"Wer siegen will, muss Risiken eingehen"

AUTO BILD motorsport: Die Fans blicken gespannt auf den neuen McLaren-Mercedes MP4-18. Dabei hält das weiterentwickelte Vorjahresauto derzeit immer noch überraschend gut mit. Ron Dennis: Stimmt. Unser Interimsauto MP4-17 D produziert gute Resultate. Mit ihm hoffen wir auch in den nächsten Rennen mit Ferrari mitzuhalten.

Und dann? Der Typ 17 D wird nicht die gesamte Saison über konkurrenzfähig sein. Deshalb muss der neue Silberpfeil für uns die WM gewinnen. Dazu muss er aber nicht nur Tests, sondern auch Rennen fahren. Wir haben klare Vorstellungen, wann das Auto erstmals im Rennen eingesetzt werden soll. Aber dieser Termin wird sich nach der Entwicklungsgeschwindigkeit richten.

Die Zeit drängt. Vom 21. Juli bis 1. September gibt es ein sechswöchiges Testverbot, also verlorene wichtige Entwicklungszeit für Sie. Warum gehen Sie trotzdem das Risiko ein? Um ganz vorn zu fahren, muss man in diesem Geschäft auch mit einem gewissen Risiko arbeiten. Unser Vorteil ist, dass die Regeln momentan recht stabil sind. Das gibt uns mehr Zeit. Die nutzen wir, um aggressiver und aufwändiger zu planen, damit das neue Auto einen noch größeren Leistungssprung macht.

Ferrari hat fast drei Monate gebraucht, um den F2003-GA rennfertig zu machen. Warum wird das bei McLaren schneller gehen? Ferrari hatte ganz spezifische Probleme, die den Start des Autos verzögerten. Das kann uns zwar theoretisch auch passieren, aber wir konnten das Risiko verringern, weil wir einzelne Bausteine schon früh separat auf Belastung und Ermüdung getestet haben. Wir haben auch zwei Getriebe parallel entwickelt. Eines ist eine Weiterentwicklung des jetzigen, das andere ist komplett neu. So wollen wir das Risiko eines Fehlschlages reduzieren.

"Der MP4-18 wird in allen Bereichen besser"

Was können die Fans sonst noch vom MP4-18 erwarten? In allen Bereichen, die ein Auto schneller macht, wird er besser sein als sein Vorgänger.

Wer zeichnet bei McLaren für den Rennwagen verantwortlich? Wir haben zwei Senior-Designer mit ihren Mannschaften. Für den Typ 17 war das Neil Oatley, für den neuen Silberpfeil ist es Mike Coughlan. Koordiniert wird deren Arbeit von Adrian Newey.

... Ihrem Technischen Direktor, von dem es heißt, das neue Auto sei sein letzter Geniestreich für McLaren. Stimmt nicht! Newey ist hoch motiviert und wird auch in Zukunft konkurrenzfähige Autos bauen.

Dennoch haben Sie im vergangenen Jahr in Ihrer Firma fast alle Strukturen geändert. Ergebnis der Niederlagen gegen Ferrari? Erstens: Fehler machen ist menschlich. Zweitens: Ich lebe in meinem Job permanent mit einer Art Selbstanalyse. Und drittens: Niemand kann permanent Maximalleistungen produzieren.

Wo steht McLaren-Mercedes derzeit im Vergleich zu Ferrari, BMW-Williams und Renault? Renault haben wir in diesem Jahr in der Regel geschlagen. Ferrari hat mit dem neuen Auto einen Schritt nach vorn gemacht. Die nächsten Rennen werden zeigen, ob dieser Schritt groß genug war. Bei Williams hat man offensichtlich ein paar Probleme. Dort wird man sich – wie wir es getan haben – offensiv damit auseinander setzen.

Ralf Schumacher bei McLaren kein Thema

Kommen wir zu Ihren Piloten: Was unterscheidet Kimi Räikkönen von seinem Vorgänger Mika Häkkinen? Wie der junge Mika hat auch Kimi das Zeug, nicht nur Rennen, sondern auch die WM zu gewinnen. Er hat ein riesiges, noch nicht voll ausgeschöpftes Potenzial. Er wird immer besser, ist zudem ruhig, entspannt und selbstbewusst.

Lauda, Prost, Senna – Sie haben mit vielen Superstars gearbeitet. Wie sehen Sie Räikkönen im Vergleich? Kimi hat die meisten der Qualitäten, die diese Fahrer auch hatten.

Halten Sie es für vorteilhaft, wenn ein Pilot wie David Coulthard so lange für dasselbe Team fährt? Ja, denn so entsteht Stabilität und Vertrauen zwischen Fahrer und Team. Auch David hat die Fähigkeiten, Weltmeister zu werden.

Wird Ralf Schumacher bei Ihnen 2003 Coulthard-Nachfolger? Zu dieser Pressegeschichte nur so viel: Es gibt keinen Kontakt und kein Interesse. Wir sind fahrerisch bestens aufgestellt.

Was muss ein Pilot können, den Sie verpflichten? Er muss Rennen gewinnen können.

Auch vom letzten Startplatz aus? Auch dann. McLaren-Mercedes tritt immer an, um zu gewinnen.

Bei derlei Ansprüchen müssen Sie doch enorme Angst haben, dass der neue Silberpfeil trotz aller Tests nicht siegt? Alles, was wir für das neue Auto getan haben, garantiert nicht seinen Erfolg. Aber: Wir wissen, dass wir einen besseren Rennwagen gebaut haben, als es der Vorgänger war. Wir wissen nur noch nicht, wie gut er wirklich ist.

Dennis bezweifelt McLaren-Übernahme

Manches liegt auch nicht in Ihren Händen. Sie stecken Millionen Dollar in ein neues Auto, und am Ende entscheidet ein Satz Reifen für ein paar Tausender, ob dieses Auto einen Grand Prix gewinnt. Das war schon immer so, vor allem seit verschiedene Reifenhersteller dabei sind. Das ist nun mal ein Teil des Wettbewerbs.

Ist es diese Hightech-Schlacht, die Sie noch immer motiviert? Absolut! Der Wettbewerb auf hohem Niveau ist mein Leben.

Es gibt Gerüchte, dass Ihr Motorenpartner Mercedes-Benz demnächst die Mehrheit an McLaren übernimmt oder die Firma gar komplett aufkauft. Das ist, wie Sie sagen, ein Gerücht. Auch wenn solch ein Deal reizvoll und bezahlbar sein sollte – wird er in naher Zukunft möglich sein? Ich bezweifle es.

Es wird viel über die Formel 1 spekuliert: eigene Hersteller-Serie, Ende des Concorde-Abkommens. Wie sehen Sie die Zukunft? Es wird eine stabile Lage geben, weil keiner der Beteiligten die Formel 1 beschädigen will. Es kommen auch keine zwei konkurrierenden Serien. Das ganze Problem wird rechtzeitig gelöst.

Sie sind also noch immer hundertprozentig motiviert? Klar! Das Problem ist nur, dass ich immer weniger Zeit für mich und meine Familie habe.

Dabei gelten Sie doch als der größte Egomane im Zirkus. Ich habe Spaß zu sehen, wie meine Kinder aufwachsen und sich entwickeln. Dasselbe gilt für die Entwicklung von McLaren. Leider hat der Tag oft zu wenig Stunden.

Und wenn doch ein bisschen Freizeit übrig bleibt? Dann gehe ich mit meiner Frau über den Golfplatz.