Es soll Zeitgenossen geben, bei denen ein offenes Dach ganz automatisch die kontemplative Natur ihres Wesens zum Vorschein bringt. Soll heißen: Sobald ihnen ein bisschen Fahrtwind um Ohren und Nase kitzelt, wird entspannt das Tempo rausgenommen, Landschaften werden gescannt, Düfte eingesogen. Ein beschauliches Treiben, für das man den SLK 55 AMG durchaus einsetzen kann. Doch dann hört man bei jedem Gasgeben dieses Knurren: Da fühlt sich einer ganz und gar nicht ausgelastet. Kein Wunder, denn der 360 PS starke V8 mit knapp 5,5 Liter Hubraum lässt sein großes Potenzial zwar schon bei niedrigen Drehzahlen erahnen, wird aber mit zunehmenden Touren immer munterer, wohltönender, irgendwie gieriger. Und während man beschaulich-beschwingt durch das frühlingshafte Hinterland der Côte d'Azur bummelt, ertappt man sich immer wieder dabei, etwas mehr Gas zu geben als nötig für beschaulich.

Der Gasfuß lässt sich nur allzu gerne provozieren

Im nächsten Schritt tasten die Finger zunächst spielerisch an den Lenkradpaddel der im Vergleich zum Vorgänger rund zehn Prozent schnelleren 7G-Tronic herum. Untertouriges Fahren erzeugt ein leicht kratziges Brummeln. Ein Fingerschnippen mit der Linken, und das Geräusch wird blitzartig heller, der Drehzahlmesser springt auf ein höheres Niveau, der leicht zuckende Gasfuß verursacht ein schiebendes Gefühl in der Schultergegend. Nach dem anfänglich beschaulichen Durchrollen der Kurven wird das Eingangstempo langsam höher, der Bremspunkt verschoben und das linke Schaltpaddel klickt vor der Biegung dreimal. Mit steigender Intensität des Gasgebens wandert der Focus allmählich nach vorn, bis das seitliche Traumpanorama nur noch als verschwommener Rand eines imaginären Tunnels erkennbar ist. Der anfangs eher lockere Griff ums Lenkrad wird von Kurve zu Kurve fester, die Bewegungen exakter, bestimmter, harmonischer.

Mit der neuen Direktlenkung wirkt der SLK deutlich agiler

Heiße Luft: Bei Temperaturen unter zehn Grad lässt man sich gern via Airscarf den Nacken warm pusten.
Heiße Luft: Bei Temperaturen unter zehn Grad lässt man sich gern via Airscarf den Nacken warmpusten.
Schnell stellt sich ein Fluss ein aus gefühlvollem Bremsen, Lenken, Gasgeben. Die sehr angenehmen Sportsitze mit gutem Seitenhalt tragen ihren Teil dazu bei. Und vor allem auch die im Vergleich mit dem schon ordentlich sportlich agierenden Vorgänger noch ein ganzes Stück direkter und mit spürbar mehr Rückmeldung gesegnete, neue Direktlenkung. Sie ist je nach Anforderung zwischen 11,5:1 bis 15,8:1 übersetzt, ab etwa fünf Grad aus der Mittellage sehr spontan und braucht von Volleinschlag zu Volleinschlag nur 2,16 Lenkradumdrehungen. Mittlerweile hat sich das bisschen Fahrtwind zur steifen Brise gemausert, bei Temperaturen unter zehn Grad lässt man sich gern via Airscarf den Nacken warm pusten, der kräftig anreißende V8 dreht fast nach jeder Kurve bis 6500, die malerische Umgebung zieht in braungrünen Wischern an den Augenwinkeln vorbei, die Finger spielen Flipper mit den Schaltpaddel, gebremst wird in die Kurve hinein. Kurz: Die ganze Kontemplation ist zum Teufel. Gott sei Dank.