Nach 37147 Testkilometern ist klar: Trotz der absoluten Vettel-Bestzeit auf Hypersoft-Reifen ist Mercedes auch in diesem Jahr wieder die Messlatte. Die Bestzeiten überließen die Silberpfeile anderen. Nur einmal war man Tagesschnellster. Doch genau das sollte der Konkurrenz zu denken geben. Lewis Hamilton protzte: „Wir haben noch nicht mal abgetankt.“ Auffällig auch: Mercedes hatte auch die hyperweichen Reifen nicht Gepäck. Alle Renndistanzen schrubbte man auf Medium ab – in der Realität wäre das allerdings illegal. Ein Insider: „Wir wissen auch so, wie sich die anderen Reifen verhalten. Kein Grund sie zu fahren.“ Selbstbewusster geht nicht.
Ferrari
Ferrari vor Mercedes? Das wird zum Auftakt schwer...
Wie groß der Abstand zu Ferrari wirklich ist, zeigt der Vergleich der Rennsimulationen von Sebastian Vettel und Valtteri Bottas, die unter ähnlichen Bedingungen absolviert wurden. Auf 65 Runden war Bottas (ohne Stopps sowie In- und Outlap) rund 24 Sekunden schneller, beide simulierten ein zwei Stopp-Rennen. Bottas fuhr wie gesagt nur mit Medium-Pneus, Vettel den ersten Stint (zwölf Runden) mit Supersoft, danach mit Medium. Interessant dabei: In den ersten zwölf Runden verlor Vettel 5,5 Sekunden auf Bottas. Bis zu seinem zweiten Stopp in Runde 40 insgesamt nur noch knapp eine Sekunde, da waren sie quasi gleichauf. Von Runde 41 bis ins Ziel nimmt Bottas ihm aber 18 Sekunden ab. Beide fuhren neuen Medium-Reifen, doch während Bottas im Durchschnitt 1.19,8 Minuten pro Runde fuhr, musste Vettel sich mit 1.21er-Zeiten begnügen. Macht im Durchschnitt eines Grand Prix fast 0,5 Sekunden pro Umlauf.
Der Verdacht: Vettel musste gegen Ende seines Rennens mehr Sprit sparen als Bottas. Fakt ist: Bereits im Vorjahr verbrauchte der Mercedes-Antrieb weniger Benzin als der spritschluckende Ferrari-Motor, konnte deshalb auch mit rund fünf Kilo weniger Gewicht an Bord ins Rennen gehen. AUTO BILD MOTORSPORT erfuhr: 2018 soll man den Verbrauch bei Mercedes noch einmal um zehn Kilogramm pro Rennen gesenkt haben – bei gleichzeitiger Leistungssteigerung um rund 50 PS. Damit dürfte Mercedes nun auch die 1000-PS-Schallmauer knacken. Ferrari ist davon noch rund 20-30 PS entfernt.
Mercedes
Der Silberpfeil läuft schon wieder wie ein Uhrwerk
Mercedes-Motorchef Andy Cowell zu AUTO BILD MOTORSPORT: „Der Antrieb kann durch Effizienz bei der Verbrennung und Reduzierung der Reibung immer noch stärker werden.“ Angeblich haben er und sein Team den Hybridmotor komplett neu angeordnet. Cowell: „Es geht ja auch um die beste Integration ins Auto und da haben wir eine Reihe von Dingen verändert.“
Bei der Konkurrenz herrscht jetzt schon allergrößer Respekt vorm neuen Wundertriebwerk der Silberpfeile. Sebastian Vettel schüttelte nur den Kopf, als er die neuesten Zahlen hörte. Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko weiß: „Das Besondere am Mercedes ist der Motor.“ Dabei liegt auch das Chassis auf der Straße wie ein Brett, beide Fahrer konnten in Barcelona nicht nur Kurve drei, sondern mittlerweile auch Kurve neun mit Volldampf durchfahren. Bottas: „Die Schwächen des Autos sind weg.“ Vettels Aussage dagegen zeugt nicht von allzu großer Selbstsicherheit: „Wir müssen noch einige Rätsel verstehen.“
Red Bull
Red Bull präsentiert sich bislang in Angriffslaune
Noch besser als beim Silberpfeil soll das Chassis von Red Bull sein. Beobachter an der Strecke schwärmen davon, wie früh Daniel Ricciardo und Max Verstappen aufs Gas gehen und wie spät sie bremsen können. Auch die Zuverlässigkeit stimmt. Marko: „Unser Chassis ist eine Sensation. Insgesamt sind wir mit dem Auto sehr zufrieden. Wie gut es wirklich ist, sehen wir in Australien.“ Der Grund: Red Bull verzichtete auf echte Rennsimulationen und auch auf Qualifyingrunden. Dazu kommt: Nach Melbourne bringt Renault noch einmal einen neuen Motor. Wenn der so stark ist wie angekündigt und gleichzeitig auch hält, dürfte Red Bull erster Mercedes-Jäger werden.
Dahinter balgen sich Renault, Toro-Rosso-Honda, Haas-Ferrari und McLaren-Renault um Platz vier. Jedes Team hat Stärken und Schwächen. Dass der neue McLaren schnell ist, zeigte Fernando Alonso mit einer 1.17er-Runde am letzten Testtag. „Das Auto trägt gute Gene in sich“, hatte er schon vorher frohlockt. Allein: Sechs Defekte in acht Tagen sind ein deutliches Warnsignal. Der neue MCL33 ist viel zu kompakt und kompliziert gebaut. Mal wieder opferte man Zuverlässigkeit und Komfort für eine gute Aerodynamik.
McLaren
McLaren bleibt auch ohne Honda das F1-Sorgenkind
Zu den Überraschungskandidaten zählen Haas und Toro Rosso. Der Honda-Motor fühlt sich im Auto des Red Bull-B-Teams offenbar pudelwohl. Insgesamt spulte man mehr als 800 Runden ab. In der zweiten Woche hielt ein Antrieb alle vier Tage durch, nachdem in Woche eins noch die beste Spezifikation aus drei verschiedenen Modellen ausgewählt wurde. Zum Saisonstart will Honda noch einmal bei den PS nachlegen. Längst heißt es im Fahrerlager, dass McLaren für Hondas Probleme verantwortlich war – nicht umgekehrt.
Haas ist die Überraschung des Testwinters. Im direkten Vergleich und den Reifenfaktor rausgerechnet, lag der Kunde nur zwei Zehntelsekunden hinter Mutterteam Ferrari. Das trieb Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene und Technikchef Mattia Binotto die Sorgenfalten auf die Stirn.
Force India und Williams-Mercedes kämpfen noch mit Problemen – finanzieller und fahrerischer Natur. Beim rosa Renner machen sich die Geldprobleme von Inhaber Vijay Mallya langsam auch an der Performance bemerkbar – auch wenn nach Australien noch einmal neue Teile bringen will. Bei Williams können die beiden jungen Piloten Lance Stroll und Sergey Sirotkin Probleme mit dem Abtrieb einfach nicht umfahren. Absolutes Schlusslicht ist Alfa-Romeo-Sauber. Hier ist die Frage nur, wie groß der Abstand zum zweitschlechtesten Team wird. Für Ferrari-Junior Charles Leclerc wird das kein einfaches Jahr.

Von

Ralf Bach
Bianca Garloff