Ist die Formel 1 nur noch Knopfsache? Fest steht: Nach dem Qualifying in Melbourne stand ein Knopf im Mittelpunkt der Diskussionen. Und zwar der, den die Mercedes-Piloten angeblich oder zumindest symbolisch drücken, um ihren Motor in einen speziellen Modus zu versetzen, der noch mal circa 30 Zusatz-PS freisetzt. Und - das ist das Schlimmste für die Konkurrenz - den so kein anderer hat.
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Grund der Diskussionen: Lewis Hamilton konnte sich in seiner zweiten schnellen Runde um 6,6 Zehntelsekunden verbessern, während Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen (beide Ferrari) sowie die beiden Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Daniel Ricciardo mehr oder weniger bei der Zeit ihrer ersten fliegenden Runde hängenblieben.
Hamilton
Quali-König Hamilton war wieder nicht zu bremsen
Hamilton, der am Ende fast sieben Zehntelsekunden Vorsprung auf die Ferrari und Max Verstappen hatte, versicherte in der Pressekonferenz, es gäbe diesen Modus nicht. Er hätte einfach nur eine perfekte Runde hingekriegt. Sebastian Vettel konnte darüber nur lachen: "Was hast du denn dann vorher in der Session gemacht?", fragte er frech lächelnd den neben ihm sitzenden Briten. Später wurde er noch deutlicher: "Im Rennen sind wir wesentlich näher dran, weil sie (Mercedes) ja dann den Knopf nicht drücken."
Vettel voll auf Angriff: Ferrari mit viel Potenzial
Red-Bull-Teammanager Jonathan Wheatley widerspricht dem Deutschen gegenüber AUTO BILD MOTORSPORT: "Mercedes benutzt den Powerknopf auch im Rennen - und zwar immer in der In- und Outlap vor und nach einem Boxenstopp."

Bei Red Bull glaubte man Hamilton jedenfalls nicht: "Die GPS-Daten unserer Ingenieure zeigen eindeutig, dass Hamilton die Zeit in seinem zweiten Run hauptsächlich auf der Geraden gefunden hatte", ereiferte sich Chefberater-Helmut Marko im Gespräch mit ABMS. Marko weiter: "Das zeigt doch, wie überlegen Mercedes auf Grund seines Motors ist. Man findet keine sechs Zehntel nur wegen Reifen oder wieder plötzlich entdeckter Fahrkunst."
Mercedes
Trotz Widersprüchen - Mercedes durfte erneut jubeln
Bei dem kontroversen Thema verstrickte man sich selbst bei Mercedes in Widersprüche, wenn auch in kleine. Mercedes-Teamchef Toto Wolff sagte: "Wir haben in Q3 die Einstellung des Motors geändert, aber nicht zwischen den beiden Stints." Hamilton dagegen: "Ich bin in Q3 die gleiche Einstellung gefahren wie in Q2."
Warum gibt es aber überhaupt die Aufregung um den angeblichen Powerknopf? Verboten ist das System schließlich nicht. "Aber", so Marko, "würde Mercedes es zugeben, könnte es Probleme mit der FIA geben. Denn die hatte vor kurzem nochmals darauf hingewiesen, dass die Kundenmotoren gleich sein müssen. Aber wir wissen: Williams und Force India haben den Powermodus nicht."
Red Bull
Red Bull ist sich des Mercedes-Vorteils wohl bewusst
Auch wegen des Motorvorteils von Mercedes muss Red Bull mit mehr Risiko agieren. Deshalb geht man auch im Rennen andere Wege. Im Gegensatz zu Mercedes und Ferrari (Ultrasoft) starten beide Red-Bull-Piloten mit der härteren Supersoft-Mischung ins Rennen. "Wir erhoffen uns damit mehr Flexibilität bei der Rennstrategie", nennt Marko den Grund.
Der Grazer war nicht ganz zufrieden mit dem Abschneiden seiner Fahrer. "Max hat ausgerechnet im letzten Stint einen kleinen Fehler gemacht - das kostete ihn den zweiten Platz. Und Daniel Ricciardo war durch seine Gridstrafe (der Australier verlor drei Startplätze, weil er in einer Rotphase am Freitag zu schnell zurück in die Box fuhr; d. Red.) mental angeschlagen."
Großer Verlierer des Qualifyings war Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas. Nach seinem Crash in Q3 muss der Finne von Startlatz 15 aus ins Rennen gehen. Grund: Mercedes muss das Getriebe des Unfallautos wechseln, was Bottas strafbedingt noch einmal fünf Startplätze kostet.

Von

Ralf Bach