Gute Ausstattung, kurze Extra-Liste

Jedes Auto hat sein bevorzugtes Revier. Kleinstwagen wuseln am liebsten durch die Großstadt – deshalb hat Peugeot zur Testfahrt nach Hamburg geladen. Die Franzosen sehen den 107 als "neuen Boß in der Stadt", doch diesen Titel muß sich das Löwenbaby erst mal verdienen. Das geht in der Hansestadt am besten zur gefürchteten Rush Hour.

Pfiffige kleine Autos haben Tradition bei Peugeot. Schon der 104 galt 1972 als "kürzester Viertürer Europas", deshalb ist es keine Frage, daß ich mir für die Testfahrt einen viertürigen (450 Euro Aufpreis) 107 aussuche. Schon süß, der Kleine mit dem neuen Peugeot-Gesicht. Das weit aufgerissene Kühlermaul wirkt beim großen Bruder 407 fast bedrohlich, dem 107 verleiht es ein Dauergrinsen. Kombiniert mit den vorgewölbten Knubbelaugen und lackiert in Quietschgelb ("fürs junge Publikum") wird er zum rollenden Smiley. Wie war das noch mit dem "neuen Boß"?

Ich darf die Farbe wählen – meiner ist rot. Die Ausstattungsvariante "Filou" lockt serienmäßig mit funkgesteuerter Zentralverriegelung und elektrischen Fensterhebern vorne – hinten gibt's Ausstellfenster. Schon die Basis "Petit Filou" ist mit elektrischer Servolenkung, vier Airbags und Kurvenbremskontrolle bestückt. Wer mehr will, bedient sich aus der übersichtlichen Extra-Liste: Klima, Radio, Schiebedach, Drehzahlmesser, Einparkhilfe, Alarmanlage, für die Optik Alupedale, Heckspoiler und Leichmetallfelgen – das war's. Voll ausgestattet dürfte ein 107 also nicht mehr als 12.000 Euro kosten. "Ein VW Fox schafft das dagegen locker", spöttelt der Hersteller preis- und siegesbewußt.

Vier Türen für vier Passagiere

Ich nehme Platz und stelle fest: Alles paßt. Eine gute Sitzposition ist für meine 1,80 Meter schnell gefunden, das Lenkrad läßt sich in der Höhe anpassen. Nur der Drehzahlmesser (plus 50 Euro), links über dem Tacho wirkt irgendwie "aufgespießt". Egal, in einem Auto mit Einliter-Dreizylindermotor ist er nicht wirklich nötig, sondern nur Spielerei – so sieht es auch Peugeot.

Ein Dreh am Schlüssel, und drei Pötte werden mit Leben gefüllt. Anschnallen, sonst meckert der Gurtwarner, und los geht's. Nanu, Peugeot sagte doch, es gibt keinen Diesel! Aber es ist kein Nageln, sondern eher ein Röhren, das der Kleine beim forschen Anfahren von sich gibt. Wie auch immer, ein Brüllen wäre einem Löwen angemessen, dem 107 vielleicht noch ein Miauen. Das blecherne Röhren unter Last bis 1400 Umdrehungen darf gerne noch ausgemerzt werden. Sonst bekommt der selbsternannte Boß beim Ampelstart ein echtes Autoritätsproblem.

Der Weg führt vorbei am Nachbar-Autohaus, einem Smart-Händler. Nicht ohne Grund hat sich Peugeot hier angesiedelt. "Vielleicht läßt sich der eine odere andere fortwo-Fahrer vom neuen 107 überzeugen", so die Hoffnung. Rein größentechnisch ist der schwäbische Zweisitzer allerdings keine echte Gefahr: Mit 2,50 Metern Länge fehlt ihm knapp ein Meter zum Konkurrenten (3,43 m) aus Frankeich. Bei dem stellen sich die vier Türen mittlerweile als echter Sympathiefaktor heraus. Wer immer den 107 näher betrachtet, ist erstaunt. "Da passen vier Leute rein? Ist ja ein Ding." Die Norddeutschen fackeln nicht lange und stecken die Nase in den Fond: "Richtig viel Platz für vier Leute."

Schlechte Straßen sind kein Problem

13,7 Sekunden vergehen aus dem Stand bis Tempo hundert. Das reicht locker fürs zügige Schwimmen im Stadtverkehr. Bis 50 km/h reichen im handgeschalteten 107 die ersten beiden der fünf Gänge. Immer wieder ertappe ich mich, wie ich minutenlang im zweiten Gang über den Asphalt düse – so macht es am meisten Spaß, da paßt auch die kernige Geräuschkulisse.

Wie sich diese Fahrweise auf den sonst niedrigen Verbrauch auswirkt, möchte ich lieber nicht wissen. Durchschnittlich 4,6 Liter Super soll der Kleine nuckeln, sagt Peugeot. Die erst später erhältliche 2-Tronic-Automatik soll genauso sparsam sein, ist allerdings etwas träger. Der sparsame 68-PS-Benziner entpuppt sich auch als Grund, weshalb ein Diesel nicht vorgesehen ist. "Der würde sich erst nach 220.000 Kilometern rentieren", rechnet Peugeot vor. Und die muß ein Kleinstwagen erst mal schaffen.

Wir erreichen die Hafencity, Hamburgs größte Baustelle. Alle paar Meter eine Umleitung, ein Mini-Stau folgt dem anderen. Um nicht steckenzubleiben, muß ich den Winzling oft rangieren, hier hilft der kleine Wendekreis von nicht mal zehn Metern ungemein. Das Kopfsteinpflaster in der Speicherstadt meistert der 107 ruhig und souverän, die geschwindigkeitsabhängige Servolenkung ist leichtgängig, präzise und läßt sich von Fahrbahnunebenheiten nicht beeindrucken.

Am liebsten flitzt der 107 durch die Stadt

Der Verkehrsfunk meldet sich über das CD-Radio (400 Euro). Jetzt wird klar, warum die Kolonnen immer länger werden: Alarm in St. Pauli, eine 500 Pfund schwere Fliegerbombe aus dem zweiten Weltkrieg soll entschärft werden. Evakuierung, Chaos auf den Straßen, doch die Polizei bekommt alles in den Griff. Während der Blindgänger erfolgreich gesichert wird, nehme ich einen Umweg über die Autobahn in Kauf. Der 107 schafft mit langem Anlauf fast 160 km/h, laute Wind- und Motorgeräusche belasten dabei allerdings gehörig die Nerven der Insassen.

Den spärlichen Hubraum des Motors macht der Innenraum wieder wett. Wenn vier Passagiere Platz nehmen, paßt in den Kofferraum immerhin noch eine Sporttasche (139 Liter). Die Rücksitzlehnen lassen sich getrennt umklappen, das vergrößert den Platz auf immerhin 782 Liter. Schade, daß Peugeot beim Fünftürer auf die Easy-Entry-Funktion des Beifahrersitzes verzichtet – das würde der Ladelänge zugute kommen.

Mittlerweile dürfte bekannt sein, daß der 107 kein Einzelkind ist. Citroën C1 und Toyota Aygo stehen auf derselben Plattform und verdienten sich ebenfalls lobenswerte vier Sterne beim Euro-NCAP-Crash. Alle drei sind für die Stadt geboren – ob ausgerechnet der 107 nach seiner Premiere am 16. Juli 2005 zum "neuen Boß" befördert wird, werden die Verkaufszahlen zeigen. Doch eigentlich guckt er dafür viel zu niedlich.

Von

Michael Voß