Mit einer Gala-Nachtschicht in Singapur hat Sebastian Vettel die erstaunliche Schwäche seiner Mercedes-Rivalen genutzt und im Formel-1-Titelrennen neue Hoffnung geschöpft. Trotz einer Schrecksekunde wegen eines Fans auf der Strecke fuhr der viermalige Weltmeister am Sonntag ungefährdet seinen dritten Sieg im Ferrari ein. Die bislang dominierenden Silberpfeile kassierten eine unerwartete Schlappe: WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton musste wegen eines Defekts aufgeben, Nico Rosberg quälte sich auf Rang vier. „Es war ein perfektes Wochenende”, sagte Vettel. Zweiter wurde Daniel Ricciardo im Red Bull vor Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen. Mit seinem vierten Triumph auf dem Marina Bay Street Circuit verkürzte der WM-Dritte Vettel seinen Rückstand in der Gesamtwertung auf Hamilton auf 49 Punkte, Landsmann Rosberg liegt nur noch acht Zähler vor dem Scuderia-Piloten.
Sebastian Vettel im Siegerinterview: Der Fan hat noch ein Foto gemacht

Kein Mercedes auf dem Podium

Mercedes & Ferrari
Das Safety-Car war am Sonntag der einzige Mercedes in Führung: Und auch der konnte Vettel nicht stoppen
„Wenn es noch weitere Wochenenden wie dieses gibt, haben wir eine kleine Chance und können vielleicht das Unmögliche möglich machen”, sagte Vettel. Für den Hessen war es der 42. Grand-Prix-Erfolg seiner Karriere, damit ließ er Ikone Ayrton Senna hinter sich. Nur Rekordchampion Michael Schumacher (91) und Alain Prost (51) haben noch mehr Siege als Vettel. Vor dem Singapur-Wochenende hatte eigentlich Hamilton die Marke seines Kindheitsidols Senna angreifen wollen. Doch nach drei völlig verkorksten Tagen auf dem spektakulären Stadtkurs musste der 30-Jährige sein Auto schon nach der Hälfte des 13. von 19 Saisonläufen abstellen. „Es ist noch ein langer Weg”, bekannte Hamilton mit Blick auf die WM. „Es war eine Anomalie, dass wir hier so schwach waren. Aber die Gefahr ist natürlich da, weil wir nicht verstehen, woran es lag”, sagte der sichtlich frustrierte Rosberg.
Schon am Start bot sich ein völlig ungewohntes Bild. Zum ersten Mal seit fast zwei Jahren stand kein Silberpfeil auf der Pole Position, sondern Vettel im Ferrari. 23 Rennen in Serie hatten entweder Hamilton oder Rosberg zuletzt ganz vorn geparkt, bei 24 steht die einst von Williams aufgestellte Bestmarke. Doch in Singapur lief es für das Werksteam der Stuttgarter von Beginn an nicht nach Plan. Weder im Training noch in der Qualifikation hatte Mercedes die richtige Abstimmung mit den Reifen gefunden und fuhr sowohl den bislang unterlegenen Ferrari als auch Red Bull hinterher. So ging es auch am Sonntag weiter. Kurz vor dem Start erschreckte das Weltmeister-Team noch ein Problem mit der Software-Elektronik, Rosberg blieb an der Boxenausfahrt stehen. Erst in letzter Minute reihte sich der Deutsche in die Startaufstellung ein. Als die roten Ampeln erloschen, waren er und Hamilton auch den Plätzen sechs und fünf jedoch ohne Chance.
Alle News vom Nachtrennen: Singapur GP im Splitter

Mann läuft auf die Strecke

Top-3 Singapur
Feierstimmung auf dem Podium: Daniel Ricciardo (l.), Sebastian Vettel (2.v.r.) und Kimi Räikkönen (r.)
In nur einer Runde fuhr Vettel von seiner ersten Pole Position im Ferrari einen Vorsprung von drei Sekunden auf Ricciardo heraus. Der Singapur-Rekordsieger schien eine Klasse für sich. So musste erneut das Safety-Car für Spannung sorgen. Felipe Masse krachte mit seinem Williams nach einem Boxenstopp in den Force India von Nico Hülkenberg, für den das Rennen damit in der 13. Runde beendet war. Wegen der Trümmerteile auf dem Asphalt rückte das Safety-Car aus, wie bislang in jedem Singapur-Grand-Prix. Vettels Polster war damit dahin, als das Rennen in der 19. Runde wieder freigegeben wurde. Doch nach ein paar engen Runden legte der Deutsche einen Zwischenspurt hin und verschaffte sich wieder Luft.
Dagegen wurde es für Mercedes immer schlimmer. Hamilton beklagte plötzlich technische Probleme, weil er nicht mehr Vollgas geben konnte. Der Brite fiel zurück. „Ihr müsst mich aus dem Rennen nehmen”, funkte der Titelverteidiger an die Box, der so seinen Motor schonen wollte. In Runde 33 war der Nachtdienst für Hamilton vorbei. „Ich hatte einfach keine Power mehr”, erklärte er. Dann war erneut das Safety-Car gefordert, weil plötzlich ein Fan auf der Strecke spazierte. Der Führende Vettel traute seinen Augen nicht. „Da ist ein Mann auf der Strecke”, funkte er entsetzt an seine Box. Nach wenigen Sekunden schlüpfte der ungebetene Gast jedoch wieder durch ein Loch im Zaun und Vettel konnte seine Sonntagsfahrt unbeeindruckt fortsetzen. Cool zog er beim zweiten Neustart abermals davon und verteidigte die Führung schließlich bis zum Ziel-Feuerwerk. (fh/dpa)
Der Titelkampf nach Singapur: WM-Stand im Überblick

Rennergebnis - Singapur GP 2015:

1. Sebastian Vettel (Heppenheim) Ferrari 2:01:22,118 Std. (Schnitt: 152,673 km/h)
2. Daniel Ricciardo (Australien) Red Bull + 1,478 Sek.
3. Kimi Räikkönen (Finnland) Ferrari + 17,154
4. Nico Rosberg (Wiesbaden) Mercedes + 24,720
5. Valtteri Bottas (Finnland) Williams + 34,204
6. Daniil Kvyat (Russland) Red Bull + 35,508
7. Sergio Perez (Mexiko) Force India + 50,836
8. Max Verstappen (Niederlande) Toro Rosso + 51,450
9. Carlos Sainz jr. (Spanien) Toro Rosso + 52,860
10. Felipe Nasr (Brasilien) Sauber + 1:30,045 Min.
11. Marcus Ericsson (Schweden) Sauber + 1:37,507
12. Pastor Maldonado (Venezuela) Lotus + 1:37,718
13. Romain Grosjean (Frankreich) Lotus + 2 Runden
14. Alexander Rossi (USA) Manor + 2 Runden
15. Will Stevens (England) Manor + 2 Runden
Ausfälle:
Nico Hülkenberg (Emmerich) Force India (13. Runde)
Felipe Massa (Brasilien) Williams (31. Runde)
Lewis Hamilton (England) Mercedes (33. Runde)
Fernando Alonso (Spanien) McLaren Honda (34. Runde)
Jenson Button (England) McLaren Honda (53. Runde)
Schnellste Rennrunde:
Daniel Ricciardo (Red Bull) 1:50,041 Min.