Ein Landesgesetz als Notlösung

Nach Niedersachsen will jetzt auch Hamburg 17-Jährige ans Steuer lassen. Hintergrund: Die CDU-Regierung will – wie das Nachbarland – nicht länger auf eine bundeseinheitliche Regelung warten, deshalb soll die Bürgerschaft über ihren Antrag zum begleiteten Fahren mit 17 beraten. Sollte es keine einheitliche Regelung geben, werde es in Hamburg spätestens im Herbst 2004 ein Landesgesetz geben, erklärte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Klaus-Peter Hesse.

Laut Studien würden damit die Unfallzahlen unter Fahranfängern gesenkt. Verstopfen künftig also unerfahrene Führerschein-Neulinge die Straßen? Wer ist Schuld, wenn's doch mal kracht? Gegenüber BILD beantworteten Verkehrsexperten die wichtigsten Fragen.

Wie soll der Führerschein ab 17 Unfälle reduzieren? Klaus-Peter Hesse: Ursache des überdurchschnittlichgen Unfallrisikos ist die fahrpraktische Unerfahrenheit. Statt die jungen Fahrer nach der Prüfung allein zu lassen, soll der Partner an der Seite Tipps, Hinweise und eigene Erfahrungen weitergeben.

Kann jeder die Begleitperson spielen? Klaus Peter Hesse: Nein, sie muss über 30 Jahre sein, mindestens fünf Jahre ununterbrochen eine Fahrerlaubnis besitzen, darf nicht mehr als drei Punkte im Verkehrszentralregister haben und muss an einem Vorbereitungskurs teilgenommen haben.

Gibt es Vorbilder für den Führerschein ab 17? Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit in Österreich: Wir haben den Führerschein ab 17 bereits 1999 eingeführt und sehr gute Erfahrungen gemacht. Der Führerscheinanwärter macht mit 17 Jahren eine Grundausbildung, daran schließt sich eine Laienausbildung, bei der er 3000 Kilometer lang nur in Begleitung eines erfahrenen Fahrers fahren darf. Alle 1000 Kilometer gibt's zudem einen Zwischentest in der Fahrschule. Erst danach darf die Abschlussprüfung gemacht werden. Wir konnten mit diesem System die Unfallzahlen bei Fahranfängern um 15 Prozent reduzieren.

Was passiert im Falle eines Unfalls?

Wer ist schuld, wenn doch ein Unfall passiert? Siegfried Brockmann, Sprecher des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft: Das ist nicht eindeutig. Deswegen stehen wir diesem Projekt skeptisch gegenüber. In Niedersachsen wurden bislang nur Ausnahmegenehmigungen getroffen. Damit sind längst nicht alle Haftungsfragen geklärt.

Wie wird kontrolliert, ob immer ein Begleiter dabei ist? Klaus-Peter Hesse: Ein Fahrtenbuch wäre wünschenswert, aber wir wollen nicht zu bürokratisch werden. An diese Regel muss sich gehalten werden, so wie sich an alle Regeln im Straßenverkehr gehalten werden muss.

Werden Hamburgs Straßen jetzt noch überfüllter? Hans Detlef Engel, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Hamburg: Es kommen ja nicht mehr Leute auf die Straße, sondern nur früher. Carola Veit, SPD-Verkehrsexpertin: Bislang wurden Modellversuche in ländlichen Gebieten durchgeführt. Man sollte erstmal die Ergebnisse abwarten, bevor man so was in einer Großstadt einführt, wo Verkehrsaufkommen und Unfallgefahr viel höher sind.

Bleibt der normale Führerschein mit 18 bestehen? Klaus-Peter Hesse: Der Führerschein mit 17 ist nur ein Angebot. Jeder kann den Führerschein ganz normal mit 18 erwerben.

Welche Alternativen gibt es zum Führerschein mit 17? Dieter Wirsich vom ADAC: Wir favorisieren das Modell "Zweite Stufe Fahrausbildung", das seit dem 1. Januar 2004 in 13 Bundesländern, darunter auch Hamburg, läuft. Dabei macht ein 18-Jähriger ganz regulär seinen Führerschein, und nach sechs Monaten absolviert er einen zusätzlichen Ausbildungstag, an den Theorie und Praxis vertieft werden. Dafür reduziert sich die Probezeit von zwei auf ein Jahr.

Wann kommt der Führerschein mit 17? Klaus-Peter Hesse: Das hängt davon ab, ob sich die Bundesregierung noch zu einer bundeseinheitlichen Lösung durchringt. Wenn nicht, wollen wir im Herbst für Hamburg unsere Vorschläge durchsetzen.