Sebastian Vettels Mimik nach dem Qualifying zum Großen Preis von Italien erinnerte ans vergangene Jahr. Dort musste er Teamkollege Kimi Räikkönen Windschatten geben, obwohl er in der WM besser platziert war. Vettel wurde nur Zweiter, Räikkönen startete von Pole.
Auch diesmal stahl sich der Teamkollege aus der Verantwortung. Zumindest muss es so auf Vettel gewirkt haben...

Der Hesse nach Platz vier und 0,150 Sekunden Rückstand auf Polesetter Leclerc: "Ich bin sehr zufrieden mit meinem Qualifying. Ich hatte einen sehr guten ersten Schuss, nur hatte ich keinen, der mir Windschatten gibt. Ohne Windschatten verliert man vier bis fünf Zehntel."
Hintergrund: Eigentlich hätte Leclerc Vettel im letzten Versuch ziehen sollen. Doch die Bummelei an der Spitze machte den Plan zunichte (alle Hintergründe hier). Vorne verursachten Carlos Sainz und Nico Hülkenberg einen Stau, weil wie bei der Tour de France keiner den Windschatten hergeben wollte.
Doch auch Leclerc schlich trotz Druck vom Kommandostand vor Vettel um den Kurs. So sehr, dass der Heppenheimer irgendwann die Initiative übernahm und seinen Teamkollegen überholte, um für freie Bahn zu sorgen. Denn: Die Uhr tickte gnadenlos runter.
Ferrari
Ampel rot: Leclerc huscht durch, Vettel verhungert...
Erst auf der letzten Geraden vor Start-Ziel wurde Vettel von Leclerc wieder überholt. Vettel schien überrascht, hätte offenbar lieber freie Fahrt gehabt, um mit Vollgas in Richtung Ziellinie zu brettern. Stattdessen hat Leclerc ihn eingangs der Parabolica-Kurve noch einmal eingebremst – in den TV-Bildern ist das klar zu erkennen.
So schafften es nur Carlos Sainz und direkt dahinter Leclerc rechtzeitig genug über die Startlinie. Vettel wurde abgewinkt und reagierte entsprechend ungehalten: "Ohne Windschatten die Runde zu starten, ist irrsinnig. Ich hatte keinen, der vor mir war. Intern war die Absprache etwas anders."
Der Deutsche ungewohnt offen: "Im ersten Versuch habe ich Charles gezogen. In der letzten Runde war ich dann dran, einen Windschatten zu bekommen. Aber wir haben zu lange gewartet. Ich dachte, wir hatten das intern besser kommuniziert."
Eine klare Anklage an den Teamkollegen! Nach Informationen von AUTO BILD MOTORSPORT hätte Leclerc demnach um jeden Preis vorneweg fahren sollen, egal wie sehr die anderen taktieren. Doch der Sieger des letzten Rennens in Spa machte keine Anstalten, den Bummelzug zu überholen. Vettel zu ABMS: "Das war anders abgemacht."

Leclerc hinterher: "Natürlich freue ich mich über die Pole-Position, auch wenn es gegen Ende hin ziemlich drunter und drüber ging. Ich weiß nicht, ob ich wirklich klug war oder nur am wenigsten dumm."
TV-Bilder zeigen übrigens, dass Vettel sich im ersten Versuch nach der Boxenausfahrt in Kurve eins verbremst hat und anschließend seine Aufgabe als "Zugführer" für Leclerc nicht direkt umsetzen konnte. Vettel gibt das auch zu, fuhr nach eigenen Angaben allerdings so weiter, dass sein Teamkollege sowohl von seinem eigenen Windschatten, als auch von dem der Renaults dazwischen profitieren konnte.
Bitter: die Niederlage im Quali-Duell gegen Leclerc ist für Vettel schon die siebte in Folge. Der Monegasse führt nun am Samstag insgesamt mit 8:6 gegen Vettel. Die Stände bei den anderen Teams hier in der Übersicht:

Von

Ralf Bach
Bianca Garloff