Morgen fährt die Formel 1 ihr 1026. Qualifying der WM-Geschichte, auf der Highspeedstrecke in Monza. Auf den Tag genau vor 50 Jahren kam es – ebenfalls in Monza – zum 194. Qualifying der Historie. Und es war eines, das Geschichte schrieb, allerdings traurige Geschichte.
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Beim Anbremsen auf die Parabolica-Kurve, den schnellen Rechtsbogen vor Start- und Ziel, bricht am Lotus-Ford Cosworth 72 von Jochen Rindt die rechte vordere Bremswelle. Rindt schlägt in die Streckenbegrenzung ein. Das Auto ist völlig zerstört, seine Beine ragen aus dem Wrack.
Einer der ersten Fahrer an der Unfallstelle ist Jackie Stewart – ein Kämpfer für mehr Sicherheit in der Formel 1. „Ein Fuß war fast abgerissen, aber es kam kein Blut heraus. Daher war mir klar, Jochen ist tot. Denn das hieß, dass keim Herz mehr schlägt“, so der Schotte. Offiziell stirbt Rindt im Krankenhaus.
Angst vor einem Feuerunfall
Todesursache: Eine am Armaturenbrett aufgerissene Halsschlagader sowie ein eingedrückter Brustkorb. Offenbar hat Rindt die Sicherheitsgurte nicht vorschriftsgemäß angebracht – aus Angst vor einem Feuerunfall. Eine Angst, die nicht unbegründet war: Erst wenige Wochen zuvor starb Piers Courage beim Holland-GP im Feuer und Rindt selbst entkam den lodernden Flammen im Training zum Indy 500 im Jahr 1967 zwar unversehrt (im Rennen wurde er noch 24.), aber doch mit einem ordentlichen Schrecken.
Er starb und wurde Weltmeister
Jackie Stewart übergibt den WM-Pokal an Jochen Rindts Witwe Nina
Der Todt von Jochen Rindt stürzt die Formel 1 in Trauer. Rindt ist Tabellenführer – vor allem aber: Rindt ist beliebt, der erste Popstar der Formel 1. Mit der hübschen Nina an seiner Seite und oft mit Zigarette im Mund und Sonnenbrille auf der markanten Nase. Am Ende reicht der Vorsprung, den er sich durch fünf Siege erkämpft hat, um posthum zum Weltmeister ernannt zu werden. Jacky Ickx im Ferrari ist geschlagen, aber „ich bin froh darüber. In diesem Jahr hätte ich nie Weltmeister werden wollen“, sagt der Belgier, der als einer der größten Allround-Motorsportler der Geschichte gilt.
Ein Allrounder ist Rindt auch. Am 18. April 1942 erblickt er in Mainz mitten im Zweiten Weltkrieg das Licht der Welt, als Sohn einer Österreicherin und eines Deutschen. Beide Eltern betreiben eine Gewürzmühle, sterben aber bei einem Bombenangriff 1943. Als Waise wächst Rindt bei seinen Großeltern in Graz auf.
Dort lernt er den heutigen Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko auf der Privatmittelschule in Bad Aussee kennen. 1961 beginnt Rindt mit ersten Rennen, drei Jahre später fährt er beim Österreich-GP mit einem von Rob Walker privat eingesetzten Brabham-BRM das erste Formel-1-Rennen.
1965 bis 1967 fährt er für Cooper und kann mit einigen Podestplätzen überzeugen. Außerdem gewinnt er mit einem von NART genannten Ferrari 1965 gemeinsam mit Masten Gregory die 24 Stunden von Le Mans – der bisher letzte Ferrari-Gesamtsieg beim Langstreckenklassiker. Rindt fährt auch das Indy 500 und  gewinnt diverse Formel-2-Rennen – damals oft mit hohen Preisgeldern dotiert.
Eigenes Formel-2-Team schon fix
All diese Erfolge bringen ihm 1968 einen Platz bei Brabham ein. Das Team von Jack Brabham, der noch selbst ins Steuer greift, holt in den beiden Jahren zuvor den Weltmeistertitel, aber just als Rindt andockt, geht Brabham die Puste aus: zwölf Rennen, zehn Ausfälle, zwei Podestplätze.
Lotus lockt Rindt 1969 ins Team. Es ist ein Top-Rennstall, aber die Autos kennen keine Grenze zwischen Genie und Wahnsinn. Beim Spanien-GP 1969 kollabieren die Flügel an Rindts Auto, er bricht sich das Nasenbein und zieht sich eine Gehirnerschütterung zu. Lange kämpft er mit Seh- und Gleichgewichtsstörungen. Rindt: „Mit Lotus kann ich Weltmeister werden oder sterben.“
Ein Satz, der zeigt, wie cool Rindt ist. Der aber auch zeigt: Rindt weiß um die Gefahr. Noch schlimmer: Seine Familie drängt ihn zum Rücktritt. Rindt ist nicht abgeneigt, aber 1970 will er noch den Titel holen. Danach soll Schluss sein, die Rekorde von Jim Clark jucken den mit österreichischer Rennlizenz startenden Rindt kein bisschen: „Warum auch? Schau, wo Clark jetzt ist.“ Er verunglückte 1968 tödlich.
Rindt dominiert die Saison 1970. Gemeinsam mit seinem Kumpel, dem späteren Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, gründet er ein Formel-2-Team, das er – dann im Ruhestand – 1971 in die Formel 1 bringen will. Helmut Marko erinnert sich: „Es war alles geregelt. Ich sollte gemeinsam mit Emerson Fittipaldi im Team fahren.“
Das Schicksal will es leider anders...

Von

Michael Zeitler