Sieben Tage nach dem Tod von Jules Bianchi hat ein spektakulärer Unfall zum Auftakt des Großen Preises von Ungarn für eine Schrecksekunde in der Formel 1 gesorgt. Sergio Perez überstand einen Überschlag mit seinem Force India im ersten Budapest-Training schadlos. Unbeeindruckt von diesem Crash fuhr Mercedes-Pilot Lewis Hamilton in beiden Trainingseinheiten am Freitag die Bestzeit. Der viermalige Hungaroring-Sieger unterstrich damit eindrucksvoll seine Favoritenrolle für das Hitzerennen am Sonntag. Teamkollege Nico Rosberg und Ferrari-Star Sebastian Vettel blieben chancenlos.
Schockmoment in Budapest: Horrorcrash von Perez
Lewis Hamilton
Sportlich war Lewis Hamilton am Freitag einmal mehr nicht zu schlagen: Der Brite holte zwei Bestzeiten
WM-Spitzenreiter Hamilton trumpfte auf dem Berg-und-Tal-Kurs bei Temperaturen über 30 Grad groß auf. Am Vormittag distanzierte der Titelverteidiger seinen zweitplatzierten Silberpfeil-Rivalen Rosberg in 1:25,141 Minuten um 0,109 Sekunden. Am Nachmittag steigerte sich der Brite auf 1:23,949 Minuten und ließ den gebürtigen Wiesbadener sogar um 0,719 Sekunden hinter sich. Für Rosberg reichte es hinter dem überraschend starken Red-Bull-Duo Daniil Kwjat und Daniel Ricciardo nur zu Rang vier. Vettels Hoffnungen auf seinen ersten Ungarn-Sieg erhielten einen Dämpfer. Der viermalige Champion aus Heppenheim blieb als Sechster und danach Siebter mit 1,254 bzw. 1,711 Sekunden Rückstand deutlich hinter Hamilton und den eigenen Erwartungen.

Perez mit Überschlag

Im Fokus stand am Freitag aber natürlich Crash-Pilot Perez. Aus Sicherheitsgründen sagte sein Force-India-Team die Teilnahme am zweiten Training komplett ab und begründete den Startverzicht damit, dass es erst sorgfältig das Aufhängungsproblem analysieren wolle, das den Crash verursacht habe. Teamkollege Nico Hülkenberg, der keine Probleme hatte, kam deshalb im zweiten Durchgang ebenfalls nicht zum Einsatz. Perez war in der ersten Übungseinheit mit hoher Geschwindigkeit von der Strecke abgekommen. Er krachte in die Leitplanken, prallte zurück und überschlug sich dann. Der 25-Jährige saß zunächst kopfüber im Cockpit unter dem demolierten Rennwagen, ehe er aus eigener Kraft und glücklicherweise unverletzt die Unfallstelle verlassen konnte.
Force India
Abtransport des Perez-Wracks: Der Force India ist nach dem Crash im Ungarn-Training nur noch Schrott
Die Bilder des Wracks ließen vielen Zusehern und Teammitgliedern im Fahrerlager in den ersten Sekunden trotzdem das Blut in den Adern gefrieren, stand das Rennwochenende in Ungarn vorab doch bereits im Zeichen von Bianchis Ableben und seiner Beisetzung vergangenen Dienstag. Mit Aufklebern und Botschaften auf den Rennautos und Helmen gedenken die Teams und Fahrer am Wochenende ihres verstorbenen Kollegen. „JB 17” soll an die Startnummer 17 des am Freitag vor einer Woche gestorbenen Franzosen erinnern. Am Rennsonntag findet zudem eine Viertelstunde vor dem Start eine Gedenkminute statt. Die Startnummer 17 wird nach einer Entscheidung des Internationalen Automobilverbandes FIA nicht mehr vergeben.

Fahrer blenden Gefahr aus

Bianchi war vor neun Monaten beim Großen Preis von Japan mit seinem Marussia unter einen Bergekran gerast. Er erlitt dabei schwere Kopfverletzungen und lag bis zu seinem Tod im Koma. Trotz der tragischen Ereignisse und die Erinnerung an die allgegenwärtige Gefahr im Motorsport, die nun auch in Form des schweren Abfluges von Perez allen Beteiligten abermals vor Augen geführt wurde, herrscht unter den Piloten in Budapest keine Aufregung. Die PS-Gladiatoren gehen unbeeindruckt ihrer Arbeit nach. „Ich habe keine Angst. Ich fahre wie immer”, sagte Hamilton angesprochen auf die schwierigen Tage. Und auch Teamkollege Nico Rosberg konstatierte: „Ich habe über die Jahre als Racer gelernt, dass ich alles hinter mir lasse, wenn das Visier unten ist.” Dies beziehe sich auf dem Hungaroring speziell auf die Tragödie um Bianchi - aber auch ganz generell auf jedwede private oder berufliche Ablenkung.
Jules Bianchi
Erst vor wenigen Tagen hatten die F1-Stars ihren Kollegen Jules Bianchi in Nizza zu Grabe tragen müssen
Der Boss der Silberpfeil-Piloten, Niki Lauda, fügte hinzu: „Alle Fahrer sind hochbetroffen, aber jeder hier weiß auch, dass das, was er tut, gefährlich ist. Man muss einfach eine Grundsatzentscheidung treffen, ob man trotzdem fahren und das Risiko eingehen will. Wenn man dem zustimmt, dann geht es ganz normal weiter. Denn mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass mir die ganze Zeit etwas passieren könnte, kann man nicht rennfahren.” Der Österreicher, der 1976 am Nürburgring selbst einen Feuerunfall nur knapp überlebte, gab außerdem zu bedenken: „Zu meiner aktiven Zeit haben wir Fahrer das öfter erlebt. Da sind jedes Jahr zwei Kollegen gestorben und man musste sich jedes Mal damit auseinandersetzen. Zum Glück ist uns das in den letzten 21 Jahren (vor Bianchi; d. Red.) erspart geblieben.”

Geschlossenes Cockpit als Option

Auch Nico Hülkenberg fand: „Des Risikos unseres Jobs muss man sich bewusst sein, denn daran wird sich nicht viel ändern.” Familienvater Felipe Massa verriet: „Beim Fahren denke ich nicht daran, dass ich Vater, Mutter, Frau und Kind habe.” Der Brasilianer formulierte als primäres Ziel eines jeden Grand-Prix-Piloten: „Man will gewinnen.” Ungeachtet aller Priorität auf das reine Rennfahren ist die Sicherheitsdebatte in der F1 trotzdem neu entflammt. Schon seit längerem gibt es immer wieder Diskussionen um eine Kuppel über dem Cockpit, um den besonders sensiblen Kopfbereich besser zu schützen.
Sergio Perez
Perez blieb unverletzt, der Kopf und das offene Cockpit sind aber nach wie vor die Achillesferse der F1

Ein geschlossenes Formel-1-Auto war wegen des Falls Bianchi auch in Ungarn ein Thema. „Ich weiß nicht, ob das funktioniert oder nicht. Aber wir diskutieren ja immer über Sicherheitsverbesserungen. Und ich kann mir vorstellen, dass die Formel 1 das irgendwann ändert”, sagte Hamilton. Er sei für alle Veränderungen offen, wenn sie denn die Sicherheit verbessern würden, vorausgesetzt, die Formel 1 bleibe spannend und unterhaltsam. „Wenn es sowas wie eine Sonntagsfahrt wird, als wenn man daheim auf dem Sofa sitzt, dann macht das keinen Spaß mehr”, schränkte der Mercedes-Star ein. (fh/dpa)