(dpa) Die Entscheidung über das Schicksal der Opel-Werke fällt möglicherweise in wenigen Wochen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass dies noch im Mai sein werde, sagte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Montagabend (4. Mai) im ZDF. Zuvor war er in Berlin mit Fiat-Chef Sergio Marchionne zusammengetroffen. Marchionne will die Autosparte seines Konzerns ausgliedern und mit Chrysler sowie Opel zusammenlegen. Marchionne sagte der BILD-Zeitung (Dienstagausgabe): "Wir wollen keines der vier Opel-Werke in Deutschland schließen. Ich brauche die Werke in der Zukunft, um genügend Autos zu bauen. Aber natürlich müssen die Belegschaften verkleinert werden. Das wird niemand ändern können." Die Werke müssten effizienter werden. Auf eine genaue Zahl beim Abbau von Arbeitsplätzen wollte sich der Fiat-Chef aber nicht festlegen.
Zu den Bedenken des Opel-Betriebsrates und der Gewerkschaften zu einem möglichen Fiat-Einstieg sagte Marchionne: "Opel kann in seiner jetzigen Größe niemals Geld verdienen. Und wenn man kein Geld verdient, kann man nicht überleben. Ich verstehe die Ängste der Gewerkschaften – aber so ist die Realität." Fiat wolle nach drei Jahren mögliche Staatsbürgschaften zurückzahlen. Opel hat drei Endmontagewerke in Rüsselsheim, Eisenach und Bochum und ein Motorenwerk im rheinland-pfälzischen Kaiserslautern.
Guttenberg lehnte im ZDF eine Vorfestlegung erneut ab. Die Grundsatzentscheidung darüber, ob Opel von Fiat oder dem österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna übernommen werden solle, liege nun beim amerikanischen Opel-Mutterkonzern General Motors. Man müsse auch abwarten, was Magna nun vorlege. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) äußerte sich zurückhaltend über die Fiat-Pläne. In der ARD-Talksendung "Beckmann" äußerte er die Erwartung, dass das Magna-Konzept besser sei. "Wenn es wirklich so ist, wie alle erwarten, dass das Magna-Konzept besser ist, dann hat sich die Fiat-Frage erledigt." Sollte das Magna-Konzept hingegen wider Erwarten nicht tragfähig sein, dann müsse man sehen, ob es nicht noch andere Interessenten gebe. Über Magna sagte der Fiat-Chef der BILD: "Magna will mit russischer Hilfe bei Opel einsteigen. Wenn die deutsche Regierung das für eine gute Lösung hält, würde mich das überraschen. Unser Plan steht: Wir wollen einen echten europäischen Automobilkonzern bilden, der weltweit erfolgreich sein wird. Die Autosparte von Fiat geht zusammen mit Opel und Chrysler. Damit sind wir der zweitgrößte Autokonzern der Welt hinter Toyota."
Das mache Arbeitsplätze weltweit und in Deutschland zukunftssicher, so Marchionne. Unterdessen konkretisierte Thüringens Regierung nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" ihre Pläne für eine mögliche Staatshilfe bei einer Opel-Übernahme durch Fiat oder Magna. Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU) sagte, wenn es ein vernünftiges Konzept gebe, sei das Land zu staatlicher Hilfe bereit: Sehr gut könne er sich staatliche Garantien und Bürgschaften vorstellen, mit deren Hilfe sich Fiat dann am Kapitalmarkt günstig mit Kredit versorgen könnte. Auch eine direkte Förderung vor Ort über Investitionsbeihilfen sei eine Möglichkeit. "Und schließlich könnten wir zum Beispiel die Immobilie des Werkes kaufen und dann an Opel und Fiat zurückvermieten." Das würde dem Konzern sofort eine hohe Bargeldsumme einbringen. Eine direkte Beteiligung an einem Gemeinschaftsunternehmen aus Fiat und Opel schloss Reinholz aber aus.

Fazit

von

Karl-August Almstadt
Deutschland und Italien: Was für eine Liebesbeziehung! Mal große Oper, dann wieder Trauerspiel. Es ist halt, wie es ist: Die Italiener achten uns, aber sie lieben uns nicht. Wir Deutsche hingegen lieben Italien, und irgendwie auch die Italiener, aber wir achten sie nicht. Jedenfalls nicht immer und schon gar nicht diesseits von Chianti und Pasta al dente, nämlich dann, wenn es um nüchtern-harte Geschäfte geht. Wie das jetzt angestrebte: FIAT will Opel retten. Retten? Fiat will Opel kaufen. Gebot im ersten Schritt: eine Milliarde Euro. Lächerlich. Wird da etwa gezockt? Vertrauen jedenfalls mag da nicht so recht aufkommen, wenn der 72jährige Staatschef – ohne Anhang – bei der deutschen Kanzlerin aufläuft. Sicher nicht, um ihr den Hof zu machen. Berlusconi, selber milliardenschwer, ist Profi und mit jenem Selbstbewusstsein ausgestattet, mit dem Italiener tendenziell diktatorisch sind. Mit einem Staatkonzern im Rücken, denn das ist Fiat seit dem Ende der Angnelli-Ära, wird Italiens Staatschef Berlusconi sicher nur eines im Auge haben: italienische Interessen. Die neue Achse Rom-Rüsselsheim sähen wir deshalb mit äußerst gemischten Gefühlen. Ein tragfähiges Konzept, um an deutsche Steuergelder zu kommen, ist momentan nicht in Sicht. Ebensowenig, wie der hochverschuldete Fiat-Konzern mit Chrysler-Ballast und fehlenden Innovations-Technologien zur angedachten Nummer zwei im Weltmarkt werden will. Fusionsfieber, Partnerschaften und Zahlenspiele sind die eine Seite – die italienischen Momente der aktuellen Autokrise. Solide Finanzierungen und seriöse Marktkonzepte die andere in diesem hochkomplizierten Übernahmemodell. Opels Zukunft ist kein Hütchenspiel!