Formel 1: WM-Entscheidung vertagt
Räikkönen ärgert Hamilton

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Lewis Hamilton muss noch etwas auf seinen Titel warten. Kimi Räikkönen vermiest dem Briten mit seinem Sieg in Austin die mögliche WM-Party.
Welch ein dramatischer Grand Prix der USA! In einem packenden Endspurt holt Kimi Räikkönen seinen ersten Sieg seit Melbourne 2013. Ein Erfolg für die Geschichtsbücher: Erstmals nach unglaublichen 2044 Tagen gewinnt Räikkönen wieder - und das auf den Tag genau elf Jahre nach seinem Titelgewinn in Brasilien 2007.
Gleichzeitig hat der Finne Lewis Hamiltons WM-Party verschoben. In Mexiko am kommenden Sonntag reicht dem Briten nach Rang drei in Austin allerdings ein siebter Platz zum vorzeitigen Titelgewinn.
Alle Zahlen: Das Ergebnis im Überblick

Nach über fünf Jahren siegt Kimi Räikkönen wieder
Räikkönens erster Ferrari-Triumph seit Spa 2009 bedeutet auch, dass er im viertletzten Rennen für die Scuderia doch noch die Sieg-Durststrecke in seiner zweiten Maranello-Amtszeit beendet. Kimi cool: "Natürlich ist es nett, zu gewinnen. Aber mein Leben verändert das jetzt auch nicht. Der Schampus schmeckt nicht anders als für Platz zwei oder drei."
Während der eine Rote auf seine Art feiert, herrscht bei Teamkollege Sebastian Vettel erneut Katzenjammer ...
Am Start sieht noch alles gut aus - auch für den Deutschen. Räikkönen kassiert Pole-Mann Lewis Hamilton auf dem Weg zur ersten Kurve und zieht davon. Weiter hinten hält Vettel Platz fünf - und will dann zu viel. Im Duell gegen Daniel Ricciardo ist er auf der langen Geraden eigentlich fast schon vorbei am Red Bull. Das Problem: Die Reifen haben abseits der Ideallinie Schmutz aufgesammelt, Vettel verbremst sich, Ricciardo kann kontern.
Vettel am Boden zerstört - Glock: "Das tut Seb weh"

Spannung von Start bis Ziel: Austin war ein Kracher
Auch am Kommandostand der Scuderia bleibt man nicht fehlerfrei. Trotz virtuellem Safety-Car lassen die Italiener Räikkönen auf der Strecke, während Mercedes Hamilton zum Reifenwechsel holt. Der Brite verliert dank des unter gelb schleichenden Finnen kaum Zeit und hängt - auch weil Teamkollege Bottas seinen General brav vorbeilässt - nur wenige Runden später schon wieder im Getriebe von Räikkönen. Als der Ferrari-Star seinerseits zum Reifenwechsel an die Box steuert, übernimmt Hamilton die Führung.
Doch dann hat Ferrari Glück: Beim Silberpfeil des Briten schlägt der Reifenteufel zu. Seine weichen Gummis bilden Blasen. Der Vierfach-Champion verliert fast acht Sekunden, ehe er endlich zum zweiten Mal an die Box kommt. Räikkönen, der zwischenzeitlich an Vettel vorbei gewinkt wurde, übernimmt wieder die Führung vor Max Verstappen, der sich von Startplatz 18 (wegen Getriebewechsel) durchs Feld gepflügt hatte.

Ende der Sieghoffnung: Hamilton neben der Strecke
Obwohl er den Sieg und die vorzeitige Titelentscheidung verpasst, hat der Brite gute Laune: "Das Rennen heute war doch episch, wirklich sehr aufregend! Auch wenn ich nicht angekommen bin, wo ich wollte, habe ich das Rennen und den Kampf mit den Jungs genossen. Davon träumen die Zuschauer am Fernseher und ich im Auto genauso."
Zwei Erkenntnisse bleiben: Die WM-Entscheidung wurde auf Mexiko vertagt. Und: Ohne seinen Dreher zu Rennbeginn hätte Sebastian Vettel gewinnen können.
So lief das Qualifying:
Lewis Hamilton und die USA sind einfach eine Liebesgeschichte! Fünf von sechs GP in Austin hat Hamilton bereits gewonnen. Und auch in diesem Jahr fährt er auf seiner Paradestrecke auf Titelkurs, schnappt sich die Poleposition - wenn auch nur einen Hauch von 0,061 Sekunden vor WM-Rivale Sebastian Vettel.
Der zweitplatzierte Ferrari-Star muss wegen einer Strafe (falsches Verhalten bei roter Flagge am Freitag) in der Startaufstellung aber drei Plätze nach hinten, nimmt den Grand Prix am Sonntag also nur als Fünfter auf. Die Mission des Deutschen: Bei einem Hamilton-Sieg muss Vettel Zweiter werden, um die WM noch offen zu halten.

Hamilton und Vettel plaudern nach dem Qualifying
Dabei war von Dominanz keine Spur mehr. "Das war eng! Diese Jungs haben echt zugelegt", stellt Hamilton mit Blick auf Ferrari fest. "Ich wusste, dass es eng zugeht und ich eine gute zweite Runde brauche. Das hat geklappt und damit bin ich happy. Aber Ferrari ist hier offensichtlich sehr schnell."
Hinter dem WM-Spitzenreiter und Vettel reiht sich Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari ein. Die Top-3 liegen innerhalb von nur sieben Hundertstelsekunden!
"Ich bin froh über das Ergebnis heute, denke deswegen aber auch schon an morgen", sagt Silberpfeil-Teamchef Toto Wolff. "Es fehlt uns im Vergleich (mit Ferrari; d. Red.) etwas an Höchstgeschwindigkeit. Das ist im Moment meine Hauptsorge. Es wird schwer, sich auf den langen Geraden gegen sie zu verteidigen."
Vor allem am Start hat Räikkönen auf dem von Vettel geerbten zweiten Platz gute Chancen. Der Finne startet – anders als die Silberpfeile um ihn herum – auf der schnelleren, ultraweichen Reifenmischung. Neben Räikkönen rücken auch Valtteri Bottas (Mercedes) und Daniel Ricciardo (Red Bull) durch die Vettel-Strafe nach vorn.

Das war knapp: Vettel wird im Q3 von Austin Zweiter
Zufrieden ist auch der andere Deutsche im Feld: Nico Hülkenberg wird im Renault starker Siebter. Frust hingegen bei Max Verstappen nach Platz 15: Der Holländer zerstört sich schon in Quali-Abschnitt eins die Hinterradaufhängung seines Red Bull - ausgerechnet an einem der neu angebrachten "Verstopper", einem Zusatz-Kerb hinter den Randsteiben (ABMS berichtete), der das von Verstappen im Vorjahr vorgelebte Ausreizen der Streckenlimits verhindern soll. Und das ganz offensichtlich bestens umsetzt.
So lief das Abschlusstraining:
Nach dem Dämpfer vom Freitag - Sebastian Vettel wird nach einer Strafe für das Ignorieren einer roten Flagge um drei Startplätze zurückversetzt (ABMS berichtete, siehe unten) - geht der Qualifying-Tag in Austin für den Deutschen versöhnlich los. Mit einer Zeit von 1:33.797 Minuten setzt sich Vettel im Abschlusstraining an die Spitze der Zeitenliste.
Auch sein erster Verfolger dürfte dem Heppenheimer ausnahmsweise gefallen: Teamkollege Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari, mit 0,046 Sekunden Rückstand. Wie eng es in der ersten trockenen Session des Rennwochenendes in Austin aber zugeht, zeigt auch der Abstand zum Drittplatzierten Lewis Hamilton. Der Mercedes-Star sortiert sich nur 0,073 Sekunden hinter Vettel ein.
Deutlich abreissen lassen muss dafür Valtteri Bottas im anderen Silberpfeil. Dem Finnen fehlen schon sieben Zehntel zur Spitze. Nur dritte Kraft beim Warmfahren vor dem Qualifying (23:00 Uhr deutscher Zeit live bei RTL und F1 TV) sind die Red Bulls, mit 0,9 respektive 1,1 Sekunden Rückstand für Max Verstappen und Daniel Ricciardo auf den Plätzen fünf und sechs.
Zu kämpfen hat in Austin weiterhin Renault-Pilot Nico Hülkenberg. Nach einem durchwachsenen Freitag kommt der Emmericher auch im dritten Training nicht über Rang 14 hinaus - fünf Plätze hinter Stallkollege Carlos Sainz.
So lief der Freitag:
Für Sebastian Vettel will die Negativ-Serie in der Formel 1 einfach kein Ende nehmen. Jetzt ereilte es den Ferrari-Star sogar schon im freien Training.
Hintergrund: Weil er im verregneten ersten Training bei einer roten Flagge nach einem Dreher seines zukünftigen Teamkollegen Charles Leclerc nicht schnell genug auf die Bremse tritt, muss er am Sonntag in der Startaufstellung drei Plätze zurück. Die Rennkommissare haben kein Erbarmen mit dem Deutschen! Denn zusätzlich gibt es zwei Punkte auf seine Superlizenz.
Vettel kann darüber nur mit dem Kopf schütteln: "Die rote Flagge kam raus und ich bin vom Gas gegangen. Aber in den Augen der Stewards nicht genug", beschreibt er die Szene. "Nach ihrer Meinung habe ich 27,7 Sekunden gebraucht, um genug vom Gas zu gehen. Ich denke, der Abstand zum Vorderauto ist angewachsen, aber es kommt natürlich darauf an, wo man auf der Strecke ist. Das System hat so seine Fehler und Lücken."
Dabei sind die Regeln eigentlich klar: Sie sehen vor, dass die Fahrer bei einer roten Flagge innerhalb von 400 Metern das Tempo auf 145 Prozent der durchschnittlichen Trainingszeit reduzieren müssen. Im Nassen ist die Zielzeit noch einmal geringer.
Vettel glaubt zu unrecht bestraft worden zu sein: "Ich glaube, es ist falsch. Ich habe mich umgeschaut, bin langsamer geworden und vorsichtig gefahren. Aber man muss fast anhalten, um sich an die Vorgaben im Nassen zu halten. Ich finde das falsch, weil es ein Risiko gibt, dass ein Auto hinter einem in einen reinfährt. Aber es ist wohl wichtiger, keine Strafe zu kriegen."
Seine Fahrerkollegen pflichten Vettel bei: "Manchmal haben wir nur ein paar Millisekunden Zeit, vom Gas zu gehen", sagt Romain Grosjean. Pierre Gasly ergänzt: "Vielleicht sind die Regeln zu hart. Früher hat es ja auch funktioniert, wenn wir bei Gefahr vom Gas gegangen sind." Vettel ist übrigens nicht das erste Opfer der neuen Rote-Flaggen-Regel: In Astralien traf es Daniel Ricciardo, in Japan Esteban Ocon.
Auch das Training selbst war für Vettel zum Vergessen. Nach Platz fünf am Morgen wird er in der zweiten Session nur Zehnter. "Hoffentlich regnet es am Wochenende nicht", kommentiert er Ferraris erneut durchwachsene Leistung bei Regen.
Mercedes-Star Lewis Hamilton dagegen schwimmt seinem fünften WM-Titel entgegen. Auf der Zeitenliste setzt sich der britische WM-Spitzenreiter zweimal souverän an die Spitze. Ganze 1,3 Sekunden beträgt sein Vorsprung am Vormittag (Ortszeit) auf Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas - immer noch eine Sekunde auf Pierre Gasly im Toro Rosso am Nachmittag.
Ein vorzeitiger Titelgewinn Hamiltons schon am Sonntag wird damit realistischer. Gewinnt der Brite in Austin, muss Vettel mindestens Zweiter werden, sonst hat der Silberpfeil-Star seinen fünften WM-Triumph bereits sicher. Weiter vorne als von Platz vier kann Vettel, selbst im Fall einer Pole-Position, nun nicht mehr starten.
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