Formel 1: Hamilton knackt Rekord
Ist Hamilton jetzt besser als Schumi?

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Hamilton hat am Nürburgring seinen 91. Sieg geholt und ist mit Schumacher gleichgezogen. Ein Vergleichsversuch der beiden Top-Stars.
Bild: Mercedes
Als Mick Schumacher Lewis Hamilton den Helm seines Vaters überreicht, lässt das auch einen coolen Schweden nicht kalt. Mercedes-Vorstand Ola Källenius (51), der sich sonst lieber im Hintergrund hält und andere ins Scheinwerferlicht rückt, zeigt sich angesichts von Lewis Hamiltons 91. Sieg besonders emotional. „Es war ein purer Gänsehautmoment und eine sehr schöner Moment“, beschreibt Källenius, wie er die Szene erlebt hat, in der Mick Schumacher Mercedes-Star Hamilton einen Helm seines Vaters überreichte.
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Auch die Frage, wann der Vertrag mit Hamilton verlängert werde, beantwortete der Mercedes-Boss gerne – wenn auch etwas nebulöser. „Ich habe gehört, dass Toto Wolff und Lewis wegen Covid-19 noch nicht zusammenkommen konnten. Ich kann nur sagen, dass Lewis und Mercedes sehr gut zusammenpassen.“
Daraus lässt sich ableiten: Anders als Experten wie Nico Rosberg vermuten, hängt die Zukunft von Hamilton beim Automobilkonzern nicht automatisch mit der Zukunft des Teamchefs zusammen. Källenius weiß: Hamilton ist jetzt eine Legende, die man nicht als Repräsentant der Nobelmarke mit dem Stern verlieren sollte.
In der Tat: In der aktuellen Formel 1 gehen Hamilton mal abgesehen von Max Verstappen die Gegner aus. Was bleibt da sonst übrig, als weiter das Phantom Michael Schumacher zu jagen? Noch ist er mit sieben WM-Titeln der Rekordchampion. Noch: Denn Hamiltons siebter WM-Pokal in dieser Saison wird ihm nur noch zu nehmen sein, wenn er gleich mehrere Rennen ausfiele.

Hamilton bekam den Helm von Michael Schumacher
Bild: Mercedes
Einer, der Teamkollege von beiden war, ist Ex-Weltmeister Nico Rosberg. Der gebürtige Wiesbadener fuhr zusammen mit Schumacher im Mercedes-Werksteam von 2010 bis 2012 und dann mit Hamilton von 2013 bis Ende 2016. Rosberg schickt aber gleich voraus: „Als ich mit Michael zusammen fuhr, war der schon über seinen Zenit hinaus. Während ich Lewis auf dem Höhepunkt seines Schaffens erlebt habe.“ Rosberg weiter: „Lewis hat wahrscheinlich ein bisschen mehr Naturtalent als Michael. Lewis ist wahrscheinlich das größte Naturtalent, das unser Sport je gesehen hat. So macht er dann den Unterschied. Michaels Arbeitsethik war anders. Lewis macht viel mehr mit Instinkt, Michael aber war das komplette Paket. Er hat den Unterschied als Allrounder gemacht, mit akribischer Arbeit, Detailbesessenheit, Teamspirit, mit dem er in einer führenden Rolle ein Team aufbaut. Hart arbeiten: Das war Michaels größte Stärke. Und er war dazu noch ein Krieger.“
Eddie Jordan sieht dagegen Hamilton vorne. Der ehemalige Teamchef und heutige BBC-Experte gab Schumacher 1991 in seinem Jordan-Team die Chance zu seinem Formel-1-Debüt. Jordan zu AUTO BILD: „Grundsätzlich gibt es nur vier Piloten, die schon in jungen Jahren ein solches Talent, einen so unglaublichen Speed, ein solches Selbstbewusstsein gezeigt haben. Ayrton Senna, Michael Schumacher, Lewis Hamilton und Max Verstappen. Mit allen vier ist es, als hätte man in einer dunklen Kammer plötzlich das Licht angeknipst. Schon beim ersten Rennen bei uns stellte Michael den Ingenieuren bohrende Fragen, die mehr Forderungen waren als Bitten. Die gerieten schon damals unter gehörigen Druck. Das waren sie nicht gewohnt.“
Jordan weiter: „Ich glaube, dass es Lewis schwerer hatte, seine Titel zu holen. Michael hatte nie einen Teamkollegen, der gegen ihn fahren durfte. Zuerst spielte Eddie Irvine bei Ferrari seinen Helfer, dann Rubens Barrichello. Lewis musste sich immer erst gegen den Teamkollegen durchsetzen, hatte nie freie Fahrt vom Team. Das fing schon in seiner ersten Saison 2007 bei McLaren mit Fernando Alonso an.“
Jordan ist deshalb überzeugt: „Mit den Zugeständnissen, die Michael immer hatte, hätte Lewis definitiv auch schon sieben Titel und 100 GP-Siege. Denn 2016 hätte er mit einem unbeugsamen Nummer-1-Status à la Michael niemals die WM gegen Nico Rosberg verloren. Und ebenso nicht die Rennen, die Rosberg gegen ihn gewinnen durfte.“
Einer, der beide auf eine Stufe stellt, ist der heutige Formel-1-Sportchef Ross Brawn. Der Brite gewann als Technikchef von Ferrari fünf Fahrertitel mit Schumacher und war 2012 als Mercedes-Teamchef die treibende Kraft, die Hamilton zu den Silberpfeilen lockte. Brawn zu AUTO BILD: „Michael wollte immer mit den Ingenieuren arbeiten, Lösungen finden, war stets extrem motiviert. Besonders seine erste Runde nach dem Start war einzigartig. Er funktionierte immer perfekt wie ein Uhrwerk. Michael war ein sehr ehrgeiziger Mensch und ein extremer Kämpfer. Er hat seine sieben WM-Titel nicht geholt, weil er schnell aufgegeben hat. Zudem konnte er auch auf einzigartige Weise die Leute in der Fabrik antreiben.“
Hamilton sei vom Typ her völlig anders. Brawn: „Lewis ist einer, der den Menschen den Atem rauben kann. Ich hatte früher einen konservativen Blick auf das Leben, das ein Champion außerhalb der Rennstrecke zu führen hatte. Lewis hat mich eines besseren belehrt. Er liebt es, um die Welt zu reisen und zu Pop- und Modeveranstaltungen zu gehen. Ich bewundere seine Stärke, sein Ding so durchzuziehen und dabei den Erfolg zu haben. Für die Formel 1 ist es extrem wichtig, dass er genauso ist. Er wird auch in Zukunft die Messlatte sein, die übersprungen werden muss. Beide, Michael und Lewis, sind aber auf ihre Art einzigartig.“
Allein: Hamilton selbst macht sich gar keine so große Gedanken über die Jagd nach Michael Schumachers Rekorden. „Für mich ist das fast schon surreal“, geht der Brite in sich. „Früher sah ich Ayrton Senna und Michael Schumacher im Fernsehen. Jetzt bin ich plötzlich der Typ, den die Leute sehen. Wenn ich zuhause im Winter mit meinen Hunden auf dem Sofa liege, dann wird mir vielleicht bewusst, was ich schon heute erreicht habe.“
Hamilton vs. Schumi in der Bildergalerie: Diese Rekorde hat er schon, diese jagt er noch.
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