Die Sotschi-Serie der Silberpfeile hält an: Lewis Hamilton gewinnt den Russland-GP vor Teamkollege Valtteri Bottas. Seit der Erstaustragung 2014 hat Mercedes jedes Rennen auf der Strecke am Schwarzen Meer gewonnen. Für Sieg Nummer sechs am Sonntag war aber eine Menge Glück nötig.
Rennergebnis im Überblick: Die Zahlen zum Russland GP
Dabei war es nicht Ferraris missglückte Stallorder, die Mercedes den Sieg in die Hände spült. Es war der Ausfall von Sebastian Vettel mit einem Hybrid-Problem, der das virtuelle Safety-Car auf die Strecke bringt. 
Ärgerlich: Vettel erhält am Funk die Anweisung, sein Auto sofort zu stoppen. 100 Meter vor einer Stelle, an der das Auto schnell in den Notausgang hätte geschoben werden können. Und 700 Meter vor der Boxeneinfahrt. 
Grund: Der Ferrari steht unter Strom. Eine defekte Isolation ist Schuld. Deshalb muss der Deutsche auch mit beiden Beinen gleichzeitig vom Auto springen. Teamchef Mattia Binotto: „Wir kannten zu dem Zeitpunkt das Ausmaß des Schadens nicht. Es stellte sich für uns nicht die Frage, ob wir weiterfahren. Da ging die Sicherheit vor.“ Ferrari hatte Angst vor einem Stromschlag!
Gut für Mercedes: Hamilton, vor den Stopps Dritter, hat anders als der zweite Ferrari von Charles Leclerc noch nicht gestoppt und verliert bei seinem Reifenwechsel unter neutralisierter Strecke zehn Sekunden weniger als Leclerc zuvor.
Weil der Monegasse im Ferrari während der folgenden Safetycar-Phase (ausgelöst durch George Russell) noch mal stoppt und weiche Reifen aufzieht, fällt er auch noch hinter Valtteri Bottas zurück. Leclerc setzt alles auf die Karte Sieg – und verliert. Denn so kann WM-Spitzenreiter Hamilton anschließend ungefährdet seinen Sieg nach Hause bringen.
Großer Schritt Richtung Titel: Hamilton baut WM-Vorsprung aus
Podium
Silber bleibt Trumpf in Russland: Hamilton siegt
"Ein unglaubliches Ergebnis, wenn man bedenkt, wie schnell Ferrari hier war. Nur mit ihnen mitzuhalten war schon sehr hart", sagt Hamilton. Doch dann kommt das Safety-Car und ändert den Rennausgang: "Wir haben nie aufgegeben und weiter gepusht. Das Auto war fantastisch."
Frust dagegen bei Leclerc, der durch das Safety-Car um den Sieg gebracht wird. "Mehr als Platz drei war nach dem Safety-Car nicht mehr drin", sagt der Monegasse. "Ein sehr ärgerliches Rennen für uns als Team." 
Und eines, das nach dem Stallzoff um Vettel in der ersten Rennhälfte intern noch für mächtig Ärger bei Ferrari sorgen dürfte...

So lief das Rennen:

Am Start nutzt Vettel den Windschatten wie kein Zweiter, zwängt sich mit seinen weicheren Reifen erst am Zweitplatzierten Lewis Hamilton vorbei, saugt sich dann an Leclerc ran und zieht vor Kurve eins schon vorbei. RTL-Experte Christian Danner: „Das hätte nicht besser laufen können.“
Hamilton Dritter, Sainz Vierter, Bottas Fünfter. Dahinter kracht Antonio Giovinazzi sowohl Daniel Ricciardo als auch Romain Grosjean ins Auto. Safetycar.
Auch den Restart gewinnt Vettel, bleibt vorn. Allerdings bekommt Leclerc per Funk den ungewöhnlichen Hinweis, dass man über einen Platztausch nachdenkt.
In Runde sieben gibt’s den überraschenden Funkspruch an Leclerc. „Sebastian wird Dich in der nächsten Runde vorbeilassen.“ Allein: Vettel bittet um weitere zwei Umläufe, um sich weiter von Mercedes abzusetzen. Für Ferrari keine Option: Erneut bekommt Vettel die Ansage, Leclerc passieren zu lassen. Dessen Antwort: „Ich hätte ihn auch so gekriegt." Und: "Sie sind noch zu nah dran.“
Leclerc ärgert sich: „Ihr habt mich nach hinten versetzt. Wir sprechen später.“ Was er damit meint, bleibt unklar. Offenbar hat Ferrari den Start so geplant. Trotzdem: Es sah nicht so aus, als hätte sich Leclerc überhaupt gegen Vettel wehren können.
Trotzdem: Ferrari lässt nicht locker. Erneute Ansage an Vettel: „Charles versucht die Lücke zu schließen, lass ihn vorbei.“ Doch Vettel weigert sich weiter. Also gibt der Kommandostand auf. Ansage an Leclerc: „Der Platztausch kommt später.“
Christian Danner ärgert sich bei RTL über Ferrari: „Solche Absprachen halte ich für Blödsinn. Vettel ist einfach besser gefahren. Herrgott, so einen Blödsinn. Wenn Leclerc jetzt eine Chance hätte realistisch zu attackieren in Sachen WM... Aber so?“
Start
Ferrari führte vom Start weg - dann ging alles schief...
Vettel indes setzt sich ab, hat in Runde 15 schon 3,7 Sekunden Vorsprung auf Leclerc, der seinerseits nur drei Sekunden vor Hamilton liegt. Abstände die zeigen: Vettels Weigerung war richtig.
In Runde 16 soll Leclerc anfangen zu pushen. Hamilton bekommt den Hinweis: „Dein Reifenverschleiß ist gering, wir können 15 Runden länger draußen bleiben.“ Hamilton jammert: „Die Typen (von Ferrari; d. Red.) sind so schnell, Mann!“ Vettel hat in Runde 22 vier Sekunden Vorsprung auf Leclerc.
In Runde 24 greift Ferrari ins teaminterne Duell ein und will den Monegassen vor Vettel bugsieren: Leclerc kommt rein, darf den Undercut gegen Vettel vollziehen.
Runde 25: Vettel riecht den Braten, meldet schlechte Hinterreifen. Antwort: „Wir sind besorgt wegen Hamilton.“ Klar ist: Ferrari will Vettel keine neuen Gummis geben. Drei Runden musste Vettel warten, obwohl er sich mehrfach zum Stopp anmeldet. Erst in Runde 27 darf er zum Service. Und fällt hinter Leclerc zurück. Ferraris Plan geht auf.
Danner: „Ich garantiere, da schäumt einer im Auto und das ist Sebastian Vettel.“
Doch der Deutsche kommt gar nicht dazu, sich lange zu ärgern. „Ich habe keine Power“, warnt er seine Box – und stellt den Ferrari mit Hybridproblemen an. Folge: Das virtuelle Safetycar wird aktiviert. Hamilton kommt zum Reifenwechsel – und so vorbei an Leclerc.
Danner: „Man kann da nicht einfach so rumspielen bei Ferrari mit Vettel und Leclerc. Das rächt sich irgendwann.“
Weil George Russell seinen Williams in die Bande setzt, kommt nun auch das echte Safetycar raus. Ferrari wird nervös, beordert Leclerc erneut an die Box und zieht gebrauchte rote Reifen auf. Als Dritter kommt er hinter Bottas raus. Alle Drei fahren jetzt auf weichen Gummis.
Beim Restart bleibt alles gleich, aber Leclerc greift Bottas an. Vorbei kommt er allerdings nicht. Hamilton setzt sich ab, Bottas hält Leclerc auf. So bleibt es bis ins Ziel, wo die Silberpfeile einen unerwarteten Doppelsieg feiern.

Von

Frederik Hackbarth
Bianca Garloff