Ferrari gibt weiter Rätsel auf. Die große Frage: War die Scuderia beeinflusst von den beiden Motor-Restriktionen, welche die Automobilbehörde FIA bei den Rennen in Austin und jetzt in Sao Paulo gegeben hat?
Hintergrund: Die FIA hatte vor Austin eine Direktive verschickt. Anlass war eine Red Bull-Anfrage, wie man den FIA-Sensor zur Begrenzung der Benzindurchflussmenge umgehen könne. Drei Szenarien wurden vom österreichischen Team skizziert, die von der FIA alle als illegal abgewiesen wurden. Im Visier schon dabei: Ferrari und die 55 Zusatz-PS, die der rote Renner im Qualifying und am Start generieren kann.
Alles zum Qualifying: Verstappen auf Pole vor Vettel
In Brasilien ging die FIA noch einen Schritt weiter: Um sicherzustellen, dass auch nicht abseits der Benzindurchflussmenge getrickst werden kann, hat die FIA alle zehn Teams gebeten, Informationen über ihre Schmierstoffe zur Verfügung zu stellen. Dies kommt im Zusammenhang mit einer neuen technischen Richtlinie (Nummer 38/19, die der Weltverband vor Brasilien herausgab. Darin wird klargestellt, dass keine brennbaren Flüssigkeiten aus dem Ladeluftkühler, dem Luftsammler oder dem ERS-System in die Brennräume des Motors gelangen dürfen. 
Hintergrund ist eine Theorie, die besagt: Ein bewusst herbeigeführtes Leck im Ladeluftkühler könnte dafür sorgen, dass kleine Mengen Öldampf Teil des Verbrennungsprozesses im Motor werden. Laut Reglement darf das Kühlsystem aber keinen Nutzen aus dem Verdampfen einer Flüssigkeit ziehen - abgesehen von der normalen Benzinverbrennung. Ohne es offiziell zu bestätigen: Jedes Mal hatte man dabei Ferrari im Visier.
Vettel
Vettel startet am Sonntag als Zweiter in Sao Paulo
ABMS erfuhr: Hätte Ferrari in Brasilien wieder bei den Höchstgeschwindigkeitsmessungen weit vorne gelegen, hätte Mercedes Maßnahmen beim letzten Saisonrennen in Abu Dhabi in Erwägung gezogen. Bis hin zum Protest. Das jedenfalls war aus dem Red Bull-Lager zu hören.
Hintergrund: In den beiden freien Trainings am Freitag war Ferrari wie vor Austin auf den Geraden wieder überlegen. Bis zu acht Zehntel nahmen die roten Renner der Konkurrenz allein auf den Geradeausstücken ab.
Am Samstag sah das plötzlich wieder anders aus. Charles Leclerc war zwar mit 331 km/h mit Abstand Schnellster über das circa 1,2 Kilometer lange Bergaufstück in Sao Paulo, dies war aber auch Windschatten-bedingt. Teamkollege Sebastian Vettels Topspeeds lagen nur im Mittelfeld.
Deshalb wird es jetzt nicht zum Protest kommen. Red-Bull-Pilot Max Verstappen war im Qualifying unantastbar und sicherte sich die Pole vor Vettel und Weltmeister Lewis Hamilton (Mercedes). Vettels Ferrari-Teamkollege Leclerc wurde Vierter, bekommt aber aufgrund eines Motorwechsels eine Strafe von zehn Startplätzen.
Die Frage bleibt: Hat Ferrari wegen des Drucks der anderen Teams auf seinen großen Vorteil beim Topspeed verzichtet? Red-Bull-Chefberater Helmut Marko stellt klar: "Wir haben nicht speziell wegen Ferrari die Anfragen an die FIA gestellt. Wir wollen auch sicher sein, dass wir 2020 keine Nachteile haben. Dass Ferrari plötzlich aber nicht mehr einen so großen Vorteil im Topspeed hat, ist schon merkwürdig."
Sebastian Vettel wollte von den ganzen Vorwürfen nichts wissen. "Es war knapp, aber wir rutschten eben ein wenig zu viel in den Kurven", erklärt der Deutsche die Niederlage im Qualifying. Einen kurzen Seitenhieb konnte sich Vettel wegen der Vorwürfe im Vorfeld nicht verkneifen: "Es war merkwürdig, wie schnell Red Bull plötzlich auf den Geraden war." Allein, eins steht fest: Das Ferrari-Rätsel wird die Formel 1 noch weiter beschäftigen.

Von

Ralf Bach