Keine Zeit für Telefonate: "Bin im Urlaub"

Ein Strandcafé in Beaulieu bei Monaco. Heinz-Harald Frentzen hat es sich in einem Korbstuhl bequem gemacht. Zu seiner Linken Horden gut geölter Sonnenanbeterinnen. Aus dem rechten Augenwinkel kann er am Fernseher das Training in Spa verfolgen. Frentzen fährt nicht mit ...

Nun sitzt er hier: 140 Rennen in acht Formel-1-Jahren. Mitte 2001 bei Jordan entlassen. Wiederaufbau bei Prost. Wechsel zu Arrows. Er kündigt Anfang August. Jetzt folgte der finanzielle Arrows-K.o. Und die Ankündigung von Frentzens Rückkehr zum Schweizer Sauber-Team. Auch Toyota hatte angefragt für 2003 (und darüber hinaus), entscheidet sich endgültig aber erst im September, wenn womöglich kein anderes Cockpit mehr frei ist. Zu riskant, zu spät für Frentzen. Der ist inzwischen 35 und braucht nach dem Hickhack der vergangenen zwölf Monate Sicherheit und Ruhe.

Er reagiert entsprechend, als sein Handy klingelt: "Nein", bescheidet er höflich-bestimmt die Bitte eines Anrufers. "Ich habe keine Zeit dafür!" Wieso, will das andere Ende wissen. Frentzen: "Weil ich Urlaub habe." Sogar ein Angebot, bald für ein Wochenende den King in der V8STAR-Serie zu geben, hat er abgelehnt. Er lässt sich nicht ablenken: "Ich habe bei Sauber zugesagt, weil das ein Superteam ist und mir die besten Perspektiven bietet. Sie arbeiten ab Ende 2003 in einem neuen, hochmodernen Windkanal."

Hat Heidfeld Angst zu versagen?

Teamchef Peter Sauber sagt: "Wir sind auf ihn zugegangen. Die Verhandlung dauerte vier Stunden. Es war ein Vorteil, dass wir Heinz kennen." Aus gemeinsamen Sportwagenzeiten (1990) und Saubers F-1-Frühzeit (1994 bis 1996). Die Entscheidung sieht der sportliche Ziehvater Frentzens als "hundertprozentig rational, nicht emotional".

Rund 50 Prozent der Belegschaft aus Frentzens frühen Formel-1-Jahren sind noch an Bord. Auch sein Ex-Renningenieur, heute Technikchef: Willi Rampf. Der ist inzwischen selbst ein Großer der Zunft und lässt durchblicken, dass das Team auf Top-Niveau angelangt ist. HHF bestätigt: "Die sind technisch und an Professionalität nicht wiederzuerkennen. Ich werde dem Team helfen, wo ich kann, habe aber vollstes Vertrauen, sodass ich mich wahrscheinlich sowieso voll aufs Fahren konzentrieren kann."

Das wäre mal was Neues. Zuletzt musste HHF oft mehr in der Entwicklung als am Lenkrad angreifen. Nun wird er Felipe Massa ersetzen. Und er weiß genau, dass Massas Fehlerquote und Arroganz-Anflüge ihm dabei gute Dienste leisteten. Auch der zweite Pilot, Nick Heidfeld, schien plötzlich auf dem Absprung. Möglicherweise ausgelöst durch die Kunde vom neuen, gefährlichen "Partner". Vielleicht sah sein Management auch plötzlich ein goldenes Türchen bei Toyota aufgehen, das Frentzen offen gelassen hatte. Oder hat Heidfeld Angst zu versagen? "Nein," sagt er fest. "Ich hatte jetzt zweimal junge Neulinge als Teamkollegen. Und immer hieß es: 'Da kann der Heidfeld nur schlecht aussehen.' Jetzt kommt ein erfahrener Pilot – und wieder will man mir das einreden." Diesmal kann er gegen einen Alten verlieren ...

Die Sauber-Twins aus Mönchengladbach

Er wird wohl dennoch bleiben. Und deshalb sitzen 2003 erstmals seit 1989 (Danner/Weidler bei Rial) zwei deutsche Fahrer im selben Boot. Dass sie aus derselben Stadt (Mönchengladbach) stammen, noch dazu demselben Ortsteil (Rheydt), gab's allerdings noch nie. Der lokale Charakter und der spezielle Hintergrund dieses Duells vervielfacht das mediale Interesse. Ein Zweikampf unterm Brennglas. Auch weil Frentzen vor 13 Jahren Heidfeld im Kart in den Sattel half, bis Nick schließlich Ralf Schumacher auf dessen Hausstrecke besiegte. Heidfeld und HHF, sein Vorbild – Brüder im Geiste: ruhig, analytisch, schnell, duldsam, ohne Allüren.

Frentzens Blick wandert rüber nach Spa, am TV sieht er: "Oh, die Sauber liegen hinter den Renault. Die Jungs müssen doch WM-Vierter werden. Ich fiebere mit ihnen, denn vor Renault zu bleiben ist wichtig für die Kapazitäten unseres Teams für 2003." Also für die Teamkasse, aus der er mit 2,8 Millionen Dollar bedient werden soll.

Das Duell mit Nick sieht er gelassen: "Nick hat Talent. Mich hat Sauber geholt, weil er noch einen Fahrer braucht, der richtig Gas gibt. Alle reden jetzt vom Duell. Das ist Nebensache: Nick ist quick. Ich werde ihn beflügeln, fördern und sehr gut für ihn sein." Er meint, dass junge Fahrer die entscheidenden Zehntel oft aus sich selbst herauskitzeln wollen, ältere auch aus dem Auto.

Wer das Duell verliert, kann einpacken

Da wird Abiturient Heidfeld schön die Ohren spitzen. Zumal sein Boss Peter Sauber glaubt: "Nick allein sieht die Grenzen des Autos nicht." Massa schon gar nicht. Auch deshalb wurde der Brasilianer entsorgt. Mitleid, Herr Frentzen? "So würde ich es nicht nennen", sagt er. "Felipe wird eine zweite Chance kriegen. Und die hat er verdient. Mitleid habe ich mit den Flutopfern, die Hab und Gut verloren haben."

Thema erledigt, er nippt abwesend am Cappuccino. Klar, mit ihm hat auch niemand wirklich je gelitten. Obwohl es an Gelegenheiten nicht mangelte. Und weder er noch Heidfeld werden aus Rücksicht auf die Karriere des anderen den Gasfuß lupfen. Bloß wäre es "kindisch", so Frentzen, "nur mit dem Ziel zu starten, den Gegner platt zu machen. Es wird eng zwischen uns, na und? Aber ich werde ausgeruht, mental stärker, fitter, schneller und besser sein als je zuvor. Sicher wird das nicht leicht für Nick. Und für mich ebenso wenig. Aber was zählt, ist, dass wir zwei gemeinsam ziemlich weit vorne in der WM mitkämpfen. Für ein tolles Ziel. WM-Platz vier. Zusammen mit einem Top-Teamchef, Top-Ingenieuren, Super-Motoren von Ferrari ..." Vielleicht auch mit mehr Geld aus Deutschland. Das deutsche Doppel zieht Sponsoren an. "Beabsichtigt ist das nicht", sagt Sauber. Aber die neue Fahrerrivalität wohl doch. Wer das Duell verliert, kann einpacken. Bei Sauber wird es künftig kälter.