Kauf ohne öffentliche Ausschreibung

Auf den Dienstwagen von Stadtbrandmeister Karl-Heinz Reichert wird sogar der Bürgermeister neidisch. Denn der Feuerwehr-Chef von Bietigheim-Bissingen, nördlich von Stuttgart, darf seit kurzem einen Porsche Cayenne als Kommandowagen steuern. Mit 250 PS und 214 km/h Spitze. Natürlich feuerrot mit blauen Blinklichtern und Martinshorn.

War das nötig? Schließlich kostet der kleinste Cayenne knapp 48.000 Euro Listenpreis. "Wir haben ihn deutlich günstiger bekommen", erklärt dazu Stadtsprecherin Annette Hochmuth. Porsche selbst habe den Sport-Offroader der Stadt angeboten, weil fünf Firmenableger aus Zuffenhausen hier beheimatet sind: Porsche Vertrieb, Financial Services, Engineering, Consulting und künftig Dachhersteller CTS. Allerdings: Mit kompletter Feuerwehrausrüstung wie 12-Kilo-Löscher, Atemschutzgerät, Erste-Hilfe-Koffer, Suchscheinwerfer und Funkgeräten summierte sich der Gesamtpreis für den Luxus-Feuerwehrwagen auf 60.000 Euro.

Ausgemustert wurde dafür der Ex-Kommandowagen Opel Omega Kombi. Samt veralteter Zusatzausrüstung. "Es war finanziell und sachlich das beste Angebot", betont die Sprecherin. Deshalb habe auch gar keine öffentliche Ausschreibung stattgefunden. Und der glückliche Stadtbrandmeister Reichert urteilte: "Der Cayenne ist für unsere Einsätze optimal geeignet. Das habe ich bei einer ausgiebigen Probefahrt feststellen können. Er ist schnell und dabei sicher, hat viel Platz und ist auf öffentlichen Straßen wie im Gelände gleichermaßen gut einsetzbar."

Ist das angemessen? Ein Kommentar

Kommentar von Ulrich Safferling, Redakteur autobild.de Braucht eine Feuerwehr ein Luxusauto als Einsatzwagen? Konnten ohne Porsche bisher weniger Menschen in Bietigheim-Bissingen gerettet werden? Erhöht der Cayenne die Sicherheit der 42.000 Einwohner? Wohl eher nicht. Doch bleiben wir bei den Fakten. Finanziell soll der Cayenne ja günstig gewesen sein. Hersteller subventionieren imageträchtige Außenwirkung, in diesem Fall mit geschätzten 30 Prozent. Schön. Aber selbst wenn VW auf den Touareg V6 oder Mercedes für den ML 270 CDI nur 20 Prozent gegeben hätte, wäre das billiger gekommen. Ganz zu schweigen von einem Kombi – wenn man öffentlich ausgeschrieben hätte. Wollte man aber offenbar lieber erst gar nicht.

Wieso muss es überhaupt ein Sport-Offroader sein, wenn vorher ein Kombi reichte? Brennt es jetzt öfter, schneller oder größer in der Kreisstadt? Hilft dagegen ein Cayenne? Der ist schließlich kein Löschfahrzeug, sondern ein Kommandowagen. Und Kommandos lassen sich auch aus einem Opel geben. Der Porsche sei aber schnell, sicher, geräumig und geländetauglich, sagt der Brandmeister. Ist ein Opel Baujahr 2003 unsicher? War der Kombi vorher zu klein – und deshalb jahrelang im Einsatz? Wie viel Gelände gibt es in einer 31 Quadratkilometer großen Kreisstadt? Wurde das Funkgerät bisher aus dem Kombi zum Einsatzort getragen? Und wie schnell will der Feuerwehrmann durch die Stadt zu einem der durchschnittlich 250 Einsätze rasen? Mit 214 km/h? Dort will er wohl mit seinem 12-Kilo-Löscher arbeiten, bevor die langsamen Löschfahrzeuge nachkommen.

Sorry, die finanziellen und sachlichen Gründe überzeugen nicht. Ein neuer Kommandowagen ohne Porsche-Wappen wäre billiger und genauso gut gewesen. Das Angebot war verführerisch, aber nicht verpflichtend. Und was ist es für ein politisches Signal, wenn die Feuerwehr im Porsche zur Arbeit fährt? Nein, das ist kein Sozialneid. Aber hier stimmen die Prioritäten nicht mehr. Selbst wenn in Bietigheim-Bissingen der Stadtsäckel überquillt, ist es ein Schlag ins Gesicht jedes Steuerzahlers, wenn der Chef einer Feuerwehr mit 121 Wehrmännern Luxusschlitten auf Staatskosten fährt. Ist das gerechtfertigt? Ist das angemessen? Ist das mit dem Amt vereinbar? Ein klares Nein.

"Ist ein Porsche Cayenne als Einsatzwagen für die Feuerwehr angemessen?" Am Voting vom 11. bis 16. Dezember 2003 haben 3717 autobild.de-User teilgenommen. Davon stimmten 2886 mit Nein (77,64 Prozent), 467 mit Ja (12,56 Prozent) und 364 Leser (9,79) wollen es von den Einsatzbedingungen abhängig machen.