Die bei Nissan haben einfach kein glückliches Händchen bei der Namenswahl für ihre Autos. Sie tragen so seltsame Bezeichnungen wie Qashqai, Tiida oder Juke. Und wenn es ein Produkt des Edelablegers Infiniti ist, dann klebt G35, M37 oder eben M35h am Heck. Wie nichtssagend. Nur der historisch Bewanderte weiß schließlich, dass das Kürzel M35 unter anderem einen unglücklichen Citroën mit Wankelmotor, den deutschen Standard-Stahlhelm oder ein metrisches Feingewinde bezeichnet. Und gewiss will bei Nissan keiner an alte Coupés, Soldatenhüte oder Wellenschrauben erinnern. Allein: Einen klangvolleren Namen zu finden ist gar nicht so einfach. Schließlich kann Infiniti nicht aus so einem reichen Fundus traditionsbehafteter Autonamen schöpfen, wie es europäische Premiumanbieter tun. M35h also.
Noch mehr hybride Sparfüchse

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Inifiniti M35h
Understatement in Blech: Der Infiniti ist zurückhaltend aber nicht unattraktiv gestaltet.
Infiniti will offenbar eher mit inneren Werten überzeugen, wenngleich sich der Viertürer auch sehr um ein gefälliges Äußeres bemüht. Er ist eine stattliche Oberklasse-Limousine mit sanft geschwungenen Linien und fließenden Formen, die versuchen, die wahren Ausmaße zu kaschieren – wie ein geschickt geschnittener Smoking bei einem etwas zu fülligen Opernsänger. Es gibt unansehnlichere Autos in dieser Klasse. Doch auch auffälligere. Der Infiniti verschwindet fast im Großstadtverkehr – nicht nur wegen seines grundierungsgrauen Lacks. Diskreter kann Premium kaum ausfallen. Das gefällt dem Tester, ist jedoch fürs Überholprestige nachteilig. Smart quetschen sich vor die Nissan-Nase, Paketfahrer räumen nur ungern die linke Spur. Durch diese Manöver wird der Infiniti immer langsamer – weil der Distance Control Assistent automatisch stets den vorschriftsmäßigen Abstand hält. Der DCA ist Teil des Dynamic Safety Shield, eines kompletten Rundumprogramms elektronischer Fahrassistenten vom intelligenten Tempomaten bis zum Spurwechsel-Assistenten.

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Inifiniti M35h
Dynamisches Duo: Der Hybridantrieb im M35h beherrscht auch die flotte Gangart.
Es ist beim M35h GT Premium serienmäßig an Bord, dient unzweifelhaft der Fahrsicherheit, jedoch ebenso dem Spieltrieb des Fahrers. Zum Glück lässt es sich komplett abschalten oder über den Bordcomputer konfigurieren. Währenddessen kann die Besatzung den feinen Klang der Soundanlage genießen, die auch die leisen Töne von Mark Knopflers Gitarre sauber reproduziert. Es ist sehr leise im Infiniti. Dank der Doppelverglasung und des Hybridantriebs, der den M35h bei Stadttempo elektrisch dahinrollen lässt. Das funktioniert sogar bei schnellerer Fahrt. Erst bei rund 100 km/h ist endgültig Schluss, spätestens dann schaltet sich der V6 dazu. Natürlich tut er das viel früher, wenn man etwas heftiger aufs Gas steigt. Dabei funktioniert das Zusammenspiel der zwei Kupplungen mit den beiden Motoren und der Siebenstufenautomatik angenehm unauffällig. Kleine Piktogramme zwischen Drehzahlmesser und Tacho zeigen den Kraftfluss, und der große Navigationsmonitor präsentiert auf Knopfdruck dasselbe Spiel in Farbe und Cinemascope. Liest sich alles sehr gemütlich und entspannend. Ist es auch.
Doch der M35h kann auch anders. Beim Ampelstart das Fahrpedal in den Teppich rammen, schon schießt der Infiniti davon, als gelte es, ein Viertelmeilen-Rennen zu gewinnen. Zwar verfehlte der Testwagen die Werksangabe für den Spurt von null auf 100 km/h um 0,2 Sekunden (5,7 s), doch selbst damit ist er immer noch schneller als die meisten anderen Oberklasse-Hybriden. Noch beeindruckender der Wert für den Zwischenspurt von 80 auf 120 km/h: 3,6 Sekunden. Das sind echte Sportwagenzeiten. Doch selbst dabei zeigt der Nobel-Nissan keine unangemessene Hektik. Die Automatik wechselt die Fahrstufen auch unter Volllast bedächtig und diskret. Kick-down-Befehle werden nur zögerlich befolgt, so als fragten Kupplungen und Getriebe: "Bist du sicher, dass wir jetzt bei 60 km/h den niedrigstmöglichen Planetenradsatz einwerfen sollen?" Während Sie noch "Ja" denken, fliegt der M35h dann schon am Landstraßenlimit über die Chaussee.
Schnelle Kurvenfahrten liegen ihm dagegen nicht so sehr. Dazu gibt die elektrohydraulische Servolenkung zu wenig Rückmeldung, und die Bremse ist – wie bei fast allen Autos mit Bremsenergierückgewinnung – nicht besonders gut dosierbar. Nicht dass sie schlecht wäre, im Gegenteil, sie bringt den M35h selbst heißgebremst in 36,2 Metern zum Stehen. Gemessen an den guten Fahrwerten geht auch der Verbrauch in Ordnung: Auf der Testrunde genehmigte sich der M35h 8,6 Liter, bei sehr sparsamer Fahrweise kann auch eine Fünf vor dem Komma stehen. Was das nun alles kostet? Antwort: viel, aber immerhin weniger als gedacht. Den M35h gibt es ab 56.600 Euro, den GT Premium mit allem, inklusive Festplatten-Navi, Safety Shield und Metalliclack, für 63.650 Euro. So dürfte sich der Infiniti M35h schnell einen Namen machen.

Fazit

von

Heinrich Lingner
Ich mag den Infiniti M35h sehr. Weil sein Hybridantrieb unspektakulär und fast perfekt funktioniert und ich ihm gelegentliches Ruckeln bei schnellen Lastwechseln nachsehe. Doch vor allem gefällt mir, dass der Infiniti völlig uneitel wirkt und bar jeglicher aufgesetzter Sportlichkeit – ein Premiumauto, unauffällig und geschmackssicher wie maßgeschneiderte Schuhe. Dass der Kofferraum nicht der größte seiner Klasse, das Platzangebot im Fond ebenfalls nicht besonders großzügig ist – geschenkt. Die sanfte Gewalt seiner zwei Motoren ist ein Luxus, der sich bei jedem leichten Druck aufs Gaspedal genießen lässt. Leise und einfach wunderbar.

Von

Heinrich Lingner