Formel 1: Mercedes, Wolff, Russell, Bottas
Wolff: „George hat mehr als geliefert“

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Valtteri Bottas wurde vom Neuling George Russell beim GP Sakhir vorgeführt. Das sagen die Experten und Teamchef Toto Wolff.
Bild: Mercedes
Für Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff war es nicht gerade die angenehmste Video-Presserunde des Jahres. Ohne den an Covid-19 erkrankten Superstar Lewis Hamilton (35) vermasselte Mercedes den Großen Preis von Sakhir gründlich.
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Tatsächlich: Auch siebenmalige Weltmeister machen Fehler. Dem Führenden George Russell zog Mercedes im Zuge eines ungeplanten Doppelstopps während einer Safetycar-Phase versehentlich die Reifen von Valtteri Bottas auf. Ein Kommunikationsproblem mit der Mechanikercrew. Trotzdem ist es verboten. Also musste der junge Brite erneut zum Service an die Box. Als er sich bereits wieder bis auf Platz zwei vorgekämpft hatte, bremste ihn ein Plattfuß. Aus dem Märchen vom Junior, der sein erstes Rennen im Mercedes gewinnt, wurde nichts. Es blieb bei Platz neun.
Doch Teamchef Wolff will nicht alles an diesem Tag schwarz sehen. „Wir wurden heute darin bestätigt, dass George viel Potential hat“, sagt der Österreicher mit ernster Miene. Der Mercedes-Protagonist des Tages lag kurz zuvor im Gras des Fahrerlagers von Bahrain. Abgekämpft, enttäuscht, desillusioniert. Der Shootingstar konnte nicht glauben, was ihm am Sonntag in der Wüste wiederfahren war.

Russell am Boden zerstört
Bild: Mercedes
Der Wiener will deshalb auch die positiven Erkenntnisse des Tages vor die Niederlage stellen. „Wir haben heute gelernt, dass George Russell jemand ist, auf den wir zählen können. Er hat alle Zutaten, die ein Star der Zukunft braucht. Das Ergebnis macht mich traurig, aber nicht sein Potential.“
Für Valtteri Bottas dagegen dürfte es ein ganz schwarzer Tag gewesen sein. „Bottas Marktwert ist im freien Fall“, fällt Sky-Experte Nick Heidfeld das harte aber realistische Urteil. „Nach so einem Wochenende würde ich mich nicht wundern, wenn er sein Cockpit verliert.“ Der Finne wurde Achter, profitierte vom Plattfuß seines Kurzzeit-Teamkollegen. Doch so weit wie Heidfeld will Toto Wolff zumindest in der Öffentlichkeit noch nicht gehen. Russell 2021 im Mercedes? „George ist ein Williams-Fahrer“, betont der Mercedes-Teamchef. „Unsere Paarung besteht (für 2021; d. Red.) aus Valtteri und Lewis. Ich sehe es im Moment nicht als realistische Möglichkeit, (dass Russell Bottas ersetzt; d. Red.).“
Also kein rein britisches Duell im Silberpfeil. Wolff: „Ich verstehe das Thema, vielleicht wird das in Zukunft mal ein wilder Ritt für uns.“ Klar ist: Der Österreicher weiß schon jetzt, dass Russell Superstar Hamilton mehr fordern kann als Bottas.
Ralf Schumacher sagt auch deshalb zu AUTO BILD: „Bottas hat ein Problem, Hamilton aber auch.“ Denn die Leistung des jungen Briten stellt auch den Wert von Hamiltons sechs WM-Titeln im Silberpfeil infrage. Getreu dem Motto: Im Über-Mercedes kann jeder siegen.
Auch dieses Vorurteil ist Wolff bemüht, aus der Welt zu schaffen. „Lewis gewinnt so viel, weil er der beste Fahrer im besten Auto ist“, erklärt er. „Es ist immer eine Kombination aus beidem. Wir dürfen uns jetzt nicht von der phänomenalen Fahrt eines jungen Mannes mit einer großen Zukunft in der Formel 1 blenden lassen. Lewis ist immer noch die Messlatte.“
Und als solche soll er auch in Abu Dhabi wieder im Mercedes sitzen. Wolff: „Wenn Lewis Corona-frei ist und sich erholt hat – und es geht ihm jeden Tag besser – wird er das Rennen fahren.“ Dann würde Russells Wunsch nicht in Erfüllung gehen. Der junge Brite sagte am Boxenfunk: „Ich hoffe, ich bekomme noch einmal so eine Chance.“ Das wird er – wenn nicht 2020, dann vielleicht doch schon 2021, allen Dementis zum Trotz.
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