Glückliche Gesichter sieht man in der F1-Motorenschmiede von Renault in Viry-Châtillon im Moment selten – und das, obwohl die Franzosen zuletzt viermal in Serie den Titel holten. Mit den neuen Regeln der Saison 2014 sind die Voraussetzungen jedoch auf einmal andere: An der Spitze hat eine Wachablösung stattgefunden, Mercedes hat die Nase vorne. „Es ist kein Geheimnis, dass wir mit unserem Auftritt nicht zufrieden sind“, gibt Renault-Cheftechniker Rob White im Gespräch mit AUTO BILD MOTORSPORT unumwunden zu. Doch woher kommt der aktuelle Rückstand auf die Konkurrenz? „Wir konnten unseren internen Zeitplan bei der Entwicklung nicht einhalten und mussten Kompromisse eingehen“, klärt der Techniker auf.

Kein blinder Aktionismus

Rob White
Rob White weiß: Renault hat noch ordentlich Aufholbedarf beim Antriebsstrang
Auch räumt White ein, dass man die Herausforderung des neuen Reglements unter-, und die eigenen Kapazitäten bei der Lösung von Problemen überschätzt hat. „Daraus ergibt sich eine Diskrepanz“, so der Renault-Motorenmann, der allerdings klarstellt: „Wir haben nicht ein großes Problem, sondern viele kleine. Das kostet eben Zeit.“ Trotz aller Bitten um Geduld – AUTO BILD MOTORSPORT hat erfahren: Intern hat Renault das Ziel ausgegeben, schon bald wieder an Mercedes dran zu sein. "Realistisch gesehen sollten wir zu Beginn der Europasaison in Barcelona (11. 5.) alle Probleme gelöst haben. Red Bull erwartet von uns zu Recht einen konkurrenzfähigen Motor. Und den werden sie bekommen", so White, der allerdings auch um die Gefahren einer Hauruckaktion weiß und ob der Sensibilität der Aggregate vor unüberlegtem Aktionismus warnt. „Eine Änderung kann einen extremen Sprung nach vorn bedeuten. Du kannst aber auch von der Klippe stürzen. Es ist ein Balanceakt.“

Lob & Respekt für den Gegner

Gelingt dieser jedoch, ist er zuversichtlich, dass man Mercedes im Laufe der Saison noch fordern kann. „Ich hoffe sehr, dass wir das schaffen. Man muss aber auch anerkennen, dass sie einen guten Job gemacht haben“, zollt White dem derzeit übermächtigen Gegner Respekt. "Als uns bewusst wurde, dass wir unseren eigenen Zeitplan nicht einhalten können, haben wir gleichzeitig erkannt, dass Mercedes selbst unseren internen Zielen voraus war." Bei den Stuttgartern hört man das natürlich gerne. Whites-Pendant bei den Silberpfeilen ist Andy Cowell, seines Zeichens Leiter von Mercedes AMG High Performance Powertrains in Brixworth (GB). Im Gespräch mit AUTO BILD MOTORSPORT freut sich der Brite darüber, endlich einmal warme Worte über sein 'Baby' zu hören.

Cowell's geliebtes Monster

Mercedes-Motor
Zwischen 'Baby' & 'Monster', zwischen Genie & Wahnsinn: Der Mercedes-Motor anno 2014
Bisher wurde das Aggregat von Cowells Mannen wegen seiner Überlegenheit nämlich hauptsächlich als Monster-Motor bezeichnet. Cowell ärgert dieser Begriff. „Wenn, dann ist es ein Monster, das geliebt wird“, lacht der Brite, der erklärt: „So, wie die Power Unit jetzt arbeitet, lieben wir sie natürlich. Ich hoffe aber auch, dass unsere Konkurrenz sie weiter als Monster betrachtet.“ Beim Blick auf die nackten Zahlen darf Cowell diesbezüglich entspannt bleiben. Der 1,6-Liter-V6-Turbo von Mercedes soll zusammen mit den beiden Elektromotoren 850 PS generieren. Zum Vergleich: Das Renault-Paket produziert derzeit rund 80 PS weniger!

Von

Frederik Hackbarth
Bianca Garloff