Im Interview mit AUTO BILD spricht CiteeCar-Chef Bill Jones über den Erfolg von Carsharing und erklärt, warum er für Konkurrent Car2Go dankbar ist.
AUTO BILD: Herr Jones, der Bundesverband für Carsharing e.V. hat vor wenigen Tagen seine aktuellen Zahlen vorgelegt: Anfang 2014 gab es in Deutschland mehr als 750.000 registrierte Nutzer, ein Zuwachs von über 67 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wieso funktioniert Carsharing vor allem in Deutschland so gut? Bill Jones: Als wir 2011 den Markt analysiert haben – ein Jahr vor dem Start von CiteeCar – ist uns aufgefallen, dass vor allem die Deutschen, insbesondere in Berlin, dem Thema Carsharing extrem aufgeschlossen gegenüberstanden. Es gibt in der deutschen Gesellschaft ein großes Bewusstsein für ökologische Probleme. Überfüllte Straßen in den Städten und chronischer Parkplatzmangel sind aber kein unausweichliches Schicksal. Es bestand in Deutschland die Chance auf einen Verhaltenswandel – es fehlte nur der notwendige Anstoß. Der ist nun erfolgt. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass die Medien begonnen haben, sich für das Phänomen Carsharing zu interessieren. Das Modell existiert seit Jahrzehnten, hat aber nur einen sehr begrenzten Kreis von Personen angesprochen. Nun ist das System auch für die Massen transparent und erreichbar geworden. Jeder kann sich schnell darüber informieren, welches der unterschiedlichen Carsharing-Modelle am besten zu den persönlichen Bedürfnissen passt. Carsharing war bis vor wenigen Jahren nicht wirklich cool. Nun ist es hip und sexy. Das liegt auch daran, dass wir immer besser verstehen, was der Markt verlangt. Und die Lernphase ist längst nicht abgeschlossen.
Bei CiteeCar gibt es derzeit ausschließlich den Kia Rio. Zur Flotte gehören 450 Fahrzeuge in vier Städten.
CiteeCar ist mittlerweile in Berlin, Frankfurt, Hamburg und München vertreten und zählt mit seiner Flotte von 450 Fahrzeugen zu den großen Akteuren. Welchen Schritt planen Sie als nächstes? Wir werden weiter expandieren und haben bereits für August 2014 neue Städte im Visier. Derzeit befinden wir uns noch in der Analyse, deshalb kann ich noch nicht sagen, um welche Städte es sich handeln wird. Aber wir werden mit einer offensiven Strategie unser Angebot ausweiten. Auch an den bestehenden Standorten wird unsere Flotte aufgestockt. Bis zum Ende des Jahres 2014 werden unseren Kunden deutschlandweit rund 1000 CiteeCars zur Verfügung stehen.
Wie sieht es mit anderen Ländern aus? Die Unternehmensberatung Frost & Sullivan ist in Ihrer Studie über Carsharing zu dem Ergebnis gekommen, dass wir in Europa bis zum Jahr 2020 etwa 15 Millionen Carsharing-Nutzer haben werden. Der europäische Markt hat ein gewaltiges Potenzial und diese Entwicklung wollen wir mittragen und mit unserem Angebot unterstützen. Also ja, wir werden CiteeCar auch bald in anderen europäischen Städten sehen. Was ist mit den sogenannten Emerging Markets, den aufstrebenden Märkten in Asien oder Südamerika. Wartet nicht auch hier ein gewaltiges Potenzial? Das ist sicherlich so, doch lässt sich momentan nicht voraussagen, wann diese Märkte für das Thema Carsharing wirklich relevant sein werden. Carsharing funktioniert überall dort sehr gut, wo es bereits eine funktionierende und verlässliche Infrastruktur von öffentlichen Verkehrsmitteln gibt. Intelligentes Carsharing hat nicht das Ziel, mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu konkurrieren, vielmehr geht es um eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Mobilitätsformen. Zusätzlich muss sich bei den Menschen eine gewisse Haltung zum Thema Mobilität manifestieren, damit sich Carsharing als Konzept durchsetzen kann. Wann die Voraussetzungen auf diesen Märkten gegeben sein werden, kann ich nicht sagen, aber CiteeCar wird 2015 garantiert noch nicht in Indien vertreten sein. Es gibt in den nächsten Jahren noch genügend Dinge, die wir in Deutschland und Europa bewegen können.
Sie bieten momentan als einziges Fahrzeugmodell den Kia Rio an. Wenn unsere Kunden Bedarf an neuen Modellen zeigen, dann werden wir darauf reagieren. Das kann zum Beispiel ein kleineres Auto sein oder aber ein Kombi für den größeren Transport. Wir denken auch über Hybrid- und Elektrofahrzeuge nach. Wobei Elektrofahrzeuge derzeit nicht in Frage kommen. Zum einen sind sie noch zu teuer, was unserer Philosophie widerspricht, Carsharing zu einem günstigsten Preis anzubieten. Zum anderen gibt es bei den Ladestationen noch keine funktionierende Infrastruktur. Aber wir schauen uns genau an, was unsere Kunden wünschen. Das betrifft im Übrigen auch die Standorte unserer Fahrzeuge. Wenn wir bei der geplanten Auslastung eines Standortes falsch liegen, können wir dank unseres einzigartigen Host-Modells schnell und flexibel reagieren und den Standort des Autos verlagern. Auch deshalb setzen wir nicht auf Stationen mit großen Parkflächen, die an langfristige Mietverträge gebunden sind.
Anders als Car2Go oder DriveNow gehört CiteeCar zu den stationsgebundenen Carsharing-Anbietern.
In den letzten beiden Jahren hat das stationsunabhängige Carsharing gewaltig zugelegt, insbesondere im Vergleich zu den stationsbasierten Anbietern. Haben Sie nicht das Gefühl, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben? Keineswegs. Die Zuwachszahlen sind in der Tat enorm, aber das ist auch nicht verwunderlich, wenn man sich anschaut, welche Firmen hinter diesen Kooperationen stehen. Freefloater wie DriveNow und Car2Go setzten mit Ihrer Einwegmiete auf ein ganz anderes Konzept und bedienen ein unterschiedliches Nutzerverhalten. Daher sind sie auch keine Konkurrenz für uns. Carsharing muss das Ziel haben, dass sich die Anzahl der Autos auf den Straßen verringert. Das funktioniert am besten mit stationsbasiertem Carsharing, denn unsere Autos werden für Aufgaben eingesetzt, die die öffentlichen Verkehrsmittel nicht erfüllen können. Das sieht bei der Einwegmiete anders aus, wo aus meiner Sicht eine Konkurrenzsituation zu öffentlichen Verkehrsmitteln entsteht. Dennoch sind wir sehr dankbar, dass es die Freefloater gibt.
Wieso das? Sie sorgen für ein bisher nicht dagewesenes Medieninteresse am Thema Carsharing. Leute die sich für dieses Mobilitätsprinzip bisher nicht interessiert haben, fragen sich jetzt, was Carsharing eigentlich ist. Das schafft das Bewusstsein, dass es grundsätzlich eine Alternative zum eigenen Auto gibt. Von dieser Aufmerksamkeit profitieren auch wir. Und wer zu uns kommt, dem sagen wir: Benutze eines unserer Autos, wann immer du willst. Du bist vollkommen mobil und kannst dennoch auf die Kosten und den Stress verzichten, den ein eigenes Auto verursacht.
Ist das Ihre Botschaft, dass die Menschen keine eigenen Autos mehr besitzen sollen? Wir wollen nicht den Privatbesitz abschaffen, aber in einigen Städten ist es mittlerweile wenig verantwortlich ein Auto exklusiv zu benutzen, das den meisten Teil seiner Zeit nur rumsteht. Wenn ein Auto im Carsharing vernünftig eingesetzt wird, kann es im besten Fall bis zu 80 Autos im Privatbesitz ersetzen.
Das klingt ja so, als müsse sich die Automobilindustrie Sorgen machen, bald viel weniger Autos absetzen zu können. Ich bin mir sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis Autos vom Band laufen, die serienmäßig mit allen technischen Mitteln ausgestattet sind, die ein Carsharing-Einsatz erfordert. Auch die Autoindustrie weiß längst: Es gibt keine Alternative zum Carsharing. Denn in unserem Leben hat sich ein Wandel vollzogen. Ich bin in einer ländlichen Gegend aufgewachsen und fieberte meinem ersten Auto entgegen, von dem ich mir vor allem Freiheit versprach. Als ich es besaß, konnte ich mir ein Leben ohne eigenes Auto nicht mehr vorstellen. Meine Tochter lebt mittlerweile in London. Im Gegensatz zu mir damals, hat sie keinen Bedarf an einem eigenen Auto. Im Gegenteil, nichts läge ihr ferner, als ihr schwer verdientes Geld in den Unterhalt eines Autos zu investieren. So geht es heutzutage vielen Menschen in unseren Metropolen. Wir sorgen dafür, dass ihnen dennoch ein Auto zur Verfügung steht, wenn sie es brauchen.