"Street View? Ein Medium für Spinner und Spanner!" findet Mitarbeiter Jan Henrik Muche.

Hört mir bloß auf mit Street View! Kaum ist es da, hängen die Schlaumeier nächtelang davor und kontrollieren, wo schlecht gepixelt wurde und ob der Nachbar nicht vielleicht doch gerade im Moment der Aufnahme aus dem Puff kommt. Das können sie dann melden. Ich dachte es mir schon: ein Medium für Spinner und Spanner. Deswegen haben wir – wir, nicht die Nachbarn oder der Besitzer – unser Wohnhaus ausblenden lassen. Was mich ja schon aufregte.

Google verdient an fremdem Eigentum

Jan Henrik Muche
Redakteur Jan Henrik Muche.
Die fahren rum, machen Fotos und ich muss mich hinsetzen und die Bilder per Antrag pixeln lassen? Wieso habe ich eigentlich die Arbeit? Müsste es nicht andersrum sein? Und weshalb nutzt Google fremdes Eigentum, Gebäude aus privater und öffentlicher Hand, und macht im Internet ein Geschäft draus? "Nichts ist so öffentlich wie Häuserfassaden", hieß es zur Rechtfertigung. Da klang mit, dass die Verweigerung mal wieder typisch deutsch und spießig sei. Und das Projekt wäre ja sowieso irgendwie karitativ: Arme Rentner könnten fremde Städte nun per Internet bereisen, Menschen aus München einfach mal gucken, wie es in Berlin so aussieht, bevor sie eine Wohnung mieten. Wahrscheinlich sieht's da schon wieder ganz anders aus. Das Haus von Freunden habe ich bei Street View kaum erkannt. Klar, sie haben es vor über zwei Jahren ja auch komplett renoviert. So viel zur Aktualität. Aber das haben die Schlaumeier wohl schon gemeldet.
Claudius Maintz
Redakteur Claudius Maintz.
"Die Diskussion ist hysterisch – typisch Deutschland", sagt Redakteur Claudius Maintz.

Neulich bin ich umgezogen. Aber manchmal vermisse ich meine alte Gegend ein wenig. Also nix wie zurück – mit Street View! Ich sehe meinen alten Audi, den Bürgersteig. Aber nicht den Balkon. Alles großräumig verpixelt. Statt eines Gebäudes nur eine riesige weiße Fläche. Wie hässlich! Fast unmöglich, sich zu orientieren, das ist doch kein Abbild der Realität! Was bitte gibt es zu verbergen? Die Pflanzen auf den Balkonen? Die Farbe der Markisen? Oder die der Gardinen? Lächerlich. Alles harmlose Momentaufnahmen eines Sommertags. Unwahrscheinlich, dass ich gerade in der Sekunde nackt durch die Wohnung gerannt bin, als das Google-Auto gefilmt hat. Aber denkbar. Und aus dieser entfernten Möglichkeit entwickelt sich wie immer bei Datenschutz-Themen in Deutschland eine mediale Massenhysterie.

Gefahr für Fremdgänger

Google hat ja nicht mein Badezimmer gedreht, hat nicht auf meine Schwarz-Weiß-Fotos des Hamburger Hafens gezoomt, die an der Wand hängen. Es bleibt mein Geheimnis, welches Duschgel ich verwende. Klar, viele stellen sich Fragen: Was wäre, wenn jemand eine Geliebte hat und deren auffällig-pinkfarbenes Auto vor der Tür parkt? Da würde die Gattin ausrasten – trotz unkenntlichen Kfz-Kennzeichens. Aber auch ohne Google kann so etwas auffliegen. Ich freue mich über Street View – zum Beispiel, wenn ich verreisen will und schon mal schauen kann, ob das lauschige kleine Hotel wirklich in einer Nebenstraße liegt. Ich google das dann einfach mal eben ...