der satte Sound auch andere Soldaten angelockt. Unteroffizier Bäumges staunt und stammelt: "Is det geil!" Dann setzt er sich ins Auto, zückt sein Handy und ruft einen Freund an: "Alter, du glaubst nicht, wo ich sitze." Ein Kamerad macht derweil Fotos mit seinem Handy ("Das glaubt mir sonst keiner!"), Gefreiter Dorigo fragt nach Details. Okay. Spitze 240, in 4,3 Sekunden auf Tempo 100, 2,5 Tonnen Leergewicht. Dorigo presst die Lippen zusammen. Nur zu gern würde er diese Kraft mal mit dem Knobelbecher kontrollieren. Ein sehnsüchtiger Blick zu Hauptmann Hoffmeister lässt alle Träume platzen. Eisern schüttelt der den Kopf und fragt: "Haben Sie überhaupt schon den Führerschein?" Hat er. Aber nicht den für Fortgeschrittene, der für den GD nötig wäre. Dorigo murmelt mit gesenktem Kopf: "Schon gut. Der kostet eh mehr, als ich jemals verdienen werde!"
Brabus G V12 S
Den Jungs vom Fernmeldebataillon 284 ist der Abschied nicht leichtgefallen.
Oberfeldwebel Ganstein schleicht neugierig ums Auto. Der Audi-Ästhet mag einfach nicht verstehen, dass es Leute gibt, die für so ein kantiges Monster eine halbe Million hinlegen. Aber jucken tut es ihn schon. Wieder ein Blick zu Hoffmeister – der nickt diesmal gnädig. Schon schwingt sich Ganstein hinter das Sportlenkrad und gibt Gas. Der Tourenzähler schnellt auf über 5000 Umdrehungen. "Hölle!", gurgelt der Oberfeldwebel und wird in den Sitz gepresst, als hätte er mit dem Zündschlüssel gerade eine Mittelstreckenrakete gezündet. Sein Magen zieht sich zusammen. Das Herz rast. "Das ist, das ist ...", stottert er, "Waaahnsinn!" Gansteins Stimme überschlägt sich. Mit zitternden Händen steigt er aus und übergibt das Brabus-Kommando an Hauptmann Bass. Der will es auch noch mal wissen. "Festhalten", ruft er und beschleunigt mit voller Kraft. Männer sind halt doch nur große Kinder. Auch die in Uniform. Der Vortrieb reißt Co-Pilot Mike Boredu (24) die Mütze vom Kopf. Und am liebsten würde er jetzt tatsächlich Alarm auslösen, die Kaserne dichtmachen. Nur damit der Brabus bloß nicht fahnenflüchtig wird.

Mercedes G-Modell: So fing alles an

G wie genial im Gelände. Darum gehört das G-Modell von Mercedes seit 1988 als "Wolf" zur Standardausrüstung der Bundeswehr. Doch los ging es Mitte der 70er-Jahre. Der Schah von Persien, damals Großaktionär bei Daimler-Benz, bestellte die per Hand gefertigten Offroader für sein Militär. Der Deal platzte, das Auto ging 1979 trotzdem in Serie. 1983 legte es einen sensationellen Sieg bei der Rallye Paris–Dakar hin und erlangte weitere Bekanntheit als Papamobil von Papst Johannes Paul II. Bisher wurden 200.000 Stück verkauft.