Ich will runter nach Key West. Die Tasche mit ein paar Klamotten hab ich hinten reingeworfen. Der Raptor, in dem ich sitze, ist ja ein SuperCrew, der hat ungefähr so viel Knieraum wie eine S-Klasse. Um zehn Uhr fahre in Jacksonville los. AM – also vormittags. Rund 500 Meilen liegen noch vor mir, gut acht Stunden. Bei dem Yamaha-Dealer in Key Largo steht mein Waverunner bereit. Ein kleiner Stand-up; der kommt einfach hinten auf die Ladefläche. Es ist zwar nur die 5,5-Fuß-Box, was Längeres gibt’s für den Raptor nicht; aber wenn ich die Klappe offen und die "Superjet" raus stehen lasse, geht’s schon.

Überblick: Alle News und Tests zu Ford

Ford F-150
Ganz dickes Ding: Der Ford F-150 passt nur bedingt auf europäische Straßen. Die Amis lieben ihn.
Doch irgendetwas stimmt nicht. Das Navi zeigt Middleburg, Florida. Das ist aber zu weit westlich, ich muss irgendwie Richtung Atlantik rüber, zur Interstate 95. Doch diese lange Gerade hier, das ist nicht die County Road 220 East; das sieht eher aus wie – ja, wie die bayerische Staatsstraße 2064 durch "d' Fuizn", wie die Einheimischen das Königsdorfer Moor nennen. Und was das Navi hier als Interstate 95 anzeigt, ist in Wahrheit die A95 München–Garmisch. Der Fluss zwischen mir und der A95 ist nicht der St. Johns River, sondern die Loisach. Aber eigentlich egal. Florida oder Bayern – Hauptsache Süden. Der Weg ist schließlich das Ziel. Und irgendwie werde ich den richtigen Weg schon finden. Also erstmal weitercruisen. 45 Meilen stehen auf dem Tacho, der Achtzylinder grummelt beruhigend mit 1300 Touren vor sich hin, Crosby, Stills & Nash singen vom "American Dream". Den 36-Gallonen-Tank habe ich vorhin randvoll gemacht, 135 Dollar und 40 Cent – ach nein, das hätte es in den USA gekostet, hier war ich für 126,4 Liter 204,77 Euro los, der Tank war recht leer gewesen. Schon schmerzhaft, aber ich zahle ja mit Karte. Kein Mensch zahlt in den USA bar.

Noch mehr Geländegänger gibt es bei AUTO BILD ALLRAD

Ford F-150
Ordentlich was unter der Haube: Der 6,2-Liter-V8 mobilisiert 416 PS und 590 Nm Drehmoment.
Apropos bar – ich blättere im iPod zu Johnny Cash: "Sixteen Tons". Na, so schwer ist der Raptor dann doch nicht. Aber dass er kein Leichtgewicht ist, spürt man beim Fahren. Positiv. Schwer und satt liegt er auf der Straße. Trotz der unnachgiebigen, stickstoffunterstützten Fox Racing Shox-Stoßdämpfer gibt es durchaus so etwas wie eine Federung. Wenn ich wollte, könnte ich jetzt genauso gut zehn Meter neben der Straße fahren. Die Wiese ist fest, fast wie eine Steppe. Und diese kleinen Entwässerungsgräben da und dort: Die wären nicht wirklich ein Hindernis. Ich hab All-Terrain-Socken drauf, 33 Zoll hoch. Und neuneinhalb Zoll Bodenfreiheit. Und eine Vollsperre fürs Hinterachsdiff. Was soll mich da aufhalten? Gutes Gefühl zu wissen: Ich könnte. Aber ich will ja gar nicht. Sonst muss ich den Truck hinterher wieder von Hand waschen. Waschanlage ist nicht, die Dinger sind einfach zu schmal für erwachsene Autos. Also Landstraße, was soll’s.
Wenn man lenkt, fährt der Truck schließlich auch um die Kurve. Gut, ja, die Reifen heulen, wenn man zu schnell ist. Und wenn man in engen Kurven Gas gibt, kann es schon auch mal sein, dass ein Hinterrad durchdreht. Aber wer fährt schon enge Kurven? Die sind hier unten in Florida ja eher selten. Am Fußgängerüberweg warte ich hinter einem Sportwagen. Er behindert meine Sicht kaum, ich sehe über ihn hinweg, wortwörtlich. Eine junge Mutter schiebt mit der einen Hand einen Kinderwagen, zerrt mit der anderen einen vielleicht fünfjährigen Jungen hinter sich her. Der will aber nicht weiter.Mit großen Augen und offenem Mund schaut er das riesengroße rote Auto mit den dicken Rädern an. Ich winke, doch die junge Frau funkelt mich an wie einen Sittenstrolch. Als die Ampel wieder grün wird, stiebt der schwarze Unterlegkeil vor mir mit plärrendem Sportauspuff davon. Ich gebe ganz behutsam Gas. Erstens wullert der V8 dann so schön behaglich, dass der Bub auf dem Gehweg strahlt. Zweitens ist die Straße hier noch nass, da haben die All-Terrain-Reifen wenig Grip und das ESP alle Hände voll zu tun, wenn man zu fest auf den Pin tritt. Und drittens hab ich’s nicht eilig. Es reist sich sehr angenehm in der weitläufigen Kabine, da muss man die Fahrt nicht so schnell wie möglich hinter sich bringen. An der nächsten Kreuzung biege ich kurzentschlossen nach Süden ab. Richtung Sonne.
Aber die geht gerade über den Bergen unter, nicht über dem Pazifik. Plötzlich piept etwas Alarm. Aber ich bin doch angeschnallt! Sprit habe ich auch, Öldruck ist normal, Motortemperatur auch, Getriebetemperatur auch. Ich drehe mich um, kann aber nichts sehen. Ich mache die Augen auf. 06:45 lese ich. Mein Wecker! Ich springe auf, laufe zum Fenster. Der Truck steht nicht unten. Ja richtig, den hatte ich ja gestern Abend wieder zu Geiger nach München zurückgebracht …

Fazit

von

Thomas Rönnberg
Manche werden's nie verstehen, warum ein Fullsize-Truck ein Traumwagen ist: Es ist die unvergleichliche Ruhe, das Gefühl der unangreifbaren Überlegenheit, der Immunität gegenüber allen Angriffen und der betriebsamen Hektik da draußen. Dass so ein großer Pick-up weder schnell, noch handlich, noch sparsam und insofern als Alltagsauto eher ungeeignet ist, spielt bei Träumen keine große Rolle.

Von

Thomas Rönnberg