Schumis Erfolgshunger ungestillt

Der große Augenblick rückt näher: Am 6. März bekommen alle Formel-1-Fans endlich wieder grünes Licht. Wenn in Melbourne die neue WM-Saison startet, dürfte der haushohe Favorit schon wieder gute Sicht auf die Ampelfarben haben: Serien-Weltmeister Michael Schumacher. Doch mindestens ein halbes Dutzend Konkurrenten macht sich Hoffnungen, die Solofahrt des Ferrari-Piloten zum erneuten Titelgewinn verhindern zu können.

"Es wird dieses Mal enger und härter, weil die anderen besser vorbereitet sind und es für uns zumindest am Anfang mit dem Übergangsauto schwieriger wird", glaubt der Ferrari-Pilot. Als schärfste Rivalen stuft der 36 Jahre alte Rheinländer BAR-Honda und Renault sowie McLaren-Mercedes "dieses Mal von Beginn an" ein. Absteiger Ralf Schumacher (von BMW-Williams zu Toyota) und Aufsteiger Nick Heidfeld (von Jordan zu BMW-Williams) dürften indes im Rennen um die WM-Krone keine entscheidende Rolle spielen.

Trotz einschneidender Reglementsänderungen und dem Einsatz des Übergangsmodells F2004 M in den ersten vier Rennen spricht vieles für Schumis achten Titel, seinen sechsten in Serie mit der Scuderia Ferrari. Der "Nimmersatt" hat trotz seiner unzähligen Rekorde ungestillten Heißhunger auf Erfolge. Nach eigener Einschätzung ist Schumacher noch stärker motiviert als zu Beginn seiner eindrucksvollen Grand-Prix-Karriere vor 14 Jahren. Zudem ist Ferrari der personell stabilste und im Arbeitsablauf am besten eingespielte Rennstall.

Lautsprecher Button, Träumer Heidfeld

Dennoch kommen vor allem von den beiden Aufsteigerteams BAR-Honda und Renault forsche Töne. Jenson Button (25), im Vorjahr als Gesamtdritter bester Nicht-Ferraristi, stichelte: "Michael würde nicht gewinnen, wenn er nicht im Ferrari säße." Der Brite, bislang noch ohne GP-Sieg, bläst im neuen BAR-Honda 007 zur Jagd auf den Titelverteidiger: "Schumacher muß mehr auf uns aufpassen als im letzten Jahr." Auch vom Formel-1-Präsidenten bei Renault gab es kecke Ankündigungen: "2005/06 wollen wir um den WM-Titel fahren. Wir müssen mit Ferrari auf Augenhöhe kämpfen", so die Vorgabe von Patrick Faure.

McLaren-Mercedes, im Vorjahr in der Konstrukteurs-Wertung auf den fünften Platz abgestürzt, zeigt sich dagegen eher zurückhaltend. "In Melbourne werden wir sehen, wie das Kräfteverhältnis ist", meint Kimi Räikkönen zum Auftakt in Australien. Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug traut dem Finnen und Neuzugang Juan Pablo Montoya (Kolumbien) viel zu, sollten die beiden siegfähiges Material zur Verfügung haben: "Voraussagen helfen nichts, aber wir wollen um Podiumsplätze kämpfen."

Bei BMW-Williams schlägt man nach den großspurigen WM-Versprechungen im Vorjahr leise Töne an. "Wir wollen wieder in die Erfolgsspur zurück", sagt Teamchef Frank Williams pauschal. Nach dem Weggang von Ralf Schumacher und Montoya treten die Weiß-Blauen mit einem neuen Fahrerduo an. Der Australier Mark Webber und der Mönchengladbacher Nick Heidfeld (27) müssen ihre Siegfähigkeit jedoch erst beweisen. Heidfeld hat nach dem gewonnenen Ausscheidungskampf gegen Antonio Pizzonia bei der "größten Chance meiner Karriere" große Pläne: "Mein Ziel ist es, alle zu schlagen – nicht nur Michael Schumacher – und in Zukunft Weltmeister zu werden. Wann, weiß ich noch nicht."

Solche Träume kann Ralf Schumacher nach seinem finanziell vergoldeten Abstieg zu Toyota (noch) nicht hegen. Für den 29jährigen Kerpener kommt es erstmals darauf an, "den Abstand zu den Top-Teams zu verringern. Mit einem Podestplatz können wir erst Mitte des Jahres rechnen."

So viele WM-Läufe wie noch nie

Spannung und allerlei Überraschungen versprechen die neuen Regeln. Vor allem den Reifen dürfte eine Schlüsselrolle zukommen. Vom zweigeteilten Qualifikationstraining (Samstagnachmittag und Sonntagvormittag) an muß ein Fahrer mit einem Reifensatz auskommen. Die Motoren müssen zwei komplette Grand-Prix-Wochenenden und damit doppelt so lange wie bisher halten. Einschnitte bei der Aerodynamik sollen die Geschwindigkeit drosseln und die Sicherheit weiter verbessern.

Einen Rekord verzeichnet die 56. Formel-1-Saison schon vor dem Start: 19 WM-Läufe gab es noch nie. Erstmals im WM-Programm steht der Große Preis der Türkei in Istanbul. Außerdem gibt es noch eine Menge neuer, erfrischender Gesichter: Narain Karthikeyan bei Jordan als erster Inder, Minardi-Testfahrer Chanoch Nissany als erster Israeli und Jordan-Käufer Alexander Shnaider als erster (kanadisch-)russischer Teamchef bringen weitere Farbtupfer in die ohnehin bunte Glamour-Welt der Motorsport-Königsklasse.