Viel Leistung und Frontantrieb – im Ford Focus RS eine tolle, aber nicht gerade günstige Kombination. AUTO BILD hat einen gebrauchten gecheckt.
Der Bedarf an gebrauchten Ford Focus RS ist überraschend hoch. Die einzigen beiden im Umkreis von 100 Kilometern angebotenen Modelle haben just am Tag unseres Anrufes einen Käufer gefunden. Also Suchradius vergrößern, doch bis 200 Kilometer Entfernung poppt lediglich ein weiteres Modell in den Internetbörsen auf. Autohaus Horstmann in Rastede bietet einen weißen RS mit rund 42.000 Kilometern Laufleistung zum Preis von 28.400 Euro an. Der nette Händler ist bereit, den Wagen für den Gebrauchtwagen-Check zur Verfügung zu stellen, mahnt aber zur Eile: "Der RS ist fast verkauft und morgen die letzte Möglichkeit für eine Probefahrt." Das glauben wir gern.
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).
Wenige Hersteller beweisen so viel Mut wie Ford beim Top-Focus. Der martialisch dekorierte RS soll nicht jedem gefallen – und das ist gut so.
Auch Ford wurde nach der Vorstellung des Focus RS "MK2" von der hohen Nachfrage überrascht. Die anfangs einkalkulierte Produktionszahl von 8000 Einheiten musste aufgrund der zahlreichen Bestellungen bald korrigiert werden. So verließen zwischen 2008 und 2010 tatsächlich 11.000 Focus RS das Band. Beachtlich für einen radikalen Kompaktsportler mit nicht gerade massentauglicher Optik. Auch in Deutschland forderten die Kunden mehr RS. Das dem Markt zugeteilte Kontigent wurde folglich von 1200 auf 1600 Einheiten erweitert. Weil der Hype um den RS nicht abnahm, gab es noch eine kleine Extra-Zugabe: Mit der auf 500 Stück limitierten Sonderserie RS 500 reizte Ford das "Hot-Hatch-Thema" mit nochmals verfeinertem Fahrwerk und einer Leistungssteigerung auf 350 PS bis zum Maximum aus.
Der RS versprüht viel Rallye-Charme
Das Cockpit ist sehr nah am Standard-Focus. Schalensitze, Stückzahl-Plakette und Tacho-Skala bis 280 km/h erinnern an den potenten Antrieb.
Werfen wir einen ehrfürchtigen ersten Blick auf unser Test-Exemplar. Nicht nur, dass der RS in freier Wildbahn ein extrem seltener Anblick ist. Die aggressiv gestylte Frontschürze, die muskulös ausgestellten Radhäuser mit den Multispeichen-19-Zöllern und der dreist-große Heckflügel in Glanzschwarz – der Rallye-Charme ist schon im Stand spürbar. Fast will man sich der Straßenzulassung vergewissern. Der Vorbesitzer hatte ein paar kleine Änderungen vorgenommen. Die Entlüftungskiemen in der Motorhaube wurden in Schwarz lackiert, das blaue Emblem am Heck ist gegen ein weißes ausgetauscht worden. Dazu ließ er eine Auspuffanlage mit weniger Gegendruck anfertigen. Was von außen ganz annehmbar klingt, stellt sich bei der Fahrt als etwas nervige Umbaumaßnahme heraus. Im mittleren Drehzahlbereich wird das Dröhnen schnell unangenehm. Den neuen Besitzer freut es vielleicht, dass die originale Anlage mitverkauft wird.
Harmonische Lenkung dank Revo Knuckle
Video: Ford Focus RS (2009)
Focus RS - die lebende Legende
Was verführte die Käufer zum RS? Etwa das Prädikat "Stärkster Serienwagen mit Frontantrieb"? Dabei sorgte die Leistungsangabe von 305 PS und 440 Newtonmeter meist für sorgenvolles Stirnrunzeln. Wie verträgt sich so viel Power wohl mit einem Frontantrieb? Das fragte sich 2010 auch AUTO BILD. Gegen die Hinterrad- und allradgetriebene Konkurrenz (u. a. Porsche Cayman S) ging der Focus am Ende des Vergleichstests als Spaßkönig hervor. Das Ergebnis lässt sich besonders gut auf der Landstraße nachvollziehen. Der Lader spricht für einen Single-Turbo überraschend spontan an, beim Durchschalten der exakten Sechsgangbox wirkt der Motor ziemlich wach. Und tatsächlich spielt auch die Lenkung mit. Voller Leistungseinsatz am Kurvenausgang – der Kopf sagt: Achtung, Frontantrieb! Doch davon spürt man fast nichts. Ohne Zerren und ohne zu Verhärten, lässt sich das Sportlenkrad wieder geradestellen. Die aufwendige Vorderachskonstruktion, bei Ford auf den Namen "Revo Knuckle" getauft, entkoppelt die Lenkung vom Rest des Achsschenkels und verhindert auf diese Weise ziemlich erfolgreich Antriebseinflüsse in der Lenkung. Negativ fällt zuweilen das Fahrwerk auf. Unter der sehr straffen Abstimmung leidet die Traktion auf holprigem Asphalt.
Der RS fühlt sich auf der Landstraße zu Hause. Am Steuer genießt man die saubere Lenkung und den vielleicht besten Sound unter den Kompakt-Sportlern.
Nicht zu toppen ist dagegen der Klang des Motors. Wer nicht über besonders resistente Mentalstrategien verfügt, entwickelt schnell eine ausgeprägte Sucht nach dem schlürfenden Fünfzylinder-Sound, der sehr pur und nicht etwa künstlich wirkt. Jeder Gasstoß und jeder Drehzahlwechsel befriedigt die Gier. In Verbindung mit der über ein weites Drehzahlband sehr gleichmäßigen Leistungsentfaltung, stellt sich der so gerne zitierte "Gummibandeffekt" ein, der einen gelungenen Turbomotor ausmacht. Dass sich der Focus RS als ernstzunehmender Kompakt-Sportler etabliert hat, verdeutlicht auch die Preisentwicklung. Neu waren Konkurrenten wie Audi S3, BMW 130i und VW Golf R zwar teurer, doch auf dem Gebrauchtwagenmarkt hat sich das Blatt gewendet. Hier müssen Interessenten für den Sport-Ford am meisten Kohle locker machen. Was vielleicht auch am inzwischen vorgestellten Nachfolger liegt. Der hat mit Vierzylinder-Ecoboost einen neuen Weg eingeschlagen. Der driftfähige Allradantrieb des Neuen mag ein spaßiges Gimmick sein, dem phänomenal klingenden Fünfzylinder weinen wir trotzdem hinterher. Worauf Sie beim Kauf eines gebrauchten Focus RS achten sollten, erfahren Sie in der Bildergalerie.