Ist das als Warnung an Red Bull und Ferrari zu verstehen? „Unsere Teamkollegen in Brixworth haben während der F1-Sommerpause durchgearbeitet, um die Performance und Zuverlässigkeit unserer Power Unit zu verbessern“, verrät Mercedes-Teamchef Toto Wolff in seiner Vorschau auf den GP Belgien.
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Hintergrund: Während der Sommerpause müssen die Teams ihre Chassisfabriken für 14 Tage schließen. Die Motorproduktion ist davon nicht betroffen.
In Brixworth steht die Motorfabrik der Silberpfeile. Kaum zu glauben, aber wahr: Den Antrieb hat Mercedes 2019 im Vergleich mit Ferrari als Schwachstelle identifiziert. Deshalb hat man nun ausgerechnet vor den Power-Strecken in Spa und Monza noch einmal nachgelegt!  

Hier erklärt Mercedes, wie das geht. Von Trompeten und Posaunen

Aus welchen Elementen besteht eine Formel-1-Power-Unit? 
Die FIA unterscheidet bei einer modernen F1 Power Unit (PU) zwischen sechs verschiedenen Bestandteilen. Das Herz der PU ist der Verbrennungsmotor (Internal Combustion Engine, kurz ICE). Die aktuellen F1-Motoren sind Sechs-Zylinder-Motoren, die einen Zylinderbankwinkel von 90 Grad und 1,6 Liter Hubraum besitzen. Das zweite Element ist der Turbolader (Turbocharger, kurz TC), der die Dichte der aufgenommenen Luft verstärkt und dem Motor dadurch mehr Leistung gibt. Ein modernes F1-Aggregat ist ein Hybridmotor, in dem zwei Elektromotoren Energie zurückgewinnen und freigeben. Die elektrische Energie wird im fünften Element der Power Unit gespeichert - einer großen Batterie, die als Energiespeicher (Energy Store, kurz ES) bezeichnet wird.
Wie funktioniert der Verbrennungsprozess im Motor eines F1-Autos?
Der Verbrennungsprozess im Herzen des ICE erfolgt, wenn das Benzin und die Luft sich mischen und entzündet werden. Die Verbrennungsluft wird durch den Lüftungskanal hinter dem Überrollbügel in den Motor geleitet. Der Luftdruck wird durch einen Kompressor verstärkt, der Teil des Turboladers ist. Dieser Prozess erhöht die Lufttemperatur, weshalb die Luft danach in einem Ladekühler wieder abgekühlt werden muss, bevor sie über den Luftsammler am oberen Ende des Motors eingespeist wird. Von dort durchläuft sie die sechs Einlasskanäle und die beiden Einlassventile bis in die Zylinder. Dort kommt das Benzin ins Spiel. Formel 1-Motoren besitzen, wie die meisten modernen Straßenfahrzeuge auch, eine Direkteinspritzung in die Brennkammer.
Mercedes kündigt besseren Motor an
Den Motor hat Mercedes 2019 im Vergleich mit Ferrari als Schwachstelle identifiziert.
Das Benzin darf per Reglement mit maximal 500 Bar eingespritzt werden. Während dieser Wert geringer ausfällt als die 350 Bar, die normalerweise bei der Direkteinspritzung in einem Benzinmotor eines Straßenautos zum Einsatz kommen, liegt er weit unter dem Wert eines modernen Dieselmotors, in dem der Benzindruck bis zu 2.500 Bar erreichen kann. Die Mischung aus Luft und Kraftstoff wird vom Kolben verdichtet und danach von den Zündkerzen entzündet. Die Kraft der Verbrennung drückt den Kolben nach unten, der durch eine Pleuelstange mit der Kurbelwelle verbunden ist und diese dadurch antreibt. Wenn der Kolben sich wieder anhebt, öffnen sich die Auslassventile, um die Auspuffgase aus dem Motor zu entlassen.
Nun kann der gesamte Prozess wieder von vorne beginnen - bis zu 15.000 Mal pro Minute (oder 250 Mal pro Sekunde). Die Auspuffgase werden dazu verwendet, um das Turbinenrad des Turboladers anzutreiben, der wiederum den Kompressor antreibt.
Welche anderen Systeme sind Teil des ICE? 
Zum Motor gehören auch sehr komplizierte und komplexe Öl- sowie Wassersysteme, die zwischen den unterschiedlichen Elementen liegen. Diese sorgen dafür, dass der Motor reibungslos funktioniert und regulieren die Temperatur, die unheimlich wichtig ist, weil die Gastemperaturen in der Brennkammer bis zu 2.600°C erreichen können. Vom Kurbelgehäuse bis zum Zylinderkopf geht es nur ums eins: der Motor darf nicht überhitzen.
Welche Fortschritte hat Mercedes seit 2014 erzielt?
Im Jahr 2014 leistete die PU 900 PS und hatte eine Wärmeeffizienz von 44%. Das bedeutet: 44% der Energie aus dem Kraftstoff wurden in nutzbare Arbeit umgewandelt, mit der das Fahrzeug angetrieben wurde. Im Verlauf der Jahre wurde der Wärmewirkungsgrad stetig gesteigert, bis er im Jahr 2017 auf dem Prüfstand die 50%-Marke durchbrach.
Wo hat Mercedes in den letzten Jahren mehr Leistung gefunden? 
Der Luftsammler stellt ein entscheidendes Entwicklungsgebiet dar. Er sitzt an der Spitze des Motors zwischen dem Ladeluftkühler und den Einlassventilen. Die beiden Luftsammler, einer pro Zylinderbank, halten die Druckluft, die aus dem Kompressor kommt, und sorgen für eine stabile Quelle an verdichteter Luft, selbst bei unterschiedlicher Versorgung (anlässlich verschiedener Verdichterdrehzahlen) und Bedarf (ein Motor im Leerlauf benötigt weniger Luft als ein Motor unter Volllast).
Aus dem Sammler wird die Luft durch verschiedene Einlasssysteme in die Zylinder geleitet. In der Saison 2014 schrieb das Reglement ein fixes Geometriesystem für den Luftsammler vor. Diese Regel wurde für die Folgesaison geändert. Dadurch verdoppelte sich nicht nur die Größe der Luftsammler, sie beinhalten jetzt auch ein viel komplexeres Trompetensystem. Diese Schächte sind unterschiedlich lang und entsprechen dadurch der passenden Länge für die Motordrehzahl. Auf diese Weise helfen sie damit, die Menge an Luft, die in den Motor eingespeist wird, zu maximieren.
In der Saison 2015 wurden aus den Trompeten eher Posaunen. Nun gleitet die Einlasstrompete auf und ab und verändert bei jeder Bewegung die Länge des Einlasssystems. Dadurch kann das Trompetensystem samt des Luftflusses an die Drehzahl des Motors angepasst und so die beste Länge für die unterschiedlichen Umdrehungen pro Minute bestimmt werden, um die beste Leistung zu erzeugen.
Ein weiterer Bereich, in dem es große Verbesserungen gegeben hat, ist das Auspuffsystem. Seine Form, Länge und Durchmesser haben einen enormen Einfluss auf die Motorleistung. Je schneller die beim Verbrennungsprozess entstandenen Auspuffgase aus der Brennkammer befördert werden können, desto schneller kann der neue Brennzyklus beginnen.
Im Jahr 2014 verwendete das Team ein leichtgewichtiges Auspuffsystem, das auf den kürzesten Weg vom Zylinderkopf bis zur Turbine des Turboladers setzte. Dieses System hatte zwei Vorteile: Es verursachte nicht viel Gewicht und die kurzen Rohre sorgten dafür, dass auf dem Weg zur Turbine des Turboladers und der MGU-H nicht viel Hitze verloren ging.
Im Jahr 2015 führte das Team jedoch ein komplexeres System ein, das dabei half, die Leistung des Motors zu erhöhen. In diesem verbesserten Auspuff waren die Hauptrohre (die sechs Rohre, die direkt vom Zylinderkopf wegführen) gleich lang, aber das Sekundärrohr war länger, was die Leistungskurve und die Leistungsabgabe des Motors veränderte. Seitdem hat das Team in jedem Jahr ein neues Auspuffsystem eingeführt, um jedes Mal mehr Leistung aus dem Motor herauszuholen.
Ein weiteres Gebiet für Entwicklungen sind die verwendeten Materialien. Große Teile des Motors bestehen aus Metall (zum Beispiel der Zylinderkopf, der aus Aluminium gefertigt wird), allerdings schreibt das Reglement nicht immer genau vor, welche Metalle verwendet werden müssen. Entsprechend kann die Auswahl der richtigen Legierung für die richtigen Komponenten großen Einfluss auf die Zuverlässigkeit und die Leistung des Motors haben.
Gleichzeitig arbeitet das Team auch ständig an der Reduzierung von Reibung. Reibung kostet Leistung, während die Energie als Wärme abgegeben wird. An dieser Stelle spielen die Schmiermittel von Petronas eine wichtige Rolle, da der Ölfilm zwischen den belasteten Komponenten die Reibung verringert und dadurch die Leistung steigert. Zur gleichen Zeit reduziert er aber auch die Abnutzung und verbessert dadurch die Zuverlässigkeit.
Auch der Transport des Öls an jene Stellen des Motors, an denen es benötigt wird, ist ein wichtiger Entwicklungsbereich. Der Motor wird enormen G-Kräften ausgesetzt, die beim Bremsen, Beschleunigen oder der Kurvenfahrt die vier- oder fünffache Erdbeschleunigung erreichen können. Damit das Öl jede Komponente erreicht, es gleichzeitig aber auch wieder aus dem Motor herauskommt, wird ein sehr komplexes Absaugsystem benötigt. Am unteren Ende des Motors befinden sich etwa zehn Ölpumpen, die Öl aus dem Zylinderkopf und der Kurbelwelle sowie einigen anderen Bereichen ziehen, um sicherzustellen, dass der Öltank niemals trocken ist.

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Von

Ralf Bach