Unregelmäßig Rostprobleme

Die Sierra-Gebrauchtwagentests von AUTO BILD fielen so unterschiedlich aus wie Apfelernten. Heimste ein 82er Typ in Heft 15/90 noch Lob für kerngesundes Blech ein, so warnten wir in der Ausgabe 43/92 bereits vor Fallobst-Kandidaten mit verheerenden Korrosionsschäden am Rahmen. Drei Jahre später fanden wir mehr Reife am Kölner Früchtchen: Ein sechsjähriger Prüfling in Heft 11/95 bewies Fords verbesserte Rostvorsorge seit 89. Das bestätigte der Nachtest in AUTO BILD 40/96. Dafür zeigte sich im Fahr-Alltag manche andere Schwäche, wie zum Beispiel die kurzlebigen Auspuffanlagen. Immerhin, es reichte zum Prädikat empfehlenswert.

Jetzt ist der Sierra sechs Jahre aus der Produktion und optisch wie technisch aus dem Trend. Und wie steht es im und unterm Blech? Wir untersuchten einen 91er mit 130 000 Kilometern auf der Uhr. Lohnt sich der Sierra noch? Immerhin, den Rostteufel haben die Ford-Leute wirklich im Griff. Zwar sind Rahmen, Achskörper, Falze und Kanten nicht mehr astrein, doch lebensbedrohlich ist das alles nicht.

Kurz vorm Exitus ist nur wieder der Auspuff an unserem Kat-Modell. Kaum eine Stelle von vorn bis hinten, die nicht zerfressen ist. Ursache könnte die geringere Temperatur in den Abgasrohren hinterm Kat oder seine chemische Reaktion mit Kondenswasser sein. Krümelig bräunlich präsentieren sich auch die Bremsleitungen zu den Hinterrädern. Die Beschichtung ist unterwandert oder abgeplatzt. In diesem Zustand gibt das Ärger – spätestens bei der nächsten Hauptuntersuchung.
Die Prüfer haben zudem ein wachsames Auge auf die Bremsscheiben, die oft schnell verschlissen sind. Die kurze Lebensdauer kritisieren auch die AUTO BILD-Lesertester. Zweite und dritte Schwachstelle für Sierra-Fahrer: defekte Kupplungen und entladene Batterien. Letzteres wurde seit 87 durch einen anderen Keilriementrieb der Diesel- und 2,0-Liter-Motoren abgestellt. Bei der Kupplung ließ sich der Hersteller mehr Zeit und baute erst ab dem Baujahr 1991 standfestere ein.

Das Motorenprogramm ist vielfältig, aber kein Ruhmesblatt. Zwar gelten die Triebwerke als solide, sofern regelmäßig der Zahnriemen gewechselt wird (2.0 DOHC und 2.9i mit Kette). Und auch die Undichtigkeit der Wasserpumpen gilt seit 87 als besiegt. Doch bei Durchschnittsverbräuchen ab zehn Litern und zähem Durchzug kommt selten Freude auf.

In den letzten drei Produktionsjahren gab es Vierzylinder mit 80, 90, 100, 115, 120 und 220 PS sowie einen 2,9 Liter großen V6-Block mit 145 PS (alle mit geregeltem Katalysator). Außerdem einen Wirbelkammerdiesel mit 75 Turbo-PS. Da weniger Hubraum kaum Spritersparnis verspricht, gelten die Zweilitertriebwerke ab 100 PS als beste Wahl. Vor allem der "Turnier"-Kombi braucht eine kräftige Maschine. Wer an der Tanke nicht aufs Geld schaut, darf auch zum Sechszylinder oder zum Cosworth mit 220 PS greifen.

Ölverlust an Motor (Ventildeckeldichtung) und Getriebe ist in Maßen normal. Auch unser Testmodell glänzte wie eine Ölsardine. Dafür sprang der Kat-Zweiliter sofort an. Nicht selbstverständlich - lose oder korrodierte Kabelstecker sorgen bisweilen für Startschwierigkeiten. Gebraucht gibt es den Sierra für kleines Geld, vor allem das wenig geliebte Stufenheck. Kombis liegen rund 1000 Mark höher. Fazit: Bei ausgereiften Modellen aus den 90ern gibt es viel Auto fürs Geld, frühere Typen sind dagegen häufig Problemfälle.

Historie, Schwächen, Kosten

Modellgeschichte 9/82 Neueinführung als Taunus-Nachfolger: Fünftürer als Kombi (Turnier) und Fließheck. Vergaser: 1.6/75 PS und 2.0/105 PS • 8/83 Fließheck auch als zweitüriges Modell, später nach Lesart des Werks als Capri-Nachfolger • 2/87 Modellpflege: Fronthaube bis Stoßfänger runtergezogen, ausgeschäumte Stoßfänger, viertürige Stufenheck-Version • 2/88 Topmodell RC Cosworth: riesiger Heckflügel, 2.0/204 PS • 8/88 erster G-Kat im 2.0/100 PS. V6 ab 89: 2.9/145 PS (G-Kat) • 1/90 Modellpflege: Grill mit drei Lamellen, dunkle Rückleuchten • 9/91 Modellpflege: Stoßfänger in Wagenfarbe • 3/93 Produktionsende aller Modelle. Nachfolger: der Mondeo.

Schwachstellen Wasserpumpen galten vor allem bis Baujahr 87 als anfällig. Die Folge waren teure Motorschäden wegen Überhitzung. • Auspuffanlagen rosten im Zeitraffertempo, ob mit oder ohne Kat. Auch Hosenrohr und Auspuffkrümmer sind schnell hinüber. • Kupplung ohne Standfestigkeit monieren die AUTO BILD-Lesertester. Erst kurz vor Produktionsende im März 91 spendierte Ford eine modifizierte Form. • Bremsscheiben mit rasendem Verschleiß ärgern jeden fünften Sierra-Lesertester. Das bestätigte der ADAC schon 90 und kritisierte zudem festgehende Radbremszylinder und einseitig wirkende Handbremsen. • Elektrik mit Sperenzchen: leere Batterien wegen defekten Riementriebs (bis 87), lose Kontaktstecker, streikende Anlasser beim Diesel, kaputte Lichtmaschinen und widerspenstige Zentralverriegelungen.

Reparaturkosten Preise inklusive Lohn und Mehrwertsteuer am Beispiel Ford Sierra 2.0i G-Kat, 74 kW/100 PS, Bj. 89. Zivile Preise für die Mittelklasse. Zudem gibt es viele gebrauchte Teile und günstige Ford-Paketpreise, beispielsweise für Brems-scheiben und -klötze.

Fazit und Urteil

Fazit Der Sierra ist ein Auslaufmodell. Selbst jüngste Exemplare sind sechs Jahre alt, da lassen Wartung und Pflege nach. Und das killt auch den im Kern soliden Ford. Rost ist zwar wenig, aber an Kanten und Falzen zu finden. Auch die Bremsleitungen sollten auf Korrosion geprüft werden, bevor sie bei der Hauptuntersuchung auffallen. Klassisch rostig ist die Auspuffanlage. Vor allem bei Kat-Modellen brechen Rohre und Töpfe schnell weg. Ölverlust an Ventildeckel und Getriebe ist typisch, aber nicht gefährlich. Empfehlenswert sind Modelle ab 90, bei denen es kaum noch Ärger mit Wasserpumpen und Zündung gab. Der Zweilitermotor ist erste Wahl. Unter 100 PS ist vor allem der Kombi schnell überfordert.

AUTO BILD-Urteil: Bedingt empfehlenswert