Den Espresso à la Mittelkonsole hätten wir schon gern getestet. Lavazza wird Bohnen und die Maschine liefern, Fiat die rollende Kaffeebar drumherum: den 500L. Gehört dann Kaffeekochen während der Fahrt zu den punktewürdigen Vergehen, so wie Telefonieren? Hier die mögliche Ausrede: "Herr Wachtmeister, ich hab' nur gerochen, nicht getrunken!" Leider ist das ausgefallene Extra erst im Frühling 2013 zu haben, also testen wir den 500L zunächst mal entkoffeiniert. Volle Wirkung entfaltet der Mini-Van trotzdem. Mit 1,66 Meter Höhe überragt er Citroën C3 Picasso und Opel Meriva um eine Espressotasse, da türmt sich hinten schon viel Blech auf.

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Fiat 500L
Die Qual der Wahl: Fiat bietet für den 500L satte 333 Lack-Variationen an. Zweifarbig steht ihm gut.
Kleiner Tipp: Die Zweifarb-Lackierung (800 Euro) mit dem dunklen Dach raubt dem Kasten viel von seiner Wucht, reines Schwarz auch. Trotz seiner niedlichen Rundaugen hat der Fiat mit einem 500 aber so viel gemeinsam wie ein Mini mit dem massigen Countryman. Die Mini-Masche gilt in Turin – auch wenn es niemand zugibt – als Vorbild. Schon bei der Farbwahl. Allein 333 Lack-Variationen sollen die Kunden animieren – dabei sprechen die inneren Werte des Fiat für sich. Zwar besitzt er weder Schmetterlingstüren wie der Meriva noch Schiebetüren wie der Ford B-Max, bietet aber dank des hohen Dachs einen Einstiegskomfort, der jeden Kompakten zum Rückenquäler herabstuft. Man betritt ihn erhaben, lässt sich auf hohe Sitze fallen und sieht durch die großen Fensterflächen so hervorragend wie in einer südländischen Eck-Trattoria. Den ersten Espresso, bitte! Den zweiten für den vielseitigen Laderaum, der einen neuen Trick beherrscht: Ein Griff, und die Rücksitze rollen sich vorn zusammen.

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Fiat 500L
Nicht zu viel erwarten: An der Basis arbeitet ein eher müder 1,4-Liter mit 95 PS und 127 Nm.
Dass der Filzteppich wenig langlebig aussieht, verzeihen wir den Arbeitern im neuen Werk in Kragujevac (Serbien), wo der 500L auf Anhieb klapperfrei montiert wird. Fast wie in Tychy in Polen, wo der Panda früher mit solidester Qualität vom Band rollte. An den erfolgreichen Kleinen erinnern auch das Armaturenbrett mit lackierten Einsätzen, die kurzen Sitzchen und der lautstarke 1,4-Liter-Benziner. Ein veraltetes Raubein, das ordentlich lärmt, ohne durch Temperament aufzufallen. Wen wundert’s? Fiat spendiert dem Basismotor weder Direkteinspritzung noch Turbo oder zumindest ein Start-Stopp-System. Die gibt es erst bei den teureren Motoren, dem Zweizylinder-Winz-Benziner (105 PS) oder dem soliden, knurrigen Diesel – beide kosten 1700 Euro mehr. Wer den Basismotor nicht mit Drehzahl quält, kann mit ihm leben. Ein Van ist schließlich kein Sportler, daher passen auch das Sechsganggetriebe mit den weiten Schaltwegen und das eher komfortbetonte Fahrwerk. Weich reitet der 500L die Wellen ab, nur die kleinen Rillen und Stöße teilt er ständig mit.
Beruhigend, dass ESP die Fuhre im Griff hält und die Bremsen hervorragend arbeiten. Aus 100 km/h steht der Fiat nach 36,2 Metern. Bei der Sicherheit hat Fiat so wenig gespart wie bei der Elektronik: Bluetooth, iPod-Anschluss – alles an Bord. Wie der 500L wohl in den USA ankommt? Der Export ins Mutterland der Vans startet ab 2013. Abwarten und Kaffee trinken.

Fazit

von

Joachim Staat
Ein süßes Gesicht, dahinter folgt ein geräumiger, vielseitiger Minivan fast ohne Italo-Schnörkel. Der 500L startet ungewohnt sachlich gegen die wachsende Konkurrenz, doch beim Antrieb muss Fiat dringend nachbessern.

Von

Joachim Staat