Manchester, VT, USA: Ein Luxushotel mit Umweltschutzverpflichtung und sattgrüne Bergrücken – Mercedes hat den Ort bewusst gewählt und setzt auf unterschwellige Symbolik. Mitten im ländlichen Idyll des US-Bundesstaats Vermont präsentiert der Stuttgarter Autobauer vor der Weltpresse seine groß angelegte BlueTec-Offensive. Dahinter verbirgt sich nichts weniger als "der sauberste Diesel der Welt", den Mercedes ab Herbst 2008 für seine SUV-Modelle ML 320 CDI, GL 320 CDI und R 320 CDI flächendeckend für alle 50 US-Staaten anbietet (in Deutschland ab Herbst 2009).

Vollgas mit (fast) reinem Gewissen

Vollgas mit (fast) reinem Gewissen: Aus dem Auspuff des ML 320 CDI BlueTec kommen weder Rußpartikel noch Stickoxide.
Vollgas mit (fast) reinem Gewissen: Aus dem Auspuff des ML 320 CDI BlueTec kommen weder Rußpartikel noch Stickoxide.
"Trotz der steigenden Dieselpreise stellen wir unsere Strategie nicht infrage. Blue IS the real new green", sagt der verantwortliche Mercedes-Manager Dr. Uwe Ernstberger. Anschließend schickt er die Journalisten in den neuen BlueTec-Modellen auf Testfahrt über die dicht bewaldeten Provinzstraßen im Nordosten der USA. Natur und Automobil scheinen in selten harmonischem Einklang. Fehlt eigentlich nur, dass Öko-Apokalyptiker Al Gore unbequeme Wahrheiten verkündet und den Diesel als Primalösung gegen hohe Spritpreise feiert. Doch ein Ex-Vizepräsident als Gastredner ist selbst für Mercedes eine Nummer zu groß. Er ist auch nicht nötig, denn die drei neuen Modelle liefern auch ohne höheren Segen eine souveräne Vorstellung ab. Der ML 320 BlueTec fährt sich identisch zum regulären ML 320 CDI. Nach einer Gedenksekunde schiebt der modische Geländewagen kräftig voran. Obwohl er zwölf PS weniger hat als sein Pendant ohne die aufwendige BlueTec-Anlage, fährt der Mercedes-SUV souverän durch die Lande. Selbst wer Vollgas gibt, kann das mit fast reinem Gewissen tun. Denn aus dem Auspuff kommen weder Rußpartikel noch Stickoxide (Nox). Genau die waren bislang das große Problem der Dieselmotoren, besonders für schwere Automodelle.

Und der Fahrer merkt nichts von alledem

Um die bereits gültigen strengen US-Abgasgesetze sowie künftige Emissionsregeln in Europa zu erfüllen, musste Mercedes handeln. Ergebnis sind die BlueTec-Modelle. Schon seit Ende 2006 verkauft Mercedes in den USA den E 300 BlueTec, der leichter ist und darum mit einem Nox-Speicherkat auskommt. GL/ML/R 320 BlueTec gehen einen Schritt weiter und arbeiten statt mit einem Nox-Speicherkat mit einem SCR-Kat (Selective Catalytic Reduction). Dabei wird eine wässrige Harnstofflösung (AdBlue) in den Abgasstrang eingespritzt und so in einem chemischen Prozess die Nox-Emissionen um 80 Prozent reduziert. Der 28 Liter fassende Vorratsbehälter für das AdBlue befindet sich in der Reserveradmulde des ML 320 CDI und wird nur bei den regulären Werkstattbesuchen nachgefüllt. Der ML-Kunde soll sich nicht um das System kümmern müssen.

Parallel gibt's das ML-Facelift

Gleichzeitig mit der BlueTec-Einführung erhalten alle ML-Modelle ein kleines Facelift. Front und Heckpartie wurden sanft überarbeitet. Der Grill ist nur ein paar Millimeter höher, wirkt jetzt aber deutlich prägnanter. Für die Rückleuchten gibt es jetzt als Option LED-Technik, die Außenspiegel sind größer, und innen wurde das Lenkrad neu gestaltet. Außerdem gibt es eine neue HiFi-Anlage mit Musikfestplatte, SD-Kartenschlitz und iPod-Schnittstelle, wie sie bereits im SL und SLK zum Einsatz kommt – eine nette Spielerei. Wichtiger ist da schon, dass für alle ML jetzt PreSafe und aktive Kopfstützen serienmäßig sind.

Hehres Ziel: 14 Prozent Dieselanteil in den USA

Umweltstar trifft Popstar: Im Musikvideo "Underneath" von Alanis Morissette kommt eine BlueTec-E-Klasse vor. Willkommene Werbung.
Umwelt- trifft Popstar: Im Video "Underneath" von Alanis Morissette kommt eine BlueTec-E-Klasse vor. Willkommene Werbung.
Trotz der überzeugenden Fahreigenschaften, Laufkultur und Verbrauchsvorteile der BlueTec-Modelle ist es für Mercedes ein Kraftakt, die Amis vom Diesel zu überzeugen. Erst wenn es Werbung und Verkäufern gelingt, Mercedes-Kunden für eine Probefahrt in einen ML 320 CDI statt in einen ML 350 oder ML 500 zu locken, dürften die Selbstzünder-Vorteile mehr Käufer ins Diesel-Lager wechseln lassen. Entsprechend vorsichtig ist Mercedes mit Prognosen: Bis 2017 streben die Schwaben einen Dieselmodell-Anteil von 14 Prozent in den USA an. Möglicherweise geht es aber auch schneller. Speziell dann wenn die Spritpreise weiter so rasant steigen wie zurzeit. Momentan liegt der Galonenpreis für Benzin schon bei rund 4,50 Dollar. Tendenz weiter steigend – für Amis eine Katastrophe.