Bis 16 Runden vor Schluss sieht beim Bahrain GP der Formel 1 alles nach einem soliden Saisonstart für Ferrari aus: Mit Dominator Red Bull kann die Scuderia zwar nicht mithalten, Charles Leclerc und Carlos Sainz liegen dahinter aber immerhin auf den Plätzen drei und vier, ein Podestplatz für die Roten scheint sicher.
Dann schlägt jedoch der Defektteufel beim Monegassen zu, Leclerc rollt am Streckenrand aus und funkt verzweifelt in Richtung seines Kommandostandes: "Nein, nein, nein, komm schon! Was ist denn jetzt passiert? Ich habe keine Power mehr."
Während der Vizeweltmeister bedröppelt am Streckenrand steht, müssen sich die Ferrari-Verantwortlichen auch noch anschauen wie bei Sainz die Reifen wegbrechen und er in der Schlussphase von Aston Martins Fernando Alonso aufgeschnupft wird. Mit Mühe und Not rettet der Scuderia-Pilot am Ende immerhin Rang vier vor Mercedes-Star Lewis Hamilton ins Ziel.
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Der Defektteufel schlägt bei Charles Leclerc zu.
Bild: F1 TV

Ferraris neuer Teamchef Fred Vasseur kriegt jedenfalls gleich an seinem ersten Renntag als Boss der Roten die volle Emotions-Achterbahn bei der Scuderia vorgeführt: "Wir hatten ein Problem mit dem elektrischen Teil der Power Unit, wissen aber noch nicht genau, was passiert ist. Das ist natürlich enttäuschend", fällt Vasseurs erstes Fazit ernüchternd aus. Der Franzose ärgert sich: "Auch wenn wir Red Bull heute nicht herausfordern konnten, lagen wir komfortabel auf dem dritten Platz. Das wäre eine gute Belohnung fürs Team gewesen."
Immerhin weiß Vasseur nach der ersten Standortbestimmung jetzt, wo sein Rennstall ansetzen muss: "Wir müssen große Verbesserungen bei der Standfestigkeit vornehmen, aber auch auf den Longruns, da sind wir einfach noch zu fragil, wenn ich mir den zweiten Teil des Rennens anschaue. Mit unserem Reifenabbau waren wir heute am Ende leichte Beute und vor allem Red Bull macht da einen deutlich besseren Job, so ehrlich muss man sein. Über eine schnelle Runde sind wir da, aber für das Rennen müssen wir uns steigern."

Ferrari mit starkem Reifenverschleiß

Während Ferrari im Qualifying am Samstag unter drei Zehntel an der Pole-Zeit von Max Verstappen dran war und anders als der Niederländer dafür auch nur einen Run zur Verfügung hatte, macht im Renntrimm vor allem der starke Reifenverschleiß Probleme. Zwar gibt Vasseur zu bedenken, dass der Kurs in Bahrain einen Asphalt hat, der besonders aggressiv zu den Pneus ist: Leclerc verbremst sich am Sonntag aber gleich mehrfach und kann so auch Sergio Perez, den er mit einem starken Start kassiert hat, nicht dauerhaft hinter sich halten.
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Bedient: Leclerc nach seinem vorzeitigen Aus in Bahrain.
Bild: Sky Sports F1

"Mein Start war toll, aber das ist definitiv nicht genug, um mich nach diesem Rennen heute glücklich zu stimmen", erklärt ein geknickter Leclerc. "Es fühlt sich natürlich nicht gut an, vor allem im ersten Rennen der Saison. Der Leistungsverlust kam sehr plötzlich", sagt der Ferrari-Pilot mit Blick auf seinen Ausfall. Besonders bitter: Obwohl Ferrari bei Leclerc noch vor dem Start neue Teile einbaut und das Auto mit einem frischen Energiespeicher und einer neuen Kontrollelektronik ausstattet, streikt am Ende ausgerechnet der Motor!
Auch Teamkollege Sainz schlägt Alarm, denn die Haltbarkeit ist nicht Ferraris einzige Baustelle: "Unser Reifenabbau war einfach zu stark, das haben wir auch schon beim Test und am Freitag gesehen", verrät Sainz. "Gerade am Ende waren die Red Bulls und Aston Martin einfach deutlich schneller und haben die Reifen nicht so aufgefressen wie wir. Das war für uns ein Realitätscheck und wir haben jetzt viel Arbeit vor uns in den nächsten Wochen."
Trotz des Rückschlags: Teamchef Vasseur richtet seine Mannen aber auch auf, betont: "Das war erst der Auftakt, es sind noch 22 Rennen zu fahren. Und ich wollte sowieso von Anfang an vermeiden, dass wir eine zu optimistische oder zu pessimistische Einstellung haben. Der Weg ist noch lang in dieser Saison und jetzt haben wir zumindest mal ein klares Bild und wissen, wo wir uns verbessern müssen."
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Teamchef Vasseur (rechts) richtet seine Mannen auf.
Bild: Ferrari

Erfrischend finden die klaren Worte vom neuen starken Mann in Maranello auch die Experten im Fahrerlager: "Er spricht Klartext und die Sachen so an, wie sie sind, sagt auch einfach, wo sie sich verbessern müssen. Das ist wichtig für Ferrari, denn da gibt es eine Menge zu machen", glaubt Ex-F1-Pilot Christian Klien bei ServusTV. "Grundsätzlich haben sie ein ganz gutes Auto und auch ein gutes Team, aber jetzt muss er halt die Leute in die richtige Richtung schubsen, damit Ferrari wieder konstant vorne mitkämpfen kann."
Auch Nico Rosberg erklärt bei Sky: "Es wird spannend zu sehen, wie sich Fred ins Team einarbeitet und welche Veränderungen er vornehmen wird." Der Deutsche sieht trotz des enttäuschenden Resultats am Sonntag auch positive Anzeichen bei der Scuderia: "Man darf nicht vergessen, dass sie im Qualifying wirklich nah dran waren. Die Pace über eine Runde kann ihnen Optimismus geben, dass sie mit Red Bull kämpfen können, denn es gibt andere Strecken, wo man nicht so gut überholen kann und die Pace über eine Runde dann viel mehr zählt."

Von

Frederik Hackbarth