Formel 1: Helmut Marko im Interview
Neue Hoffnung hat Vettel verwandelt

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Red Bulls Motorsportberater spricht im Gespräch mit AUTO BILD MOTORSPORT über Sebastian Vettel, die Probleme bei Red Bull und die Hoffnungen für 2015.
Bild: Getty Images
Herr Dr. Marko, sehen wir dieses Wochenende in Spa wieder einen Sebastian Vettel, der nach der Sommerpause wie verwandelt zurückkommt. In Ungarn waren ja schon Ansätze des 'alten' starken Vettel zu sehen?
Helmut Marko: Davon gehe ich ganz stark aus. Sebastian kann wie kaum ein anderer seine Batterien neu aufladen. Es war extrem, wie er sich in den letzten Jahren gerade nach der Sommerpause nochmal steigern konnte. Aber schon beim letzten Rennen in Ungarn war dieser positive Trend schon zu erkennen. Aus gutem Grund: Denn in Budapest hatte er seit langem mal wieder ein problemloses Training. Er konnte sein Auto deshalb besser abstimmen und deshalb war er wieder stark. Diese Zeit hat ihm in den Rennen zuvor immer gefehlt. Man muss wissen: Sebastian will Sachen verstehen. Wenn er sie nicht versteht, dann grübelt er und grübelt er. In Ungarn fühlte er sich mit dem Auto wieder vereint. Im Rennen hatte er einfach Pech, da kam wieder mal alles zum falschen Zeitpunkt zusammen. Für mich steht fest, dass er rein von der Performance her das Rennen ebenso hätte gewinnen können wie Daniel Ricciardo. Das war übrigens bei Ricciardos erstem Sieg in Kanada auch schon so.
Können Sie die Kritik verstehen, die aufkam, weil Vettel sich in der ersten Saisonhälfte so schwer getan hat?
Kritik kann ich nur nachvollziehen, wenn sie konstruktiv ist und vor allen Dingen berechtigt. Die Kritik an Sebastian war zum größten Teil überzogen und unfair. Denn, nochmal: Man muss die Gründe erkennen, warum etwas nicht so läuft. Bei Vettel lag es zum größten Teil daran, dass es extreme Zuverlässigkeitsprobleme mit seinem Auto gab und wenn es dann mal lief, hatte er Pech. Ein schlechterer Fahrer als die Jahre zuvor war er jedenfalls nicht.
Die Strategie war auch nicht immer optimal...

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Trotzdem: Vettel hatte ja am Anfang der Saison seine Probleme, sich mit den neuen Regeln anzufreunden. Das tat er auch offen kund. Diese Unzufriedenheit macht einen ja nicht unbedingt besser.
Das stimmt. Aber das lag auch daran, dass er bei den Wintertests kaum zum Fahren kam. Das frustrierte ihn total. In Australien gab es dann einen Megaschub, mit dem wir gar nicht so gerechnet hatten. Sebastian und wir glaubten, dass dieser Schub kontinuierlich weitegehen würde. Das war aber ein Irrglaube von uns. Weil Renault zwar die Standfestigkeit in den Griff bekam, aber parallel dazu nicht auch eine Steigerung der Leistung bewerkstelligen konnte. Deswegen waren wir, Sebastian im Besonderen, extrem enttäuscht darüber. Für einen Perfektionisten wie Sebastian ist das doppelt schwer zu akzeptieren. Sich damit abzufinden, hat eine gewisse Zeit gedauert.
Sie als einer der größten Vertrauten von Vettel: Wie oft mussten Sie quasi Seelenmassage betreiben?
Manchmal: Es gab Gespräche, klar. Man musste ihm klarmachen, sich mit der momentanen Situation abfinden zu müssen. Ihm also klar machen, dass man im Moment nicht siegfähig ist. Und ihm zusätzlich sagen: „Du kannst es im Moment nicht ändern, dass die Klasse des Fahrers durch das neue Reglement in dieser Saison eine kleinere Rolle spielt.“ Das ist auch so: Denn die ganzen Rookies, so gut sie auch sind, steigen nach einem Rennen aus, als wären sie auf einer Spazierfahrt gewesen. Durch die niedrigeren Kurvengeschwindigkeiten ist die körperliche Anstrengung wesentlich kleiner geworden. Nichts gegen Suzie Wolff: Aber es kann nicht sein, dass sie wie im freien Training in Hockenheim schneller fahren kann als ein viermaliger Weltmeister.

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Muss man die Autos dann nicht wieder schneller machen?
Ja, auf jeden Fall. Dass mit dem Benzinsparen muss aufhören. Formel-1-Autos sollten immer am Limit gefahren werden. Das, so denke ich, wollen auch die Fans sehen. Es kann auch nicht sein, dass alle Autos, die an einem GP-Wochenende an den Rahmenrennen teilnehmen, lauter sind als die Formel 1. Die Regeln müssen wieder einfacher gemacht werden. Da blickt doch keiner mehr durch. Dazu zählt auch der unsägliche Strafenkatalog. Wir sind nicht im Straßenverkehr, wo diese Strafen zur Abschreckung natürlich absolut Sinn machen. Die Rennkommissare greifen zu oft kleinlich ein. Sie sollten die Fahrer viel freier agieren lassen.
Wo nehmen Sie und Sebastian die Hoffnung her, dass spätestens 2015 der Red Bull wieder aus eigener Kraft siegen kann?
Weil Renault die richtigen Umstrukturierungen vorgenommen hat. Man hat eingesehen, dass es mit der alten Struktur nicht funktioniert hat. Es war ein strukturelles Problem, kein finanzielles. Wir werden die Zusammenarbeit mit Renault extrem vertiefen. Erst jetzt kann man von einer Kooperation reden, vorher war das nicht der Fall. Dazu gehört auch, dass man das neue Auto für 2015 gemeinsam entwickelt. Sebastian ist über jeden Schritt informiert. Dazu passt: Sebastian hat extra dafür einen Test auf unserem Motorenprüfstand in Graz gefahren und Sachen festgestellt, die beispielsweise die anderen Piloten, die dort vorher waren, nicht bemerkt haben. Das heißt, Sebastian bringt jetzt schon neue Ideen für die Verbesserung des Gesamtpakets für 2015 ein. Das gefällt ihm natürlich und macht Hoffnung.
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