Er ist wieder da und scheinbar hat sich nichts geändert. Lässig schlendert Daniil Kvyat (24) durch die Box des Red-Bull-Juniorteams Toro-Rosso. Schlaksig kommt er daher, mit leichtem Überbiss, weil er die Zahnspange erst seit kurzem abgelegt hat, und schüchternem Lächeln. Filmt dabei mit dem Handy vor sich hin und kneift zum Gruß am Ende des Videoposts lässig ein Auge zu. Das soll heißen: Ich bin wieder da.
Kvyat
Daniil Kvyat (hier mit Franz Tost) ist zurück in der F1
Dabei wirkt er immer noch wie Sebastian Vettels kleiner Bruder, der ähnlich aussah, als er in seinem Alter war. Nur dass "Vettel 2" nicht aus dem hessischen Heppenheim stammt, sondern aus Ufa im tiefsten Ural. Bei seinem Heimrennen in Sotschi machte Red Bull jetzt offiziell, was Insider schon seit Wochen wussten: Nach einer Jahr Abstinenz hat ihn Red-Bull zurückgeholt in die Familie. Der Russe wird 2019 den Franzosen Pierre Gasly ersetzen, der dann wiederum den zu Renault abwandernden Australier Daniel Ricciardo als Teamkollege von Jahrhunderttalent Max Verstappen beim großen Toro-Rosso-Bruder Red Bull Racing vertreten wird.
Während der Saison 2017 hatte Red-Bull-Chefberater Helmut Marko Kvyat noch abgezogen, weil der junge Russe dem Druck der Formel 1 und seiner großen Erwartungshaltung scheinbar psychisch nicht mehr ganz gewachsen war. Sein Kopf stand seinem überragenden Talent zu oft im Weg. Der scheinbare Rausschmiss entpuppte sich aber jetzt eher als Denkpause, die Kvyat als Entwicklungsfahrer bei Ferrari nutzte, um zu reifen.
Ferrari
Ungewohntes Bild diese Saison: Kvyat in rot
"Ich bin froh ihn wieder im Team zu haben", sagt Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost, "er ist sauschnell und hat eine geradezu akrobatische Fahrzeugbeherrschung", beschreibt der Tiroler den mageren und im Gesicht ewig blassen jungen Mann aus dem Ural. Die extreme Fahrzeugbeherrschung zeigte Kvyat in Monza 2014 vor einem Millionenpublikum. Am Toro Rosso brach kurz vor der ersten Schikane eine Bremsscheibe. Mit sagenhaften Reflexen und Instinkt fing Kvyat bei weit über 300 km/h den schlingernden Toro Rosso ab und parkte ihn in der Auslaufzone, ohne irgendwo anzuschlagen.
Tost weiter: "Ich denke, in dem einen Jahr bei Ferrari ist er gereift. Dazu kommt: Er ist genau wie Vettel extrem fokussiert, hat großes Durchsetzungsvermögen. Er kommt aus Russland, nicht gerade einer Motorsport-Hochburg. Als Kind zog er schon nach Italien. Das macht das, was er schon bisher geleistet hat, noch wertvoller."
Force India
Kvyat letztes Rennen für Toro Rosso in Austin 2017
Für Red-Bull-Chefberater Helmut Marko ist der Vergleich mit Vettel kein Zufall. Der Grazer, der Sebastian Vettel entdeckt und gefördert hat und bei Red Bull unter anderem für das Nachwuchsprogramm verantwortlich ist, sieht Parallelen: "Kvyats Speed ist außergewöhnlich. Für mich ist Daniil eine Mischung aus Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel."
Was noch nicht sicher ist: Wer 2019 Kvyats Teamkollege bei Toro Rosso wird. Ob der Neuseeländer Brendon Hartley eine weitere Chance erhält, seiner netten Art auch schnelle Runden folgen zu lassen, gilt als zweifelhaft. Hartley war zu oft viel langsamer als sein zu Red Bull aufsteigender Noch-Teamkollege Gasly.
Einen Favoriten für Tost gibt es aber schon. Der Österreicher macht kein großes Geheimnis daraus, dass er am liebsten das deutsche Talent Pascal Wehrlein verpflichten würde. Wehrlein ließ 2016 und 2017 in seinen beiden Formel-1-Jahren bei Manor und Sauber trotz unterlegenem Material mehr als einmal sein außergewöhnliches Talent aufblitzen. Rückendeckung erhält Tost von Marko, der Wehrlein ebenfalls gerne bei Toro Rosso hätte.
Hartley
Für Brendon Hartley wird es eng mit einem Verbleib
Noch gibt es aber eine Hürde zu überwinden und die heißt Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz. Der muss zumindest die Fahrervorschläge bei seinen Teams abnicken. Bisher kannte er bei Wehrlein keine Gnade, weil Mercedes-Junioren für den genialen aber sturen Geschäftsmann immer ein mindestens so rotes Tuch waren wie Coca-Cola-Dosen.
Das aber könnte sich geändert haben, seit sich Wehrlein vor vier Wochen trotz großem Druck und immensen Widerständen von Mercedes und dort speziell von Alleinherrscher Toto Wolff getrennt hatte. Das sollte Mateschitz eigentlich beeindrucken, sollte ihn der Mut und der Widerstand des tapferen Wehrlein mit seinem Allem-zum-Trotz-Verhalten doch an seine eigene Vergangenheit erinnern.
Mateschitz setzte sich Anfang der 90er gegen den schier als unbezwingbar geltenden Getränkekrösus Coca Cola durch, die alles versuchten, dass Red Bull nicht auf den Markt kommt. Red Bull ist heute eine Weltmarke und bei jungen Leuten sogar bekannter als die Marke mit den roten Dosen aus den USA.

Von

Ralf Bach