Der Yas Marina Circuit in Abu Dhabi und die Strategie-Abteilung von Ferrari: Das passt einfach nicht zusammen. Legendär der Fehler des Kommandostandes der Scuderia im Jahr 2010, als man durch einen taktischen Fauxpas nach einer Safety-Car-Phase Pilot Fernando Alonso nicht an Renault-Konkurrent Vitaly Petrov vorbeibekam und den Spanier so den Titel kostete – Nutznießer damals: Sebastian Vettel, der für Red Bull seinen ersten WM-Erfolg feiern durfte. Fünf Jahre später nun fährt der Heppenheimer selbst für Ferrari und konnte sich am Samstag wohl in etwa ausmalen, was Alonso damals durch den Kopf gegangen sein mauss. „Peinlich! Das darf Ferrari nicht passieren“, urteilte auch Sky-Experte Marc Surer noch während des letzten Qualifyings des Jahres in Bezug auf Vettels Aus in Q1.
Rosberg unterstreicht Favoritenrolle: Vettel & Hamilton mit Drehern

Kleiner Fehler mit großer Wirkung

Ferrari
Früher Feierabend in der Dämmerung: Sebastian Vettel schied nach einem unnötigen Fehler schon in Q1 aus
Doch was war passiert? „Ich habe meine schnelle Runde angefangen, kurz danach aber schon wieder abgebrochen, weil wir dachten, dass es reicht“, brachte Vettel selbst etwas Licht ins Dunkel. Gemessen an der Ausgangslage laut Surer ein völlig unverständliches Vorgehen des Teams: „Wie kann Ferrari das glauben? Vettel war zu dem Zeitpunkt ja schon 15., da muss also nur noch einer schneller fahren...“ Und genau so kam es dann auch. Zwölf Tausendstel fehlten dem Deutschen schlussendlich auf Lotus-Mann Pastor Maldonado und damit auf den rettenden 15. Rang. Ferrari verpennt Vettels Qualifying! „Als wir gemerkt haben, dass es nicht reicht, war es leider schon zu spät. Wir haben uns verschätzt. Ein kleiner Fehler mit großer Wirkung“, murrte Vettel angefressen.
Wenig Trost wird es dem Deutschen spenden, dass er mit der Entscheidung an der Spitze wohl ohnehin nichts zu tun gehabt hätte. Zu dominant war am Samstag das Auftreten von Mercedes und insbesondere Nico Rosberg, der sich nach der Bestzeit im Abschlusstraining auch in der Qualifikation ganz oben auf die Zeitenliste setzte. Durch sein aktuelles Formhoch bezwang der Wiesbadener bereits zum sechsten Mal in Serie Silberpfeil-Rivale Lewis Hamilton im Qualifying. „Es war wirklich eine coole Runde. Da hat alles zusammengepasst”, freute sich Rosberg nach seinem Coup in der Wüste. Deutliche 0,377 Sekunden lag er am Ende vor Hamilton, der damit nun bis mindestens nächstes Jahr auf die 50. Pole Position seiner Karriere warten muss. Für Rosberg hingegen war es das 22. Mal, dass er in seiner F1-Laufbahn auf den ersten Startplatz fuhr. Jetzt peilt er beim Nachtrennen am Sonntag (14.00 Uhr MEZ/RTL und Sky) seinen dritten Sieg in Folge an.

Hamilton und die Suche nach Ausreden

Mercedes
Lewis Hamilton kam in der Nacht von Abu Dhabi nicht so gut mit dem Silberpfeil klar wie Rivale Nico Rosberg
Hamilton scheint das alles derweil wenig zu interessieren. Fast schon abschätzig kommentierte er die aktuell so blendende Form seines Stallgefährten: „Es ist doch egal, wie die Zahlen aussehen. Am Ende zählen die Siege und die Weltmeisterschaft”, gab sich der Brite alle Mühe, es so aussehen zu lassen als hätte er nach seiner vorzeitigen Titelverteidigung längst das Gas rausgenommen. Rosberg aber ließ sich seinen Erfolg nicht madig machen und freute sich über die Fortsetzung des jüngsten Trends zu seinen Gunsten. „Ich habe nichts Neues erfunden. Ich habe einfach Fortschritte gemacht”, sagte er und fügte an: „Ich will jetzt einfach das Rennen gewinnen, dann haben wir einen guten Grund für die Party abends.” Hamilton suchte unterdessen weiter nach Ausreden für seinen Rückstand. „Wir haben einige Veränderungen an meinem Auto vorgenommen, vielleicht habe ich mir damit selbst ein wenig geschadet”, meinte der Brite.Bislang konnte Hamilton auch kein Kapital daraus schlagen, dass Rosberg beim Finale einen deutlich älteren Motor einsetzen muss als er. Im Vorjahr hatte sich der Deutsche in Abu Dhabi schon einmal die Pole Position geschnappt, war dann beim entscheidenden Rennen um die WM-Krone aber von einem Defekt gebremst worden. Immerhin: Abseits von Stallkollege Hamilton muss Rosberg beim Schlussakt der Königsklasse nicht all zu viel Druck erwarten. Satte acht Zehntel Rückstand hatte mit Ferraris Kimi Räikkönen auf Platz drei der beste Nicht-Mercedes. Nico Hülkenberg belegte Rang sieben, musste sich im internen Force-India-Zweikampf aber erneut Sergio Perez geschlagen geben. Der Mexikaner wurde starker Vierter. Zwischen die beiden Teamkollegen schoben sich noch Daniel Ricciardo im Red Bull auf Rang fünf und Williams-Mann Valtteri Bottas auf Position sechs.
Abu Dhabi GP 2015: Das Saisonfinale im Splitter

Ergebnis - Qualifikation Abu Dhabi GP:

1. Nico Rosberg (Wiesbaden) Mercedes 1:40,237 Min.
2. Lewis Hamilton (England) Mercedes 1:40,614
3. Kimi Räikkönen (Finnland) Ferrari 1:41,051
4. Sergio Perez (Mexiko) Force India 1:41,184
5. Daniel Ricciardo (Australien) Red Bull 1:41,444
6. Valtteri Bottas (Finnland) Williams 1:41,656
7. Nico Hülkenberg (Emmerich) Force India 1:41,686
8. Felipe Massa (Brasilien) Williams 1:41,759
9. Daniil Kvyat (Russland) Red Bull 1:41,933
10. Carlos Sainz jr. (Spanien) Toro Rosso 1:42,708
11. Max Verstappen (Niederlande) Toro Rosso 1:42,521
12. Jenson Button (England) McLaren Honda 1:42,668
13. Pastor Maldonado (Venezuela) Lotus 1:42,807
14. Felipe Nasr (Brasilien) Sauber 1:43,614
15. Romain Grosjean (Frankreich) Lotus - (+3 Plätze wegen Getriebewechsel)
16. Sebastian Vettel (Heppenheim) Ferrari 1:42,941
17. Fernando Alonso (Spanien) McLaren Honda 1:43,187
18. Marcus Ericsson (Schweden) Sauber 1:43,838
19. Will Stevens (England) Manor 1:46,297 (+ 5 Plätze wegen Motorwechsel)
20. Roberto Merhi (Spanien) Manor 1:47,434 (Start aus der Box wegen Umbau am Auto)

Von

Frederik Hackbarth