Drei Mercedes an der Spitze sind einer zu viel - selbst für Niki Lauda: Als sich das von Mercedes gestellte Safety Car vor Nico Rosberg, Ferraris Sebastian Vettel und Lewis Hamilton am Sonntag beim Großen Preis von Monaco wenige Runden vor Schluss auf der Strecke einfand, klappte am Mercedes-Kommandostand ob der Reihenfolge der Top-3 die ein oder andere Kinnlade runter. Es war der große Aufreger beim Saisonhighlight der Formel 1 in den Häuserschluchten von Monte Carlo. Mit einer wenig nachvollziehbaren taktischen Entscheidung kosteten die Silberpfeile den überlegen führenden Hamilton den Sieg beim Prestige-Rennen. Mercedes-Aufsichtsratsboss Niki Lauda war nach der Zieldurchfahrt, trotz des Sieges seines Schützlings Rosberg, nur wenig Freude anzusehen. Der Österreicher wusste, was nun gleich auf das Team zukommen würde.
Rosberg zollt Hamilton Respekt: Lewis hätte den Sieg verdient gehabt

Lowe hätte entscheiden müssen

Lauda
Niki Lauda beobachtete das Handeln seines Teams in Monte Carlo mit kritischem Auge
„In der Tat ist bei mir die Sorge über die strategische Fehleinschätzung bei Lewis im Moment noch größer als die Freude über den Sieg von Nico“, musste Lauda zähneknirschend einräumen. Trotz des dritten Erfolgs in Serie von Silberpfeil-Star Rosberg in dessen Wahlheimat Monaco, überwogen in Bezug auf Mercedes am Sonntag die negativen Schlagzeilen. Auch Lauda war sich dessen bewusst und stellte sich im Anschluss an den wichtigsten Grand Prix des Jahres daher nicht nur der Kritik an seinem Team, sondern ging auch gleich selbst hart mit seinen Mannen ins Gericht. „Wir hören uns alle Argumente aller Beteiligten an. Aber ich habe schon immer gesagt: Zu viele Köche verderben den Brei“, machte Lauda keinen Hehl daraus, dass er wenig begeistert von den Vorfällen in Monte Carlo war.
Der Wiener sah das Problem in der Kommunikation seines Teams liegen und beklagte eine mangelnde Struktur. „Alle Strategen diskutieren miteinander. Aber keiner sitzt da, der dann eine - und zwar die richtige - Entscheidung trifft“, gab Lauda Einblick in das Innenleben der Silberpfeil-Box. Auch mit Kritik an seinen unmittelbaren Kollegen, wie etwa Teamchef Paddy Lowe, sparte der 66-Jährige nicht. „Ich denke, er hätte sich über die Entscheidung der anderen hinwegsetzen müssen und sagen, dass Lewis nicht zum Stopp hereinkommt.“ Erst einmal in Rage, fügte Lauda an: „Was mich so ärgert und ich nicht verstehe: Es war in der entscheidenden Situation überhaupt kein Druck da – weder zeitlich noch durch die Gegner. Man hätte überhaupt nichts machen müssen, weil wir sowieso in Führung lagen.“

Hamilton wollte stoppen

Rosberg
Als Rosberg und Vettel erst einmal an Hamilton vorbei waren, konnte der Brite nicht mehr antworten
Daran, dass den Entscheidern am Kommandostand und den sonst so klugen Köpfen im Strategy-Room noch unangenehme Stunden bevorstehen, ließ Lauda keine Zweifel aufkommen. „Toto (Wolff, Mercedes-Motorsportchef; d. Red.) redet aktuell mit allen Beteiligten und hört sich alles an. Und das werden wir dann am Montag in der Fabrik in England aussortieren.“ Im Fokus der Kritik stand logischerweise auch James Vowles, der Chefstratege der Silberpfeile. „James sagt, dass er - im Nachhinein gesehen - einen Fehler gemacht hat. Er sieht das alles ein“, berichtete Lauda, der jedoch weiter ging: „Wir müssen überlegen, wie wir zu diesem Fehler gekommen sind. Ich habe die ganzen Diskussionen während des Rennens ja mitgehört, aber so etwas darf einfach nicht passieren.“
Ohne Not hatte Mercedes Hamilton zu einem zusätzlichen Stopp beordert und dabei wohl unterschätzt, wie schnell die Verfolger Rosberg und Vettel trotz des Safety Cars zum Führenden aufschließend würden. Hamilton musste sich daher am Ende der Boxenausfahrt knapp hinter den beiden Deutschen auf Rang drei einordnen – so ging es anschließend auch ins Ziel. Hamilton selbst stehe für die Entscheidung zwar nicht in der Verantwortung, Lauda gab jedoch immerhin zu bedenken: „Lewis hat das Ganze ausgelöst oder zumindest mitangestupst, weil er gesagt hat, dass sein Satz Reifen nicht mehr gut ist und er, wenn möglich, wechseln möchte.“
Mercedes kostet Hamilton Sieg: Heimspiel-Hattrick für Rosberg

Selbst Verstappen kriegt sein Fett weg

Hamilton
Enttäuschung pur: Hamilton erlebte am Sonntag in Monaco eine seiner bittersten Niederlagen
Die Berechnung der Möglichkeit eines Zusatzstopps fiel jedoch in den Aufgabenbereich der Strategen und diese verzockten sich. „Lewis ist Profi genug. Er weiß: Fehler können passieren und er ist Teil des Teams“, wollte Lauda von Klagen Hamiltons nichts hören. Gleichzeitig fügte er aber auch an: „Man wird ihm das Zustandekommen nun erklären und sich dann entschuldigen müssen. Anders kommt man aus dieser Nummer nicht heraus“, so der Österreicher. „Wir müssen sagen: ‚Es war ein Fehler, Entschuldigung. Und jetzt vergessen wir das und versuchen den Fehler nie wieder zu machen.’ Das ist für mich die Lösung und die wird Lewis auch verstehen und beruhigen.“
Das Team werde jedenfalls seine Herangehensweise gründlich überprüfen, versicherte Lauda. „Die Zukunft ist einfach. Es muss da oben einer sitzen, der die Entscheidung trifft, wenn alle Strategen sich zu Tode reden – und das tun sie oft“, erklärte der Österreicher sichtlich angefressen, der neben seiner Mercedes-Truppe auch den Grundauslöser für die Kontroverse, Unfallverursacher Verstappen, rüffelte. Der 17-jährige Rookie hatte mit seinem Abflug das Safety Car erst auf den Plan gerufen. „Verstappen ist zu unerfahren, das hat man heute gesehen. Er ist brutalst auf Grosjean aufgefahren, ein Anfängerfehler. Und er hat großes Glück gehabt sich bei dieser Geschwindigkeit nicht zu verletzten, wenn sogar die Leitschiene bei dem Aufprall kaputtgegangen ist.“

Rundumschlag auch gegen Rennleitung

Mercedes
Rosberg ließ den Stern in Monaco zum dritten Mal in Folge strahlen, doch hinter den Kulissen gab es Ärger
Dass die Rennleitung anschließend erst das virtuelle Safety Car ausrief, nur um dann kurze Zeit später doch das richtige Schrittmacherfahrzeug auf die Strecke zu schicken, war Lauda ebenso ein Dorn im Auge. „Das stört mich schon seit langem. Das virtuelle Safety Car wurde nach dem Bianchi-Unfall letztes Jahr eingeführt, um bei schlechtem Wetter zu verhindern, dass die Fahrer erst einmal weiter Gas geben. Aber hier war das nicht notwendig. Man hätte sofort das normale Safety Car rausschicken müssen, denn das virtuelle ist nur für die Theorie gut.“ Und offensichtlich, um zur Verwirrung am Mercedes-Kommandostand beizutragen. Doch Lauda stellte auch klar: „Für unseren Fehler ist das keine Entschuldigung.“

Von

Frederik Hackbarth