Die Angestellte der Zulassungsstelle will schnell auf ihr Amt: "Lassen Sie mich durch, sonst werden sie nicht abgearbeitet", bellt sie die Menschentraube vor der Tür an. Frechheit siegt: Verblüfft bilden die 80 Männer und Frauen eine Gasse. Dabei hätten eher die Wartenden einen Grund, patzig zu werden. Denn seit Mitte Februar geht auf den vier Zulassungsstellen des Hamburger Landesbetriebs Verkehr fast nichts mehr. Die Hälfte aller Beschäftigten streikt, um weiterhin nur 38,5 statt 40 Stunden pro Woche arbeiten zu müssen. In Bremen das gleiche Spiel, die Kollegen in Baden-Württemberg arbeiten mittlerweile wieder.

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Spärlich besetzte Notdienste speisen in Hamburg-Mitte frühmorgens ein paar Bittsteller mit Wartemarken ab. Eine staatliche Nummernlotterie, bei der jeden Tag etwa 150 Autofahrer eine amtliche Audienz gewinnen. Das Gros der Bittsteller geht leer aus. Walter Hagen ist bereits zum siebten Mal um fünf Uhr aufgestanden – und wird mit seiner Ummeldung wieder auf den nächsten Tag vertröstet.

38,5 statt 40 Stunden. Diese Forderung erscheint angesichts des angestrebten Bürokratieabbaus an deutschen Zulassungsstellen absurd. Denn eine von den Ländern angestrebte Reform könnte Tausende der jetzt um ein paar Stunden Streikenden arbeitslos machen. AUTO BILD erfuhr im Bundesverkehrsministerium: In Flächenländern sollen sich Fahrzeughalter nach einem Umzug kein neues Nummernschild mehr holen müssen. Wer also innerhalb Hessens von Wiesbaden nach Kassel umzieht, kann auch in der neuen Heimat "WI" im Schilde führen.

In die gleiche Richtung geht ein Vorstoß des bayerischen Landtagsabgeordneten und Kfz-Innungsmeisters Klaus Dieter Breitschwert (CSU): Der Politiker will, daß Autos künftig direkt beim Händler zugelassen werden können. Vorbild ist Holland: Lizensierte Autohäuser haben dort Zugriff auf den nationalen Zulassungscomputer und können via Internet anmelden. Die fast sicheren Folgen beider Vorschläge: weniger Vorgänge, weniger Arbeit und deshalb weniger Jobs!

Aber dagegen geht nicht ein Landesangestellter auf die Straße! Ein Streik zur falschen Zeit? "Die Gewerkschaften sägen auf dem Ast, auf dem ihre Mitglieder sitzen", sagt Niedersachsens Finanzminister und Arbeitgebervertreter Hartmut Möllring (CDU). Doch die Gescholtenen bleiben stur: "Die Arbeit auf der Zulassungsstelle ist kein Zuckerschlecken. Es ist verständlich, daß die Beschäftigten dort nicht für weniger Geld länger arbeiten wollen", sagt Ver.di-Bundesvorstand Kurt Martin. Das klingt nach noch mehr Kummer mit der Nummer.