Formel E: Pascal Wehrlein
Die neue Stärke des Pascal Wehrlein

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Pascal Wehrlein führt gerade die Formel-E-WM an und ist damit die Nummer eins im deutschen Motorsport.
Bild: Porsche
Es gibt kaum Rennfahrer, die Theorien von Enzo Ferrari widerlegen wollen und können. Der Gründer von Ferrari, dem seine italienischen Landsleute ehrfürchtig einen Heiligenschein für die Ewigkeit verpasst haben, war sich sicher: Wenn ein Rennfahrer weiß, dass er Vater wird, verliert er von seinem Grundtempo. Bis zu drei Zehntelsekunden pro Runde könnte es ihn einbremsen, weil er plötzlich Verantwortung für jemand anders als für sich selbst verspürt.
Der Deutsche Pascal Wehrlein (28) indes widerlegt gerade die These der italienischen Ikone, deren Wort normalerweise Gesetz ist. Wehrlein erwartet zusammen mit seiner Lebensgefährtin die Geburt einer seines ersten Kindes. Allein: Enzo Ferrari zum Trotz hat das freudige Ereignis dem Schwaben einen kräftigen Schub gegeben.
Nach zwei Siegen und einem zweiten Platz führt der Porsche-Werkspilot die Formel-E-WM an und gilt auch beim vierten Lauf am Samstag in Indien als Topfavorit. Das Image, ein wankelmütiges Lenkradgenie zu sein, hat er abgelegt. Wehrlein scheint besser zu sein denn je.
Seine neue Stärke hat viel mit Selbstreflektion zu tun. „Ich bin ruhiger geworden“, sagt er im Gespräch mit Auto Bild, „ich weiß jetzt viel mehr Erfolge zu schätzen und weiß auch, wie viel Anteil ein Team daran hat. Wie viel harte Arbeit dahinter steckt.“ Der gereifte Wehrlein selbstkritisch über den Überflieger aus der Anfangszeit: „Vom Kart, über Formel ADAC, Formel 3 bis hin zum DTM-Titel war alles ein Selbstläufer. Siegen, Erfolg zu haben, war für mich normal, alles andere passte nicht in mein Weltbild.“
Erst in der Formel 1 lernte er das andere, grausame Gesicht des Motorsports vom Motorsport kennen. Wehrlein: „Die beiden Jahre in der Formel 1 bei Manor und Sauber waren schwierig zu verdauen. Obwohl ich gute Rennen hatte, wollte ich nicht akzeptieren, hinterherzufahren. Genauso konnte ich nur schwer verstehen. Da konnte es schonmal zu Emotionsschüben kommen. Heute ruhe ich mehr in mir selbst.“ Aber, das will er betonen: „Der Ehrgeiz zu gewinnen, ist deshalb nicht geringer geworden. Er ist genauso groß wie früher.“

Pascal Wehrlein führt gerade die Formel-E-WM an und ist damit die Nummer eins im deutschen Motorsport.
Bild: Porsche
Zur neu entdeckten Gelassenheit passt, dass er trotz der Anfangserfolge nicht euphorisch wird. Der passionierte Hobbyfußballer (Lieblingsclubs FC Freiburg und Bayern) will den Ball lieber flach halten. „In der Formel E ist das Leistungsniveau extrem hoch und eng beisammen. Die Kräfteverhältnisse können sich schnell ändern. Bei den Testfahrten vor der Saison beispielsweise waren wir noch nicht bei der Musik. Aber wir haben die richtigen Schlüsse gezogen und stehen jetzt deshalb da, wo wir sind. Aber wir müssen genauso hart weiterarbeiten.“
Mit einem Vorurteil will Wehrlein aufräumen. Dass Formel-E-Piloten nur Energie sparen müssen. Wehrlein: „So ist das nicht. Klar musst du effizient fahren, aber das muss man in jeder Serie. Die Formel-E-Rennwagen der neuen Generation haben im Qualifying-Trim fast 500 PS und sind extrem schnelle Rennautos. Und auch bei ihnen gilt: Je schneller du aus der Kurve herausfährst, desto schneller bist du auf der folgenden Gerade.“
Und, das sei wichtig: „Das Fahrerfeld in der Formel E ist besser besetzt als in der Formel 1. Damit meine ich nicht die Spitzenpiloten der Königsklasse wie Verstappen, Hamilton, Alonso oder Leclerc. Die sind die besten Rennfahrer der Welt. Ich meine aber, dass die Leistungsschere in der Formel 1 weiter auseinandergeht als in der Formel E. Bei uns sind alle Piloten mehr oder weniger auf dem gleichen hohen Niveau.“
Trotzdem lockt weiter auch die Königsklasse. Die Wehrlein-Kombination aus noch jungem Alter und starker Leistung legt ein Formel-1-Comeback nahe. Zumal Porsches Konzernschwester Audi in drei Jahren (2026) als Werksteam in die Königsklasse einsteigt. Ob er sich deshalb eine Rückkehr vorstellen kann? „Man soll nie nie sagen“, das habe Wehrlein aus seinem bisherigen Rennfahrerleben gelernt. Im Moment zählen aber nur die Formel E und der Erfolg mit Porsche.“
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