Sebastian Vettel ist beim Russland-GP in Sotschi zwar mit Hybridproblemen ausgeschieden, doch vorher herrschte Stallzoff bei der Scuderia!
Das war keine Glanzleistung von Ferrari. Sebastian Vettel ist beim Großen Preis von Russland in Sotschi mit Hybridproblemen ausgeschieden. Schlimmer noch: Es herrscht Stallkrieg bei der Scuderia!
Hintergrund: Nachdem der Heppenheimer seinen Teamkollegen Charles Leclerc am Start dank dessen Windschattens überholt hat, bekommt er mehrfach die Ansage zum Platztausch. Unverständlich. Der Deutsche weigert sich deshalb, hat immer eine Antwort parat. Und er setzt sich ab, hat zwischenzeitlich vier Sekunden Vorsprung auf Leclerc, der nicht folgen kann.
Also greift Ferrari in die Taktik-Trickkiste und bugsiert Leclerc durch einen früheren Boxenstopp an dem Vierfach-Weltmeister vorbei. Das Team lässt Vettel dafür drei Runden auf alten Reifen verhungern, obwohl der Heppenheimer sich zum Stopp anmeldet. Ferrari verarscht Vettel!
Lange ärgern kann sich der Hesse dabei nicht. Eine Runde nach seinem eigenen Pitstop muss er seinen Ferrari abstellen. "Bringt die verdammten V12-Motoren zurück", so Vettels letzte Nachricht am Funk.
Hinterher gibt er zu, dass er Ferraris Taktik nicht versteht. Vettel kryptisch: "Es war ziemlich klar. Ich hatte einen guten Start und denke, ich habe meinen Teil der Absprache eingehalten. So was wird dann intern besprochen. Danach habe ich mich wohlgefühlt, konnte den Vorsprung ausbauen. Plötzlich hatte ich keine Leistung mehr von der Batterie, mir fehlten 160 PS."
Bitteres Aus für Sebastian Vettel in Sotschi
Auf Nachfrage sagt Vettel zur Stallorder: "Ich hab's zu dem Zeitpunkt nicht verstanden, hab versucht,mein Rennen zu fahren. Ob es da einen Grund gab oder nicht, werden wir noch diskutieren."
Später wird klar: Leclerc glaubt, er hätte Vettel mit dem Windschatten bewusst und abgesprochen an Hamilton vorbeiziehen lassen und auch noch Platz eins verschafft – und deshalb den Platztausch verdient. Der Monegasse macht den Politiker, verrät: "Die Absprache war: Ich muss Seb am Anfang Windschatten geben und ihn in der zweiten Kurve vorbeilassen, damit wir Platz eins und zwei halten. Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll." Das würde heißen: Vettel hätte den Start in Sotchi nicht gewinnen dürfen – egal wie gut er gestartet wäre!
Ferrari-Teamchef Binotto versucht die Situation zu entschärfen: "Zusammen mit den Fahrern haben wir entschieden: Charles gibt Sebastian Windschatten. Das ist der beste Weg vorbei an Hamilton. Charles hat ihm den Windschatten dann gar nicht geben müssen, Seb hat ihn sich geholt. Das hat Seb dann wohl anders interpretiert als Charles." Zu Recht!
Und trotzdem greift Ferrari ein, auch wenn Binotto das abstreitet. Zu Vettels späterem Boxenstopp sagt er: "Länger draußen bleiben war aus unserer Sicht das Beste, um ein Safetycar zu covern." Auch wenn der Fahrer sich über verschlissene Hinterreifen beschwert? Vettel: "Das müssen Sie das Team fragen. Ich denke, der Funk hat funktioniert." Binotto aber beteuert: "Der Tausch war keine Absicht." Getreu dem Motto: Es kam per Zufall so, wie es kommen sollte. Fakt ist: Bei Ferrari ist man sich nicht darüber einig, worüber man sich vorm Start einig war.
RTL-Experte Christian Danner sauer: "Man kann ein Autorennen nicht mit Absprachen vorhersehen. Die Situation war klar: Sebastian hat nun mal einen Windschatten. Dass ihm Leclerc beim Überholmanöver nicht ins Auto fährt, ist normal. Die Absprache, Leclerc bleibt auf jeden Fall vorne, ist gefährlich und unnötig."
Und weiter: "Das ist Kindergarten. Man kann die Formel 1 nicht unter Kontrolle halten. Das ist Autorennen, da soll der Schnellste gewinnen. Wenn Leclerc wieder vorbei will, soll er schauen, wie er das schafft. Es gibt für Ferrari eigentlich keinen Grund so steuernd einzugreifen. Du schadest Dir nur selbst, wenn Du Deine zwei Topfahrer immer mit Vorab-Vorschriften belastest."
Fakt ist: Mercedes nutzt Ferraris Stallkrieg gnadenlos aus und holt den sechsten Silber-Sieg in Sotchi profitiert dabei von der durch Vettel ausgelösten virtuellen Safetycar-Phase.
Am Start nutzt Vettel Leclercs Windschatten, zwängt sich mit seinen weicheren Reifen erst am Zweitplatzierten Lewis Hamilton vorbei, saugt sich dann auch an Leclerc ran und zieht vor Kurve eins schon vorbei. RTL-Experte Christian Danner: "Das hätte nicht besser laufen können." Während der folgenden Safetycar-Phase bekommt Leclerc per Funk den ungewöhnlichen Hinweis, dass man über einen Platztausch nachdenkt.
In Runde sieben gibt's den nächsten überraschenden Funkspruch an Leclerc. "Sebastian wird Dich in der nächsten Runde vorbeilassen.“ Allein: Vettel bittet um weitere zwei Umläufe, um sich weiter von Mercedes abzusetzen. Für Ferrari keine Option: Erneut bekommt Vettel die Ansage, Leclerc passieren zu lassen. Dessen Antwort: "Ich hätte ihn auch so gekriegt." Außerdem: "Sie sind noch zu nah dran."
Leclerc ärgert sich: "Ihr habt mich nach hinten versetzt. Wir sprechen später." Was er damit meint, bleibt unklar. Offenbar hat Ferrari den Start so geplant. Trotzdem: Es sah nicht so aus, als hätte sich Leclerc überhaupt gegen Vettel wehren können.
Trotzdem: Ferrari lässt nicht locker. Erneute Ansage an Vettel: "Charles versucht die Lücke zu schließen, lass ihn vorbei." Doch Vettel weigert sich weiter. Also gibt der Kommandostand auf. Ansage an Leclerc: "Der Platztausch kommt später."
Am Start zeiht Vettel vorbei an Teamkollege Leclerc
Christian Danner ärgert sich bei RTL über Ferrari: „Solche Absprachen halte ich für Blödsinn. Vettel ist einfach besser gefahren. Herrgott, so einen Blödsinn. Wenn Leclerc jetzt eine Chance hätte realistisch zu attackieren in Sachen WM ... Aber so?“
Vettel indes setzt sich ab, hat in Runde 15 schon 3,7 Sekunden Vorsprung auf Leclerc, der seinerseits nur drei Sekunden vor Hamilton liegt. Abstände, die zeigen: Vettels Weigerung war richtig.
In Runde 16 soll Leclerc anfangen zu pushen. Hamilton bekommt den Hinweis: "Dein Reifenverschleiß ist gering, wir können 15 Runden länger draußen bleiben." Hamilton jammert: "Die Typen (von Ferrari; d. Red.) sind so schnell, Mann!" Vettel hat in Runde 22 vier Sekunden Vorsprung auf Leclerc.
In Runde 24 greift Ferrari ins teaminterne Duell ein und will den Monegassen vor Vettel bugsieren: Leclerc kommt rein, darf den Undercut gegen Vettel vollziehen.
Runde 25: Vettel riecht den Braten, meldet schlechte Hinterreifen. Antwort: "Wir sind besorgt wegen Hamilton." Klar ist: Ferrari will Vettel keine neuen Gummis geben. Drei Runden musste Vettel warten, obwohl er sich mehrfach zum Stopp anmeldet. Erst in Runde 27 darf er zum Service. Und fällt hinter Leclerc zurück. Ferraris Plan geht auf. Danner: "Ich garantiere, da schäumt einer im Auto, und das ist Sebastian Vettel."
Doch der Deutsche kommt gar nicht dazu, sich lange zu ärgern. "Ich habe keine Power", warnt er seine Box – und stellt den Ferrari mit Hybridproblemen ab. Folge: Das virtuelle Safetycar wird aktiviert. Hamilton kommt zum Reifenwechsel – und so vorbei an Leclerc. Danner: "Man kann da nicht einfach so rumspielen bei Ferrari mit Vettel und Leclerc. Das rächt sich irgendwann."