Daimler-Vorstand Bodo Uebber kam mit einem speziellen Gepäck zum Nachtrennen nach Singapur. Der Finanzchef des Daimler-Konzerns hatte sich aus Stuttgart ein paar Kisten Bier vom Cannstatter Wasen einpacken lassen, der Schwabenversion des Oktoberfests. Gut gelaunt sorgte der Wirtschaftsboss nach dem erfolgreichen Rennen seiner Silberpfeile dafür, dass alle Gäste auf der Terrasse des Mercedes-Motorhomes auch aufs Geschmäckle des Getränks kamen. Als ich ihm zum Sieg von Lewis Hamilton gratulierte und sogar wegen des fast 40 Sekunden Rückstandes von Vettel auf Hamilton das Wort "Hinrichtung" erwähnte, antwortet Uebber ganz weltmännisch: "Es war beeindruckend ja. Aber man darf sich jetzt nicht auf diesem Erfolg ausruhen."
Rennanalyse Singapur GP: Warum war Mercedes so stark?
Apropos: Ich hatte nette private Momente mit dem Heilsbringer von Mercedes. Als ich mit meinem Mönchengladbacher Freund David "Woo" Schneider – ein Finanzgenie, das gerade in Tokio wohnt - vor dem Rennen im Fahrerlager unterwegs war, kam uns Lewis Hamilton auf seinem Kinderroller entgegen. Normalerweise hat er den Kopf tief nach unten gesenkt und vermeidet jeglichen Kontakt, um in Ruhe und schnellstmöglich zu seinem Fahrerraum zu gelangen. Diesmal hielt er an und rief mir zu: "Nett, dass Du auch mal lachen kannst." Vorgeschichte: Bei der FIA-Pressekonferenz einen Tag zuvor habe ich Lewis – ich gebe zu bewusst – auf die Palme gebracht. Ich fragte, was er über Ferrari denkt: Die lassen Kimi Räikkönen gegen Sebastian Vettel fahren, während Valtteri Bottas am Morgen mehr oder weniger nur aufsteht, um Anweisungen zu erhalten, wie er Lewis im Kampf mit Vettel helfen kann. Er war – salopp gesagt – angepisst, was wichtiger war in diesem Moment als die nichtssagende Antwort. 
Motor
Hamilton fuhr in Singapur allen davon
Jedenfalls war die Frage der Ursprung der Begegnung am nächsten Tag. Er dachte ganz einfach: Der Typ ist gegen mich und für Sebastian. Das nagte an ihm. Nach dem Rennen traf ich ihn zufällig wieder, als er gerade von der Strecke fahren wollte. "Lewis", grinste ich, "siehst Du mich lachen? Ich muss zugeben: Deine Vorstellung am Wochenende hatte Senna-Niveau!" Hintergrund: Für ihn und mich ist Ayrton Senna in jeder Beziehung der beste Rennfahrer aller Zeiten. Lewis strahlte übers ganz Gesicht und klatschte mich ab: "Ich schätze es sehr, das besonders von Dir zu hören!" 
Daniel Ricciardo ist der Sunnyboy der Formel 1, der heute noch für die meisten Fans die Werte der Helden vertritt, die in den 70ern in der Formel 1 unterwegs waren. Also Mädels, Männer und Motoren. Zufällig trafen wir uns auf dem Weg von der Rennstrecke zum Mandarin Oriental Hotel, um einen harten Tag (Nacht) um vier Uhr morgens in der coolen Pool-Bar im fünften Stock ausklingen zu lassen. Daniel war mit seinem Physio unterwegs. "Daniel, ich bin enttäuscht“, warf ich ihm an den Kopf. „Du gehst mit Deinem Trainer ins Hotel. Wo ist der James Hunt in Dir? Der wäre mit mindestens zwei Girls in jedem Arm in seine Wochenendherberge marschiert!" Daniel lachte laut, halb aus Scham, halb aus Neugier. "Erzähl mir, wie es damals wirklich war!“, forderte er. "Da habe ich selbst noch fast in Windeln gemacht," erklärte ich ihm, aber ich erzählte auch eine Story, die mir wiederum Niki Lauda zugetragen hatte. 
Eine Story, die kurz diese legendäre Zeit auf den Punkt bringt: Lauda und Hunt hatten eine wilde Party und mussten am nächsten Tag Testfahrten in Le Castellet absolvieren. Beide hatten weder die Fitness noch die Lust. Lauda, der Analytiker, jagte den Ferrari-Motor also schon in der ersten Runde ins Nirwana, indem er ihm kurzfristig über 20.000 Umdrehungen abverlangte. Das war zu viel für das italienische 12-Zylinder-Monster, das sofort mit großem Knall und einer Menge Qualm explodierte. Lauda hatte so sieben Stunden gewonnen – so lange dauerte es damals, einen Motor zu wechseln. Hunt, der Instinktgesteuerte, fuhr einfach los. Als es plötzlich ganz still wurde auf der Rennstrecke, machte sich Lauda Sorgen um seinen Kumpel. "Wir fuhren raus, um zu schauen, was los ist. Plötzlich sehen wir James‘ geparkten McLaren auf dem Grünstreifen stehen. Er hatte angehalten und war friedlich eingeschlafen." Ricciardo war fasziniert von der Geschichte. "Schade", meinte er nur, "dass die Elektronik heute verhindert, dass man Motoren überdrehen kann..."
 

Von

Ralf Bach