Der Freitag in Baku ist sein Tag: Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko feiert runden Geburtstag - und das ganze Fahrerlager kommt gratulieren.
Helmut Markos Jubiläumstag startete stockend. "Zweimal mussten wir den kleinen Golfwagen wechseln, weil er auf dem Weg vom Hotel zur Rennstrecke stehenblieb", grinste der Red-Bull-Motorsportberater und erklärte seine verspätete Ankunft im Fahrerlager. Erster persönlicher Gratulant war Red-Bull-Teamchef Christian Horner, der ihm zwei Päckchen gab - eins mit schriller Verpackung in pink. Dann gratulierte Max Verstappen. Danach war der "Doktor" erst mal damit beschäftigt, die zahlreichen Glückwunsch-SMS zu beantworten. Bei Nummer 13 hörte er auf, um sich sich endlich seinem Tagesgeschäft zu widmen - was unter den Umständen heute schwierig war.
Auch Sebastian Vettel zählte zu den Gratulanten
Denn: Der 75. Jahrestag der österreichischen Motorsportlegende war auch DAS THEMA im Baku-Fahrerlager am Freitag. Ständig kamen Gratulanten zur Red-Bull-Box und würdigten den Grazer. Sein ehemaliger Schützling Sebastian Vettel hatte natürlich auch an den Geburtstag seines Mentors gedacht. Weil er nicht zu viel Aufwand und Rummel wollte, schickte er seine Assistentin Britta Roeske zum Doktor und bat ihn, zu seinem Fahrerraum in der Ferrari-Hospitality zu kommen. Das tat Marko auch zugleich und bestieg die steile Treppe von der benachbarten Ferrari-Hospitality unter den erstaunten Blicken der Ferrari-Angestellten. Nach zehn Minuten kam Marko wieder aus Vettels Fahrerraum. Unter dem Arm hatte der Kunstsammler ein sicher verpacktes Paket in der Hand, das von Größe und Form ein kleines Gemälde hätte sein können. Marko wollte sich aber nicht dazu äußern. "Das ist privat!"
Red Bull präsentierte ihm einen Kuchen, dafür einen ganz speziellen. Ein Foto von Helmut Marko vor seinem Le-Mans-Sieger-Porsche von 1971 wurde von einem Konditor mit viel Liebe zum Detail aus buntem Marzipan aufbereitet. Marko war sichtlich gerührt, als er unter den Augen von Christian Horner und den Piloten Max Verstappen und Daniel Ricciardo die Torte ganz bedächtig anschnitt.
Runder Geburtstag: Helmut Marko feiert seinen 75.
Warum der Doktor im Mittelpunkt stand, hat mit seinem Charisma und seinem Werdegang zu tun. Ein Vergleich: Sein Landsmann und Teilzeitfreund (hängt immer von den Ereignissen bei den Rennen ab) Niki Lauda gilt in der Szene als „ungebildeter Intellektueller“, weil er sein Abitur fälschte, sich nur für Dinge interessiert, die ihn selbst betreffen und immer das macht, was sein Bauchgefühl ihm sagt - was fast immer richtig ist. Helmut Marko aber ist der wahre Intellektuelle. Der zuerst seinen Doktor in Rechtswissenschaften machte, bevor er sein erstes Formel-1-Rennen fuhr. Der Bücher auf den Flügen liest und keine Motorsport-Literatur. Der eine von Fachleuten geschätzte Kunstsammlung hat. Dem Hotels in Graz gehören. Der immer für Tierheime spendet, zum Beispiel regelmäßig für ein Katzenhaus in Graz. Und der mit 75 Jahren noch einen Körper hat, dass jedes Fitness-Magazin ihn als Ratgeber für ewige Jugend engagieren müsste.
Markos Biographie in Kurzform: Er fuhr Nachwuchs-Formel-Rennen, gewann die 24 Stunden von Le Mans und wurde als Nachfolger des legendären Jochen Rindt gesehen, als der 1970 nach seinem Unfalltod in Monza 1970 posthum Weltmeister wurde. Rindt war sein Jugendfreund. Beide kamen aus Graz, sie waren zusammen im Internat und fuhren ohne Führerschein mit einem Schrottwagen schon mit 15 Jahren am Limit heimlich über Weinberge. 1972 fuhr Marko BRM, stand auf dem Sprung zu Ferrari, den aber dann ein schrecklicher Unfall verhinderte.
Alte Liebe: Marko posiert vor seinem Le-Mans-Auto
Beim GP von Frankreich in Clermont-Ferrand 1972 fuhr er hinter dem Schweden Ronnie Peterson her. Dessen Auto wirbelte einen Stein auf, der Markos Visier wie eine Gewehrkugel zerschlug. Er erzählt mir: "Es hat gedauert, bis der richtige Arzt kam. Der Unfall war etwa 20 Minuten nach dem Start, also gegen 14:20 Uhr. Und erst um 20:00 oder 21:00 Uhr abends kam der richtige Arzt. Da ging so viel durcheinander. Erst haben sie mich ins falsche Krankenhaus gebracht, dann in das andere. Sie mussten den Arzt anrufen, der für Augenverletzungen zuständig war. Er war jedoch bei einer Grillparty. Das alles würde einem keiner glauben. Im Krankenhaus haben sie mir gesagt: "Sie sind kein Franzose, sie haben keine passende Krankenversicherungskarte, deshalb müssen Sie bezahlen." Ich hatte große Schmerzen. Das Auge konnten sie jedenfalls nicht mehr retten."
Danach war seine aktive Karriere beendet. Und, was kaum jemand weiß, er bereite damit den Weg für Niki Lauda. Lauda sagte mir: "Ohne Helmut wäre ich nie Weltmeister geworden. Warum? Weil ich 1973 nur zu BRM konnte, weil Helmut den Unfall hatte und BRM einen Ersatz brauchte. Ich bekam das Auto und fuhr 1973 in Monaco vor den Ferraris rum. Daraufhin wollte mich Enzo Ferrari engagieren."
Helmut Marko im Gespräch mit Juan-Pablo Montoya
Lauda wurde dann dreimal Weltmeister. Marko aber konnte nie vom Motorsport ablassen. Zuerst beriet er Gerhard Berger, dann gründete er ein DTM-Team, wurde mit Karl Wendlinger deutscher Formel-3-Meister (vor Michael Schumacher), stieg dann später mit einem Team in die Formel 3000 ein. Mit seiner Entdeckung Juan-Pablo Montoya. Als Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz ihn fragte, ob er sein Motorsport-Chef werden wolle, zögerte er nicht lange. 2005 kaufte Red Bull das Team von Jaguar und machte Formel 1. Der Rest ist jetzt schon Geschichte...