Eines wollen wir gleich mal klarstellen: Mit solchen Besinnlichkeiten wie "Leise rieselt der Schnee" oder "Stille Nacht" braucht man hier im Bus gar nicht erst anzufangen. Erstens würde es bei dem Lärmpegel sowieso keiner hören, und zweitens braucht man auf der Fahrt zum Fest statt Besinnlichkeit eher abgehärtete Ohren: Die Karosserie rappelt, klappert und knarzt, der Diesel brummt, und das Getriebe knirscht so laut, dass einem um das gute Stück Angst und Bange werden könnte. Zumindest, wenn man nicht wüsste, dass das alles so gehört bei einem Bus vom Typ Steyr 380a, Baujahr 1950. Nicht etwa irgendein Bus, sondern der Bus zum Christkind. Wirklich. Ungelogen.

Abgehärtete Ohren statt Besinnlichkeit

Festliche Fahrt zur Weihnachtszeit
Wenn Sie jetzt sagen, das Christkind (oder für Norddeutsche: den Weihnachtsmann) gibt es gar nicht, dann waren Sie wahrscheinlich noch nie in Steyr. Ein romantisches österreichisches Städtchen, in dem es vor Christkind-Beweisen nur so wimmelt: Es gibt dort einen ganzen Stadtteil namens Christkindl, eine Christkindl-Winterwelt, eine Christkindl-Kirche, ein Christkindl-Postamt – und den 52 Jahre alten Christkindl-Bus. Der pendelt im Dezember zwischen der Steyrer Innenstadt und dem Weihnachts-Wallfahrtsort, und das genau im 40-Minuten-Takt. Das Christkind lässt man schließlich nicht lange warten.
Heute sitzt Franz Hörmann am Steuer des nur 90 PS starken Weihnachtswagens, und das bedeutet für den Fahrer der Postautostelle Steyr Schwerstarbeit. Vor allem beim Abbiegen: Blinker an, Bremse treten, Motorbremse ziehen, zwischenkuppeln, Zwischengas, schalten, das Steuer mit aller Kraft herumreißen, Blinker aus, Gas geben, wieder zwischenkuppeln, Zwischengas, schalten und so weiter und so weiter. Im Grunde müssen alle Hände und Füße überall gleichzeitig sein. "Das ist schon anstrengend", sagt der 36-Jährige, "aber es macht auch viel Spaß." Und ist eine gute Abwechslung: Normalerweise fährt der Mann einen stinknormalen Linienbus, nur ein paar Tage im Jahr werden er und seine Kollegen für den Oldie eingeteilt.

6000 Kinderbriefe an das Christkind

Dann heißt es eintauchen in eine himmlische, nostalgische Welt. Hörmann trägt eine alte Postbus-Uniform, lässt beim An- und Abfahren das Drei-Ton-Signalhorn erklingen und hilft den Damen galant beim Aussteigen. Alles so ein bisschen à la "Küss die Hand, gnädige Frau". Gibt's ja heute sonst nicht mehr.
Vor allem aber bringt Hörmann Kinder und Touristen nach (und zum) Christkindl, ihre Post auch. Die holt er aus dem Briefkasten in Steyr und gibt sie im Christkindl-Postamt ab. Über zwei Millionen Briefe werden dort mit Sonderstempeln versehen, außerdem knapp 6000 Kinderbriefe an das Christkind gelesen und beantwortet. Wie der des kleinen Markus, der sich wünscht, dass es keine Kriege mehr gibt, dass keiner mehr hungert, dass alle genug Geld haben – und erst dann anmerkt, dass ein Handy oder Kinokarten für Harry Potter auch nicht so schlecht wären.
Festliche Fahrt zur Weihnachtszeit
Franz Hörmann ist derweil schon wieder auf dem Rückweg in die Innenstadt. Sieben Stunden Dienst haben bei ihm Spuren hinterlassen. Er pustet kräftig durch, dann stöhnt er: "Der Bus ist dermaßen laut, da kriegst du auf die Dauer Kopfschmerzen." Für Besinnlichkeiten ist das jetzt wirklich nicht der richtige Moment ...