Abgeschleppt - und beschädigt

Die vordere Stoßstange hängt, der Frontspoiler ist eingerissen, gelbe Lackspuren prangen am hinteren Stoßfänger. Der Cherokee von Jolanta Kapuszinska sieht aus, als habe er einen harten Geländeeinsatz hinter sich. Dabei hatte die in Hamburg lebende Polin lediglich falsch geparkt. Prügelstrafe fürs Auto? Gibt es nicht. Aber Abschlepper handeln oft ohne Rücksicht auf Verluste.

Der Jeep von Kapuszinska ist das beste Beispiel: Der schwere Wagen wurde am vorderen Torsionsstab auf die Ladefläche gezogen, das Stahlseil durch den Grill des Frontspoilers geführt. Beim Rangieren vor der Beute nahm der Fahrer es mit dem Maß nicht sehr genau. Kapuszinskas Chrysler-Werkstatt schätzt den Schaden auf rund 3500 Mark.

Auf dem Hamburger Polizeirevier, das das Abschleppen veranlasst hat, will man von Schadensregulierung nichts wissen: "Halten Sie sich an die Abschleppfirma, haben die zu mir gesagt", klagt die 37-Jährige. Eine glatte Fehlauskunft. Denn laut BGH-Urteil (Az. III ZR 189/91) muss die Behörde den Schaden selbst regulieren. Und kann sich dann das Geld vom Verursacher wiederholen. Doch auch die Abschleppfirma schaltet auf stur: Die Schäden hätten bereits vorher bestanden. "Von uns sehen Sie keinen Pfennig", heißt es am Telefon. Also wieder zur Polizei. Dort dann die unverhoffte Wende: Ein Zeuge des Schlepp-Schlamassels meldet sich, bestätigt die rüde Verladung.

Beschädigt - und abgewiegelt

Also erneuter Anruf beim Abschlepper. Mit verblüffendem Erfolg: "Kein Problem, selbstverständlich ersetzen wir den Schaden." Kapuszinska kann es kaum fassen: "Wie kann ein polizeilich beauftragtes Unternehmen derart unseriös handeln?"

"Das kommt leider häufig vor", erklärt Ulrich May vom ADAC. Denn in der Branche tobt ein erbitterter Überlebenskampf. Und die Angst vor der Pleite verleitet oft zu üblen Tricks: Mauscheleien mit Polizei und Werkstätten, Überrumpelungen mit Sondergebühren und derlei mehr. "Man sollte sich die Abschleppunternehmen schon genau angucken", sagt May. Ist der Wagen erst am Haken, ist es dafür aber meist zu spät. Das bekommt Kapuszinska ein zweites Mal zu spüren. Als sie das Büro des Abschlepp-Chefs betritt, ist von unkomplizierter Regelung keine Rede mehr. Mundfaul nennt er nur den Namen der Versicherung: Kravag. Weitere Auskünfte zu Versicherungs- oder Schadensnummer lehnt er ab.

Bei der Versicherung geht der Frust in die nächste Runde: Deren Schadensgutachten liegt 1000 Mark unter Chryslers Kostenvoranschlag: 2523,61 Mark. Und auszahlen will man anfangs noch viel weniger. 1600 Mark pauschal auf die Hand. Begründung: Mitverschulden durch verbotswidriges Parken. Noch eine Fehlauskunft. "Falschparken begründet in diesem Fall keine Mitschuld", sagt AUTO BILD-Rechtsexperte Rolf-Peter Rocke. Dafür aber endlose Ausweichmanöver von Abschleppern und Versicherungen.

Die Branche mit dem Haken

Beamtenbestechung, Überrumpelung am Unfallort, Vertuschung von Beschädigungen, Abrechnungsbetrug: Praktiken wie diese haben die Abschleppbranche in den vergangenen Jahren in Verruf gebracht. Leidtragende sind am Ende meist die Falschparker oder Liegengebliebenen. Und die sind dann doppelt bestraft. Es geht auch anders. Vertragspartner der großen Autoclubs oder Mitglieder des Verbands der Bergungs- und Abschleppunternehmen e. V. (VBA) stehen für Service ohne böses Erwachen. Um jeglichen Ärger von vorn herein auszuschließen, sollte Folgendes beachtet werden:

1. Pannenhilfe möglichst über Automobilclubs oder Notrufsäulen ordern.

2. Nur von Abschleppern bergen lassen, die großen Automobilclubs oder dem "Verband der Bergungs- und Abschleppunternehmer e. V." (VBA) angehören.

3. Bereits bei Auftragserteilung Besonderheiten mitteilen, z. B. hohes Gewicht, Automatikgetriebe, Allradantrieb oder Breitreifen.

4. Schon bei der telefonischen Benachrichtigung den Namen des Unternehmens notieren, um nicht an "zufällig" vorbeikommende Abzocker zu gelangen.

5. Kosten klären und die Geschäftsbedingungen durchgehen.

6. Selbst auf sachgerechte Verladung des Wagens achten. Immer fahrzeugspezifische Schlepphinweise beachten.

7. Niemals Wertsachen wie etwa Bargeld, Schecks, Papiere oder Kameras im Wagen lassen.

8. Nach Möglichkeit den Transport zum verabredeten Ort (z. B. Werkstatt, Garage) begleiten.

9. Pannenhilfs- und Abschleppkosten werden in der Regel vor Ort bezahlt. Rechnung sorgfältig auf versteckte Sonderaufschläge oder Sondergebühren prüfen.

10. Sollte es mit einem VBA-Betrieb Probleme geben, wenden Sie sich an die Zentrale in Wuppertal. Telefon 0202-266560.