Gestern abend kam im Fahrerlager von Malaysia ein Fahrermanager auf mich zu. Er schüttelte nur noch den Kopf. Fünf SMS habe er von Hardcore-Fans aus Deutschland bekommen. Sie haben den Fernseher abgeschaltet, weil das Rennen so langweilig war! Eins steht fest nach zwei Grand Prix der neuen Saison. Die Formel 1 hat ein Problem, und zwar ein gewaltiges. Grund ist aber nicht die lästige Sounddiskussion. Das Streiten darüber, ob die seit diesem Jahr verwendeten 1,6 Liter Turbomotoren zu leise sind. Das ist nur das Tüpfelchen auf dem i – und stört mich im übrigen auch nicht...
Kommentar zur Sound-Debatte: Nehmt die Ohrenstöpsel raus!
Lewis Hamilton
Lewis Hamilton in Sepang: Sieht so ein abgekämpfter Sieger aus? Wohl kaum...
Das Problem ist: Der gesamte Markenkern ist verloren gegangen. Die Formel 1 ist nicht mehr die MIT ABSTAND schnellste und brutalste Rennserie der Welt. Die Autos sind zu langsam, die Reifen steinhart, die Motoren zu zahm und das Racing mit DRS und Co. zu künstlich. Die Fahrer haben keinen Spaß mehr und die Zuschauer merken das. Pessimisten im Fahrerlager malten bereits Horrorszenarien an die Wand: „Wenn die Formel 1 so weiter macht, ist sie bald tot.“ Die Entdeckung der Langsamkeit war sogar auf dem Podium sichtbar. Obwohl der GP von Malaysia mit Temperaturen von bis zu 35 Grad und einer fast 60-prozentigen Luftfeuchtigkeit als einer der härtesten für die Fahrer gilt, war Sieger Lewis Hamilton die Anstrengung kaum anzumerken. „Wir fahren nicht mehr so schnell in die Kurven, deshalb ist es auch nicht mehr so anstrengend“, erklärte der Mercedes-Star.
Sauber-Pilot Adrian Sutil wird noch extremer. „Die Rundenzeiten, die wir heute in der ersten Runde gefahren sind, haben wir vor fünf Jahren sogar im Regen geschafft. Diese Entwicklung ist sehr schade.“ In der Tat: Die schnellsten GP2-Autos sind fast so flott wie die Hinterherfahrer in der Formel 1. Sutil ist neben Sebastian Vettel einer der wenigen Piloten, die Klartext reden. Wir hörten uns nach dem Rennen im Fahrerlager um. Die Mehrheit der Experten kritisierte die neue, langsame Formel 1 – und das mit extrem harten Worten. Offiziell allerdings wollte keiner Stellung nehmen.
Bianca Garloff
Reporterin Bianca Garloff berichtet von den Rennstrecken dieser Welt
Fest steht jetzt schon: Die Formel 1 hat sich mit ihren Regeln für 2014 selbst kastriert. Die „grüne“ Formel, wie sie die Automobilbehörde FIA eigentlich gut gemeint für dieses Jahr kreierte, tötet das bisherige Image der Königsklasse. Das Image, das Maß aller Dinge im Automobilbau zu sein und solche Biester zu bauen, die nur von den besten Piloten der Welt am Limit bewegt werden können. Dass Newcomer wie der Russe Daniel Kvjat oder Däne Kevin Magnussen auf Anhieb in die Punkte fahren können, liegt auch an den in der Leistung extrem kastrierten Autos der 2014er Generation.
Die Formel 1 muss jetzt schnell handeln. Und das geht meiner Meinung nach auch. Am einfachsten könnte man in punkto Reifen reagieren. Die Pirelli-Pneus sind derzeit viel zu hart. Ein Fahrer, den ich an dieser Stelle schützen will, weil Pirelli sich nach jedem kritischen Wort beim entsprechenden Team beschwert, sagt: „Diese Reifen sind eine Frechheit und der Königsklasse nicht würdig.“ Folge: Die Autos bieten kaum noch Haftung in den Kurven – man eiere nur noch herum. Mit aggressiveren bzw. weicheren Gummimischungen könnten die Rundenzeiten bis zu drei Sekunden schneller werden. Das wäre schon mal ein Anfang.
Die Formel 1 ist nicht mehr sie selbst
Die F1 hat viel von ihrem Glanz verloren: So richtig Gas geben dürfen die Mechaniker nur noch beim Anschieben der Autos in der Startaufstellung...
Zweite Maßnahme: Den Motoren mehr Freiheit geben. Mercedes-Motorenchef Andy Cowell gab im Interview zu: „Ohne Restriktionen könnten wir sicher weit mehr als 1400 PS aus den Motoren herausholen.“ Doch Benzindurchlaufmengen und andere Beschränkungen führen dazu, dass die aufgeladenen High-Tech-Motoren nur circa 40 Prozent der maximal möglichen Leistung abgeben dürfen. Lockert man beispielsweise die Spritfluss-Regel, kann das leicht 100 PS mehr geben. Mit sieben statt fünf Motoren pro Jahr ist das sicher möglich. Die Motoren würden in der Öffentlichkeit immer noch als effizient und dem Zeitgeist entsprechend angesehen. Und mit minimalen Änderungen im Turbo- und Auspuffbereich könnte man sicher auch den Sound etwas aufpeppen. Darüber sollten die Regelmacher jetzt mal nachdenken.